Politik | Autonomie-Konvent

Trentini do it better

In Sachen Autonomiepolitik ist die Nachbarprovinz den Südtirolern „um Lichtjahre voraus“, sagt Senator Francesco Palermo.

Wollte man von der Anlaufphase auf das Endergebnis schließen, dann müsste man dem Südtiroler Autonomie-Konvent keine großen Erfolgschancen zuschreiben. Die schweigende Mehrheit der Bevölkerung scheint die ersten Open Spaces in Bozen und Bruneck regelrecht verschlafen zu haben. Stattdessen ist dort die deutsche patriotische Opposition aufmarschiert und hat in der Diskussion viele ihrer Themen durchgesetzt – zum Teil auch Forderungen wie den Freistaat Südtirol oder die Wiedervereinigung Tirols, die im Grunde gar nicht verhandelbar sind, weil sie eindeutig den Rahmen eines Konvents sprengen, der sich mit der Reform der Südtirol-Autonomie befassen soll und nicht mit ihrer Beseitigung.

„Was die Autonomiepolitik angeht, sind die Trentiner den Südtirolern um Lichtjahre voraus.“

Im Trentino ist die Consulta, wie der dortige Konvent heißt, besser angelaufen, findet der Südtiroler Senator Francesco Palermo, und das berechtigt seiner Ansicht nach zur Hoffnung, dass die Bevölkerung aktiver am Diskussionsprozess teilnehmen wird. "Während der Konvent im Südtiroler Landtag allein mit den Stimmen der Mehrheitsparteien durchgedrückt worden ist, hat es im Trentiner Landesparlament, sieht man von einigen Enthaltungen ab, einen einstimmigen Beschluss gegeben." Die Consulta werde dort offenbar von breiteren Schichten mitgetragen. Für Palermo steht fest: "Was die Autonomiepolitik angeht, sind die Trentiner den Südtirolern um Lichtjahre voraus."

Zwar sei der im Trentino vorgesehene Diskussionsprozess „auf dem Papier weniger offen“ als in Südtirol – u. a. werde es keine Open Spaces geben - , doch rechnet Palermo damit, dass die Auseinandersetzung mit Autonomie-Themen dort stärker in die Tiefe gehen wird, und sei es auch nur, weil es im Trentino mehr Übereinstimmung zwischen dem Handeln der Politik und dem Wollen der Bevölkerung zu geben scheine. Das Klima im Trentino sei einfach konstruktiver. Mit der politischen Vertretung in Südtirol geht Palermo hart ins Gericht: "Der Autonomie-Diskussionsprozess ist hierzulandenur halbherzig in Gang gesetzt worden. Die Politiker denken  nicht weiter als bis zum nächsten Urnengang, für sie ist nach der Wahl vor der Wahl“, kritisiert er. Da bleibe wenig Raum für Zukunftsweisendes.

„Bestimmte Leute sind regelrecht besessen von Themen wie Selbstbestimmung, Proporz und muttersprachlicher Unterricht. Ich würde mir wünschen, dass das Niveau der Diskussion steigt.“

Was den weiteren Verlauf des Konvents angeht, so hofft Palermo auf „mehr Tiefgang“, was die Chancen der künftigen Südtiroler Autonomie betrifft. „Bestimmte Leute sind regelrecht besessen von Themen wie Selbstbestimmung, Proporz und muttersprachlicher Unterricht. Ich würde mir wünschen, dass das Niveau der Diskussion steigt“, sagt er. Seine Vorstellung ist, dass am Ende der langen Diskussion wirklich neue, zukunftsträchtige Vorschläge auf dem Tisch liegen.

"Einerseits jammert die große Mehrheit über die Politik von oben, wenn aber Politik von unten angesagt ist, kommt keine rechte Lust zum Mitmachen auf."

Wie man das erreichen kann, weiß Palermo selbst nicht. „Mehr, als den Leuten das partizipatorische Werkzeug in die Hand zu drücken, kann die Politik auch nicht tun“, räumt der Senator ein. Schließlich könne man niemanden zu seinem demokratischen Glück zwingen. "Einerseits jammert die große Mehrheit über die Politik von oben, wenn aber Politik von unten angesagt ist, kommt keine rechte Lust zum Mitmachen auf. Vielleicht kann aber der Konvent mindestens dazu beitragen, dass den Menschen bewusst wird, wie komplex Entscheidungsfindungsprozesse eigentlich sind“, meint er. „Ich sage immer eines: In 20 Jahren haben wir entweder eine Diktatur, oder wir entscheiden alles nur noch über partizipatorische Prozesse.“

 

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Sepp.Bacher Mi., 03.02.2016 - 14:06

Es ist nun mal verständlich, dass im Trentino ein Autonomiekonvent leichter in Gang zu setzen und zu handhaben ist. Die Gesellschaft ist einfach homogener. Es gibt nicht die starren Fronten und das gegenseitige Misstrauen. Ich würde fast sagen, der Vergleich mit dem Trentino ist in diesem Zusammenhang nicht zulässig.
Ich stimme aber mit Senator Palermo überein, wenn er sagt. "Der Autonomie-Diskussionsprozess ist hierzulande nur halbherzig in Gang gesetzt worden. Die Politiker denken nicht weiter als bis zum nächsten Urnengang, für sie ist nach der Wahl vor der Wahl“.
Aufgreifen und zur Diskussion stellen möchte ich den Satz von K. d. Gennaro: "(....) zum Teil auch Forderungen wie den Freistaat Südtirol (...) die im Grunde gar nicht verhandelbar sind, weil sie eindeutig den Rahmen eines Konvents sprengen, der sich mit der Reform der Südtirol-Autonomie befassen soll und nicht mit ihrer Beseitigung."
Es gibt genügend Beispiele in Europa und darüber hinaus, in denen Territorien eine viel weitreichendere Autonomie haben, als unsere jetzige. Einige dieser sind wie ein Freistaat in den Grenzen des Mutterstaates bzw. unter der selben Krone. England, Wales, Schottland und Nordirland sind sogar eigene Nationen unter der selben Krone. Haben deswegen auch eigene Nationalmannschaften, Flaggen und Hymnen. Noch eigenständiger von GB sind die Kanalinseln. Eine analoge Situation gibt es unter der Dänischen Krone: Grönland und die Färöer-Inseln sind auch Freistaaten mit eigenen Parlamenten, eigen Hoheitszonen im Meer (Fischerei, Schifffahrt). In der Schweiz hat jeder Kanton mehr Eigenständigkeit. Aber auch außerhalb von Europa gibt es tolle Beispiele, wie autonom - z. t. sogar eigenes Rechtssystem - Regionen sein können: z. B. Sansibar innerhalb von Tansania oder Puerto Rico von den USA. Also nur Mut, öffnet euren Denk-Spielraum! Es ist vieles möglich ohne Sezession!

Mi., 03.02.2016 - 14:06 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 03.02.2016 - 16:21

Antwort auf von Harald Knoflach

Jetzt wo ich auf Wikipedia genauer nachgelesen habe, muss ich dir Recht geben. Puerto Rico wird zwar als Freistaat bezeichnet ist politisch aber so ein Zwischen-Ding. Meine Erinnerung , dass es keine Wehrpflicht gibt, stimmt so auch nicht. Es gibt in den USA keine generelle Wehrpflicht. Ist also keine Ausnahme für Puerto Rico.

Mi., 03.02.2016 - 16:21 Permalink
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Harald Knoflach Mi., 03.02.2016 - 14:20

"Stattdessen ist dort die deutsche patriotische Opposition aufmarschiert und hat in der Diskussion viele ihrer Themen durchgesetzt – zum Teil auch Forderungen wie den Freistaat Südtirol oder die Wiedervereinigung Tirols, die im Grunde gar nicht verhandelbar sind, weil sie eindeutig den Rahmen eines Konvents sprengen, der sich mit der Reform der Südtirol-Autonomie befassen soll und nicht mit ihrer Beseitigung."

Komisch. Die offiziellen Veranstalter sehen das zwar anders, aber die Autorin wird bestimmt besser wissen, wozu der Konvent "wirklich" da ist. In der Einleitung auf www.konvent.bz.it heißt es nämlich:

"Einerseits soll es dabei um lebensnahe Themen des Alltags gehen: Wie werden die Schulen aussehen, die unsere Schüler künftig besuchen? Wie wird die Gesundheitsversorgung geregelt werden und wer entscheidet darüber?
Aber auch die großen Fragen sollen diskutiert werden: Wie sollen sich Bürger in die Südtiroler Politikgestaltung einbringen? Welche Rolle wird Südtirol in Europa spielen? Wie werden die Beziehungen zu Italien aussehen? Wie stehen die Südtiroler zu politischen Visionen wie Vollautonomie, Freistaat, Makroregion Alpenraum oder Rückkehr zu Österreich?"

„Bestimmte Leute sind regelrecht besessen von Themen wie Selbstbestimmung, Proporz und muttersprachlicher Unterricht. Ich würde mir wünschen, dass das Niveau der Diskussion steigt“

Ich finde es bedenklich, dass der Senator suggeriert, dass wenn man über diese Themen spricht, dies etwas mit Niveau zu tun hat. Ich kann mich auf sehr hohem Niveau über diese Themen unterhalten und auf grottentiefem Niveau Palermos bevorzugte Themen besprechen. Dieser suggerierte Zusammenhang zeugt von einem nicht sehr hohen Diskussionsniveau Palermos.

Mi., 03.02.2016 - 14:20 Permalink
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Christian Mair Mi., 03.02.2016 - 15:21

Neue Sachlichkeit:
Das sind die Themen im Trentin:
- Studenten wollen beste Schulen nicht nur italien-sondern europaweit
- Abbau von organisatorisch-strukturellen und altersspezifischen Hürden zwischen Schule und Beruf
- Einbeziehung aktuellern Themen in den Unterricht
- geschlossene Schulen an Samstagen
- Bewertung der Lehrer
- Anerkennung von Schulzeiten absolviert im Ausland

http://www.spazioconsulte.it/index.php?s=32&conid=99&cbid=717

Mi., 03.02.2016 - 15:21 Permalink
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Christian Mair Mi., 03.02.2016 - 20:09

Antwort auf von pérvasion

Völlig richtig bemerkt. Mein Fehler.
Die Kritik in der sache bleibt jedoch erhalten:
Viel Dampf bei Personalien, Sprachgruppen, Ethnien, Niveau etc., wenig sachliche Berichterstattung über Inhalte.
Tatsächlich wäre eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Themenvorschlägen des Trentiner Konvents interessant, ganz im sinne eines euregionalen Wettbewerbs.

Mi., 03.02.2016 - 20:09 Permalink