Wirtschaft | Vollversammlung

Sparkasse reloaded

Wir stehen wieder fest auf den Beinen: Das war am Donnerstag die wichtigste Botschaft der Südtiroler Sparkasse an ihre Aktionäre. Die spannendste Frage blieb aber offen.

Dramaturgisch war es ein gelungener Kniff. Wird die Gesellschafterversammlung von Südtirols größter Bank nach den beiden dramatischsten Jahren ihrer Geschichte eine Haftungsklage gegen ihre ehemaligen Verwalter beschließen? Wer an der Antwort auf diese Frage interessiert war, musste am Donnerstag Abend fast vier Stunden im Bozner Konzerthaus Haydn ausharren. Tagesordnungspunkt Nummer 7 stand schließlich ganz am Ende des Spektakels, das Sparkasse-Aktionären und der lokalen Presse auf der jährlichen Vollversammlung  geboten wird. Um salto-Lesende nicht genauso auf die Folter zu spannen, soll die enttäuschende Auflösung hier vorweg genommen werden: Es gab weder einen Vorschlag noch eine Abstimmung darüber, ob man wegen der Millionenverluste der vergangenen Jahre auch bankintern gegen „ehemalige Mitglieder des Verwaltungsrates, Aufsichtsrates und Direktoren“ vorgeht. Alles aufgeschoben – das Rechtsgutachten ist noch nicht fertigstellt, war der Kern einer langen und komplizierten Erklärung von Präsident Gerhard Brandstätter zum Thema. 

Während der Sparkassen-Verwaltungsrat bereits Ende 2014 eine Haftungsklage gegen die Verantwortlichen für das Millionengrab des Tochterunternehmens Raetia Sgr beschlossen habe, gibt man sich bei den ehemaligen Verwaltern der Bank weit vorsichtiger. Bereits im Sommer war ein Rechtsgutachten zur delikaten Frage bei der renommierten Kanzlei Franco Bonelli in Auftrag gegeben worden. Doch der als „avvocato dei poteri forti“ bekannte Experte verstarb kurz darauf und der Auftrag musste neu vergeben werden.  Nun hätten es die neuen Auftragnehmer entgegen den ursprünglichen Erwartungen nicht geschafft, sich rechtzeitig durch die komplexe Materie zu arbeiten, lautete Brandstätters Entschuldigung. Auf Druck habe man jedoch durchsetzen können, dass das Gutachten dem Verwaltungsrat am 26. April in einer eigens dafür einberufenen Sitzung vorliegt. Wenn dann eine Basis für eine Klage vorliegen sollte, werde man noch innerhalb Mai eine außerordentliche Vollversammlung einberufen, versprach der Sparkasse-Präsident.

Wäre die Sparkassen-Gesellschafterversammlung, wie seit jeher Tradition, Ende April abgehalten worden, hätte man sich solche Komplikationen erspart. Doch wer will schon Absicht hinter einer solch unglücklichen Verkettung von Umständen vermuten? Noch dazu an einem Abend, der ganz den Rettern der Regionalbank und ihrer Botschaft von der Wiederauferstehung der Südtiroler Sparkasse gehörte. 231 Millionen Euro Verlust stand in der Bankbilanz 2014. Ein Jahr später sind es nur mehr 3,4 Millionen Euro. In der konsolidierten Bilanz, also inklusive Immobilientöchtern, machte die Sparkassen-Gruppe 2015 gar einen Reingewinn von 4,3 Millionen Euro. Der noch einmal um fast 8 Millionen Euro höher ausgefallen wäre, wenn die Sparkasse nicht kurz vor Jahresende im Zug des staatlichen Dekrets „Salva Banche“ mitgerupft worden wäre – mit einem satten Beitrag in Höhe von 11,5 Millionen Euro für den Bankenrettungs- und Einlagesicherungsfonds.

Helden-Epos

Entsprechend heroisch war die Inszenierung der Versammlung. Angefangen bei einer mit dramatischer Musik untermalten Projektion von Zeitungsartikeln, mit denen der Weg aus der Krise nacherzählt wurde, bis hin zu einem nicht enden wollenden Reigen an gegenseitigen Danksagungen und Lobpreisungen – gespickt mit so manch symbolischer Medaille und der gewohnt pathosgeschwängerten Rhetorik des Sparkassen-Präsidenten. Die Stiftung, die „wie ein Löwe um die Bank gekämpft hat“, Mitarbeiter, die sich für ihren Arbeitgeber wundgelaufen hätten, Verwaltungsräte, die mit 40 Monster-Sitzungen pro Jahr ein Vielfaches des gewöhnlichen Pensums geleistet hätten. Nicht zu vergessen Freund Reinhold Messner, der – ohne Entgelt – als Testimonial beim Gipfelsturm Kapitalerhöhung mitgeholfen habe, 2400 neue Aktionäre zu gewinnen. Viel Herzblut, viele graue Haare, viele schlaflose Nächte – fast hätte das Brandstätterische Epos überstrahlt, wie man eigentlich konkret aus der Misere gekommen ist.

Oder besser aus der tiefen Misere. Denn ganz im Trockenen sind die Tücher für die von Expansionsgelüsten geläuterten Regionalbank immer noch nicht, räumte selbst Generaldirektor Nicola Calabrò ein. Die Margen sind aufgrund der Niedrig-Zinspolitik im Keller. Nun heißt es mit einem kleinen Spread 1200 Arbeitsplätze zu erhalten und gleichzeitig faule Kredite zu bedienen. Mit 854 Millionen Euro bezifferte der Generaldirektor die Summe der Problemkredite; nach ihrer Verdoppelung im Vorjahr habe man die Zahl aber nun stabil halten können und absolut unter Kontrolle, versicherte er. Vor allem, nachdem die Rückstellung für Kreditausfallrisiken von davor 343 auf 59 Millionen Euro zurückgingen. Einen Rückschlag stellt im laufenden Geschäftsjahr die neue Vorschrift dar, faule Kredite in Paketen zu verkaufen statt sie wie gehofft langsam abzuarbeiten. Sparen, sparen, sparen, wird deshalb auch nach der zuletzt erfolgten Senkung der Betriebskosten um fast 6 Millionen Euro das oberste Motto in der Sparkassenstraße bleiben. Mit Beispielen vom nationalen und internationalen Markt stimmte Gerhard Brandstätter das Aktionariat darauf ein, dass so manche Filiale geschlossen werden wird. Erfolgsprämien und sämtliche variable Entlohnungen für Führungskräfte sind weiterhin gestrichen.  Auch Sparkassen-Aktionäre gehen vorerst weiterhin mit leeren Händen nach Hause – allerdings stellte ihnen Brandstätter für das kommende Jahr wieder eine Dividende in Aussicht.

Dennoch gab es nicht nur beim Ergebnis selbst Positives zu berichten. Besonders stolz war Generaldirektor Calabrò auf ein Plus von 4,4 % bei den Provisionserträgen – „das beste Ergebnis, das wir je hatten“. Service, Beratung, Nähe zum Kunden – das ist eines der Rezepte, auf die im neuen Strategiepapier gesetzt wird.  Dank der Umschichtungen im Kreditbereich in Richtung Eigenheim und Privatkunden konnte bei den Darlehen ein Zuwachs von über 28 % auf 275 Millionen Euro verzeichnet werden. „Wenn wir die vergangenen zwei Jahre Revue passieren lassen, standen wir vor einem Jahr noch bei einer Halbzeit von 3:0“, bemühte Vize-Präsident Carlo Costa die Welt des Fußballs. „Doch während so manch andere Bank mittlerweile unter kommissarischer Verwaltung steht oder von der Konkurrenz geschluckt wurde, haben wir Schritt für Schritt wieder alle Tore aufgeholt.“ Ausschlaggebend dafür sei auch der Trainerwechsel gewesen, streute Costa Generaldirektor Nicola Calabrò Lorbeeeren. Selbst  die Überwachung durch die Börsenaufsichtsbehörde Consob und die Banca d’Italia sei letztendlich hilfreich gewesen, meinte er.

Kein Verwaltungsratssitz für Kleinaktionäre

Ende gut – alles gut: Das war der allgemeine Tenor der Sparkassen-Führung, die am Donnerstag Abend fast vollständig bestätigt wurde. Im neunköpfigen Verwaltungsrat wurden Katrin Rieper und Stephan Jäger auf eigenen Wunsch ausgetauscht. An ihre Stelle treten nun der Pusterer Christoph Rainer und der Veroneser Anwalt Aldo Bulgarelli. „Während es früher eine Ehre war, im Verwaltungsrat einer Bank zu sitzen, bringt es heute ungleich mehr Verantwortung, Risiko und Last mit sich“, zeigte sich der wiederbestätigte Bankpräsident Brandstätter voller Verständnis. Noch deutlicher wird das Problem aus Sicht des Verbundes der Kleinaktionäre, der nach dem Ausscheiden von  Vertreter Stephan Jäger nun nicht mehr im Verwaltungsrat vertreten ist. Für den Aufsichtsrat wurden Martha Florian von Call als Präsidentin sowie Massimo Biasin als Aufsichtsratsmitglied bestätigt. Ausgeschieden ist dort Walter Schweigkofler; er wurde durch Ugo Endrizzi ersetzt. Ersatzaufsichtsräte bleiben Armin Knollseisen und Carlo Palazzi.

„Gäbe es in Südtirol einen Duden, das Synonym für Interessenkonflikt hieße Brandstätter.“: Kritischer Jung-Aktionär Lorenz Mayr. 

Einen erfrischenden Kontrapunkt zum allgemeinen Lobgesang bildeten die Wortmeldungen der Aktionäre. Lega-Mann Kurt Pancheri beklagte nicht nur den Wertverfall seiner Aktien um ein Drittel und den immer noch zu großen Einfluss der Politik auf die Sparkasse, sondern sorgte auch mit dem Sager für Amüsement, dass so manch einer seiner Mitaktionäre zu viel „Vaselin“ bei seinen Wortmeldungen gebrauche. Heftig kritisiert wurden von den Aktionären unter anderem die Filialschließungen. Stärkste Resonanz – allen voran beim Sparkassen-Präsidenten – hatte allerdings der Auftritt des jungen SVP-lers Lorenz Mayr. Der Volkswirtschaftsstudent kritisierte offen die teilweise mangelnde Professionalität und Kompetenz in den Sparkasse-Führungsgremien und machte sich – wie auch der Verbund der Kleinaktionäre – für eine professionelle Führungscrew im Rahmen einer dualistischen Führung stark. „Wir brauchen keine Tausendsassas, sondern hauptberufliche Profis“, sagte er. Dass die Führungsspitze der Sparkasse aus dem langjährigen SVP-Wirtschaftsexponenten Brandstätter und dem PD-Mann Costa bestehe, sei der beste Beweis, dass sich die Bank immer noch viel zu nahe im Dunstkreis der Politik bewege, meinte Mayr. „Gäbe es in Südtirol einen Duden, das Synonym für Interessenkonflikt hieße Brandstätter.“

Ein Angriff, der den Sparkasse-Präsidenten schließlich zum emotionalsten Plädoyer des Abends führte. „Ich habe mir diesen Job nicht gesucht, er ist mir angetragen worden und sicher kein Spaziergang“, polterte er. Er habe sein politisches Engagement auch wegen der Sparkasse und der „vielen jungen Leute in meiner Kanzlei“ immer nur ehrenamtlich ausgeführt und nie ein Mandat angenommen – „sonst säße ich jetzt nicht hier“.  

Volle Rückendeckung bekam der Sparkassen-Präsident von seinem Hauptaktionär. "Kritisieren ist sehr leicht, deshalb wird offenbar immer über die Sparkasse geschimpft", meinte der scheidende Stiftungs-Präsident Charly Pichler. Er dagegen verlieh Gerhard Brandstätter eine verbale Medaille: "Präsident mach weiter so, dann geht es uns wieder gut in Südtirol. Denn ohne Sparkasse hätten wir ein ganz großes Problem." 

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Sebastian Felderer Fr., 01.04.2016 - 10:22

Ein ausführlicher Bericht über die ordentliche Generalversammlung der Sparkasse, der das Stimmungsbild im Auditorium spürbar wiedergibt. Ein Kompliment an Lorenz Mayr für seine treffende Kritik und den Vorschlag für die dualistische Führung.

Fr., 01.04.2016 - 10:22 Permalink