Politik | Bozen 2016

Deutscher Bürgermeister ein Nebeneffekt

„Wir machen uns auf“: In der Bozner SVP wird die Wende zum sprachgruppenübergreifenden Wahlkampf immer deutlicher.

Wahlkampfaftakt an der Talfer, wo „Menschen sich begegnen“: Die Bozner Volkspartei gibt sich aufgeschlossen, sucht den Dialog „mit der ganzen Stadt“. Das wird vor allem an einem deutlich: die ersten Worte von Bürgermeister-Kandidat Christoph Baur an die Medien richten sich auf Italienisch an die „amici della stampa“. Überhaupt fühlt man sich angesicht dieser zweisprachigen Pressekonferentz in die Ära des früheren SVP-Obmanns Elmar Pichler-Rolle zurückversetzt, der bei der Gemeinderatswahl 2005 die Newcomerin Elena Artioli ins Rennen schickte. Die Öffnung der Bozner Volkspartei hin zur italienischen Wählerschaft ging damals ziemlich in die Hosen. Der Verwaltungsrechtler Baur, der mit seiner Kandidatenmannschaft vor dem Museion aufmarschiert ist, strahlt heute (14. April) hingegen die gewohnte Zuversicht aus: „Bozen zur Landeshauptstadt zu erwecken und regierbar zu machen: das ist unser Projekt.“

Aprirsi per ripartire

„Wir machen uns auf“ ist der Slogan, den die SVP für diesen Wahlkampf gewählt hat und der auf zweifache Art und Weise zu verstehen ist: „Wir wollen uns nicht verschließen, und wir wollen einen neuen Weg einschlagen“, erklärt der Bürgermeister-Kandidat und liefert gleich die Übersetzung mit: „aprirsi per ripartire“. Baur wendet sich an die Stadt als Ganzes, über die sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg, will einen „neuen Dialog“: Bozen müsse endlich „sein ganzes Potential entwickeln“. Das die Landeshauptstadt im Falle eines Wahlsiegs der SVP einen deutschen Bürgermeister hätte, wäre „nur ein Nebeneffekt“ des Projekts, das ihm vorschwebt, erklärt Baur leichthin, so als bekäme man Derartiges aus dem Munde eines SVP-Kandidaten tagtäglich zu hören.

"Wenn wir Bürgermeister werden wollen..."

Seit Baur, bisher parteipolitisch ein unbeschriebenes Blatt, in der SVP-Zentrale ein und aus geht, gibt es noch weitere Signale einer Öffnung hin zum italienischen Bozen. Dass die Volkspartei neuerdings auch italienische Pressemitteilungen (zuletzt zum Streit um die Gebühren der Kinderkrippen) an die Redaktionen verschickt, „heißt natürlich etwas“, bestätigt er. „Wenn wir Bürgermeister werden wollen, müssen wir uns auf Italienisch an die Stadt wenden.“ Das Interesse der italienischen Medien an seinem Projekt wachse deutlich, während es die deutschen Medien gar nicht verstünden. „Auf deutscher Seite wird die Problematik noch gar nicht wahrgenommen“, sagt Baur im Ton des Bedauerns.

Entkrampfung und Aufbruch

„Die SVP wendet sich in diesem Wahlkampf ganz klar an die ganze Stadt“, sagt auch Landeshauptmann Arno Kompatscher, der bei der Kandidaten-Vorstellung Schützenhilfe leistet. Die 27 Frauen und Männer auf der SVP-Liste seien „Ausdruck der Stadt Bozen, und zwar nicht nur des deutschen Teils“, betont er und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass der neue Bozner Gemeinderat wieder mehr wird als nur ein „Debattierclub“. Von „Entkrampfung“ und „Aufbruch“ spricht der Bozner SVP-Chef Dieter Steger. Die Kandidaten kämen aus allen Altersgruppe, allen Stadtvierteln, allen Berufen. „Sie sind überall in Bozen beheimatet und kennen diese Stadt wie ihre Westentasche“, verkündet er. Nicht ganz so erneuerungsfreudig gibt sich heute ausgerechnet der junge SVP-Obmann Philipp Achammer: „Die SVP steht für Kompetenz, Sicherheit und Stabilität“, erklärt er. „Bozen braucht jetzt keine Experimente. Bei der Volkspartei weiß man, wohin die Reise geht.“