Politik | Eine Analyse

Was sagt uns der regionale Vergleich?

Überlegungen zum Strategischen Entwicklungskonzept mit Business Plan des Flughafen Bozen.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Im Flugzeug auf dem Weg von Wien nach London habe ich soeben meinen Wahlzettel für das Referendum rund um den Bozner Flughafen ausgefüllt. Ich habe lange überlegt, wo ich mein Kreuz hinsetzen soll und habe beschlossen, einige ökonomische Überlegungen zu teilen, die ich in den vergangenen Wochen zum Thema angestellt habe und die für meine Wahl entscheidend waren. In diesem Beitrag verzichte ich bewusst auf etwaige ökologische Überlegungen (Lärm, CO2-Emissionen etc.), die ich als wichtig erachte und die sehr wohl in meine persönliche Wahl eingeflossen sind.

Die Südtiroler Landesregierung unter Arno Kompatscher und der Verwaltungsrat des Bozner Flughafens haben mit der Veröffentlichung des Strategischen Entwicklungskonzeptes mit Business Plan Transparenz und Fakten in die emotional dominierte Debatte rund um den Bozner Flughafen gebracht. Dafür gebührt Respekt!


Profitabilität von Regionalflughäfen – Eine Vergleichsanalyse von 17 europäischen Regionalflughäfen (definiert als Flughäfen mit einem Passagieraufkommen bis zu 1.700.000) in Österreich, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Großbritannien auf der Grundlage von Handelskammer- und Firmenbuchauszügen, einer Internetrecherche und Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg kommt zum Schluss, dass in den Jahren 2011 bis 2014 acht durchwegs Gewinne einfuhren (wobei drei Flughäfen eine knappe 0 erwirtschaftet haben) und neun Verluste erzielten.

Interessant an dieser Analyse ist, dass es sehr starke nationale Unterschiede gibt. Während sämtliche österreichischen (Innsbruck, Salzburg, Linz, Graz) Regionalflughäfen hochprofitabel sind, dümpelt nur der Flughafen Klagenfurt mit ungewisser Perspektive vor sich hin. Ähnlich positiv sieht das Bild in Frankreich (Grenoble, Montpellier, Straßburg) aus. Der Flughafen Bern schaffte jeweils eine knappe 0. In Deutschland (Friedrichshafen, Baden, Münster, Dresden, Paderborn) und Großbritannien (Cardiff, Glasgow und Norwich) sieht das Bild ziemlich düster aus. Keiner dieser Flughäfen war in den vier betrachteten Jahren nur annähernd positiv. Allerdings bleibt unklar, welche öffentlichen Fördergelder in diesen Zahlen enthalten sind.

Zwei Fragen drängen sich auf: Warum gibt es diese Unterschiede? Was haben diese Analysen mit dem Flughafen Bozen zu tun?

Beschränken wir unsere Analyse auf Österreich, Deutschland und die Schweiz. Sämtliche betrachteten regionalen Flughäfen in Österreich (mit Ausnahme Klagenfurt) und der Schweiz (Bern) verfügen über einen beachtlichen Linienflugplan und bedienen als Zubringer mehrere Drehkreuze (Hubs) in Europa. Außerdem bieten diese Flughäfen einen umfangreichen Charterflugplan an, sowohl für das Segment Incoming als auch Outgoing. Ohne den Flughafen Klagenfurt (rd. 285.000 Passagiere) zu berücksichtigen, liegen die Passagierzahlen zwischen 600.000 und 1.700.000. Der Flughafen Bern verfügt über rd. 200.000 Passagiere und wird trotzdem positiv betrieben, auch wenn unklar ist, ob öffentliche Subventionen fließen.

Die analysierten deutschen Regionalflughäfen kämpfen trotz ähnlicher Passagierzahlen wie in Österreich (600.000 bis 1.800.000) ums Überleben und hängen am öffentlichen Fördertopf. Eine Studie der Deutschen Bank vom Juli 2015 („Germany’s regional airports under political and economic pressure“) bietet hier interessante Erkenntnisse zur Lage deutscher Regionalflughäfen:

  1. Der positive wirtschaftliche Betrieb von regionalen Flughäfen ist schwierig. Neben Investitionskosten wird auch der laufende Betrieb durch öffentliche Subventionen abgedeckt, da sich privates Kapital für Investments in regionale Flughäfen nur schwer mobilisieren lässt.

  2. Das Passagiervolumen stagnierte an deutschen Regionalflughäfen im Zeitraum 2005-2014 (Wachstum von insgesamt 4%), während es einen klaren Trend hin zu großen Verkehrsflughäfen (Wachstum von rd. 25% im selben Zeitraum) gibt.

  3. Die Anzahl der Destinationen die von Regionalflughäfen angeflogen wird, ist überschaubar und steht in direkter Konkurrenz zu Großflughäfen und deren Angebot an Linienflügen.

  4. Die gegenseitige (ruinöse) Konkurrenz von Regionalflughäfen (z.B. Memmingen vs. Friedrichshafen).

  5. Die unmittelbare Nähe zu einem (Regional-)Flughafen zählt für Klein- und Mittelbetriebe nicht zu den entscheidenden Standortfaktoren.

  6. Die lokale Wertschöpfung regionaler Flughäfen ist gering.

Allerdings verfügen deutsche Regionalflughäfen im Vergleich zu den österreichischen Pendants über einen geringen Incoming Charterverkehr, der in Österreich neben einer erhöhten regionalen Wertschöpfung (im Gegensatz zu Outgoing Charter) wesentlich zur Profitabilität der Regionalflughäfen beiträgt.

Und was bedeutet das für den Flughafen Bozen?

Wie der Business Plan zeigt, ist ein positiver laufender Betrieb des Flughafens schwierig darstellbar. Im Basis Szenario wird von einem positiven Ergebnis in rd. 20 Jahren (2035) ausgegangen. Bis dahin fallen knapp EUR 60 Millionen an laufenden Verlusten an sowie ein Investitionsvolumen von rd. EUR 22 Millionen (ohne Berücksichtigung von Preissteigerungen). Für den Zeitraum 2016-2020 (fünf Jahre) ergibt sich ein Cashbedarf (Investitionen, Abdeckung Verluste laufender Betrieb) von mehr als EUR 30 Millionen, der bis 205 auf insgesamt rd. EUR 50 Millionen ansteigt. In einem pessimistischeren Szenario ergibt sich ein Cashbedarf, der wahrscheinlich signifikant über diesen Beträgen liegen wird.

Wesentlicher Erlösbringer für den Flughafen Bozen ist der Linienflugbetrieb, der Zubringer und Code-Share Flüge sowie regionale Zubringer umfasst. Die Anzahl der Destinationen wird laut Basisszenario überschaubar bleiben (beispielhaft werden kurzfristig Rom und Wien angeführt, die ab 2022 durch Amsterdam und London ergänzt werden sollen). Zusätzlich wird dieses Angebot in direkter Konkurrenz zu Flughäfen stehen, die in einem Umkreis von 1-3 Stunden liegen (z.B. Innsbruck, Verona, Bergamo sowie München und Mailand) und über ein signifikant breiteres Angebot an Linienflügen verfügen.

Zusätzlich ist fraglich – in Zeiten eines intensiven Wettbewerbs auf europäischen Zubringerstrecken –, ob die angebotenen Ticketpreise für Linienflüge aus Bozen eine entsprechende Nachfrage finden werden und insgesamt für die (wahrscheinlich überschaubare Anzahl an) Fluglinien zu einem profitablen Geschäft. Sollte dies nicht der Fall sein, dann werden Flüge von Bozen auch schnell wieder gestrichen werden. Der zunehmende Wettbewerb des europäischen Zubringermarktes zeigt in den letzten Jahren deutlich, dass der Kostendruck für (regionale) Fluggesellschaften signifikant gestiegen ist und große Fluglinien davon nicht verschont bleiben. (Die Lufhansa-Group hat mittlerweile große Teile ihres regionalen Flugangebots auf Inhouse Low-Cost Carrier wie Eurowings/Germanwings umgestellt.) Entsprechend wird die Profitabilität von einzelnen Flugstrecken auch vom Flughafen Bozen genau analysiert werden.

Wird die Entwicklung des historischen Passagiervolumens deutscher Regionalflughäfen als Maßstab herangezogen, erscheint es fraglich, ob sich der Flughafen Bozen einem solchen Trend entziehen kann (auch wenn das niedere Niveau der aktuellen Passagierzahlen zu berücksichtigen ist) und ein Wachstum der Linienpassagiere von 97.000 in 2017 auf 360.000 im Jahr 2035 erreicht werden kann.

Da die unternehmerische Struktur Südtirols von Klein- und Mittelbetrieben dominiert wird, erscheint der Ansatz der deutschen Bank plausibel, dass der Flughafen Bozen für die Standortfrage von Unternehmen nicht der bestimmende Faktor ist. Ich glaube, dass für Geschäftsreisende der Flughafen Innsbruck und Verona durchaus eine ausreichende Alternative darstellt.


Incoming Charter - Der Bozner Flughafen verfügt über ein beachtliches touristisches Potenzial, vorausgesetzt, dass an ein umfassendes Marketingkonzept  mit der Bearbeitung der anvisierten Zielmärkte, dem Anbieten von integrierten Paketen (Flug, Unterkunft etc.) umgesetzt wird. Trotzdem bin ich skeptisch, ob diese Investition in den Flughafen ein MUSS ist.

Im Business Plan wird für 2017 von 13.000 einfliegenden Touristen ausgegangen, die auf rd. 78.000 Passagiere im Jahr 2035 ansteigen sollen. Dieser Werte erscheint plausibel. Trotzdem stellt sich die Frage, ob dieser relativ geringe Anteil an Touristen wegfällt, wenn er nicht über den Flughafen Bozen einfliegen kann, oder einfach wie bisher mit dem Flugzeug einen der umliegenden Flughäfen anfliegt. Die damit einhergehende mögliche Wertschöpfung erscheint relativ gering, wenn berücksichtigt wird, dass insgesamt knapp 6.000.000 Touristen jährlich nach Südtirol reisen.


Outgoing Charter – Der Business Plan sieht eine Steigerung von rd. 10.000 Passagieren 2015 auf knapp 92.000 im Jahr 2035 vor. Dem Komfort, von Bozen aus in den Urlaub zu fliegen, steht der Abfluss von Wertschöpfung aus Südtirol und ein umfangreiches Konkurrenzangebot (Innsbruck, Verona, Bergamo, Mailand, München) gegenüber. Können für Flüge von Bozen aus Tickets angeboten werden, die dem Konkurrenzangebot standhalten? Wie die jüngere Vergangenheit von Outgoing Chartern vom Flughafen Bozen zeigt, scheint dies möglich. Entsprechend kann der Schluss gezogen werden, dass dieses Angebot angenommen wird.


Zusammenfassend erscheinen die Risiken einer Investition in den Ausbau und laufenden Betrieb des Flughafens Bozen von rd. EUR 60 Millionen hoch. Einem bescheidenen Angebot an Linienflügen stehen in unmittelbarer Umgebung konkurrierende Flughäfen mit einem umfassenden Angebot gegenüber. Der umfangreiche Wettbewerbs- und Kostendruck der Airlines führt zu einer laufenden Analyse profitabler Strecken. Ticketpreise und Nachfrage spielen eine entscheidende Rolle für das Erreichen der anvisierten Linienpassagierzahlen. Im Lichte der jüngeren Entwicklung der Passagierzahlen deutscher Regionalflughäfen erscheinen diese ambitioniert, auch wenn sie von einem niedrigen Niveau in Bozen ausgehen. Das touristische Potenzial ist sowohl im Incoming als auch im Outgoing Charterverkehr vorhanden, allerdings stellt sich insbesondere im Incoming-Geschäft die Frage, ob die anvisierten Passagierzahlen einen wesentlichen Beitrag für den Tourismusstandort Südtirol ausmachen. Der Flughafen Bozen als zentraler Standortfaktor für Südtiroler Unternehmen erscheint vernachlässigbar.

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Andre Ebner Di., 07.06.2016 - 09:21

Hallo Christof,
interessanter Beitrag, danke! Stimme mit dir überein. Da haben wir ja fast zeitgleich einen Artikel zum selben Thema hier veröffentlicht :)
Viele Grüße

Di., 07.06.2016 - 09:21 Permalink
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Karina Binder Di., 07.06.2016 - 10:58

Interessante, sorgfältige Analyse!

Daraus wird auch deutlich: Es gibt wie bei allen Entscheidungen in einem komplexen Umfeld keine Sicherheit für den Erfolg.
Bei all dem "erscheint", "könnte", "fraglich", "möglicherweise" ist es immer die letzte Frage, welche Brille man dabei auf hat: Geben wir dem Flugplatz für 5 Jahre eine Chance!

Di., 07.06.2016 - 10:58 Permalink
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schlommo w Di., 07.06.2016 - 12:52

Antwort auf von Karina Binder

genau! im Grunde läuft die Frage darauf hinaus: soll das Land mit Steuergeldern dieses Risiko abdecken, oder wäre das nicht ein Fall für einen privaten Investor?
Meiner Meinung nach ist das öffentliche Interesse, das durch den Flughafen befriedigt werden soll, nicht ausreichend um diese Investition von Steuergeldern bei dieser Risikolage zu rechtfertigen. Wer profitiert? V.a. Hoteliers und Touristiker, mancher Politiker oder Unternehmer wahrsch. auch. Sollten dann nicht diese auch die Investition und das entsprechende Risiko tragen?

Di., 07.06.2016 - 12:52 Permalink
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Werner Alessandri Di., 07.06.2016 - 11:20

Die öffentliche Hand hat alle Chancen bisher nicht genützt und schon viel zu viel Geld in den Sand (bzw. den Asphalt) gesetzt. Ziehen wir einen Schlussstrich!
Geben wir stattdessen doch einem Privaten die Chance zu beweisen, dass er es besser macht. Falls er bereit ist, die Risiken all der "erscheint", "könnte", "fraglich", "möglicherweise" auf sich zu nehmen und sein erwirtschaftetes Geld einzusetzen, sei ihm ein eventueller Gewinn von Herzen gegönnt!

Di., 07.06.2016 - 11:20 Permalink
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Thomas Benedikter Do., 09.06.2016 - 18:08

Eine Reihe wichtiger Klärungen, vielen Dank für die Recherche. Eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse hätte so vorgehen müssen. Man käme dann zum Fazit: nachdem der ökonomische Nutzen höchst unsicher und fragwürdig ist, der ökologische Schaden (Beeinträchtigung der Lebensqualität, Klima usw.) hoch und die gesellschaftspolitische Signalwirkung falsch (öffentliche Anreize für mehr Flugverkehr), ist die Gesamtbilanz klar negativ.

Do., 09.06.2016 - 18:08 Permalink