Politik | Kommentar

Reiner Tisch

Muss die Freude über den hart erkämpften Sieg bei der Volksbefragung zur Flughafen in Spott und Hohn gegen den umschlagen, der sie ermöglicht hat?

Sieger sollen triumphieren können. Das ist ihr gutes Recht, das gehört zum Match dazu, im Sport wie in der Politik. Die Kampagne im Vorfeld der Volksbefragung zum Flughafen war aufwändig und anstrengend genug. Aber muss die Freude über den hart erkämpften Sieg in Spott und Hohn gegen den umschlagen, der das Match ausgerichtet hat?

Ein Dauerthema der Südtiroler Politik wurde zum Gegenstand einer Volksbefragung gemacht, weil man mit jahrelangen Finanzspritzen für einen Flughafen Schluss machen wollte, der sich mehr oder weniger konzeptlos von einem Defizit zum nächsten schleppte, dem eine Fluglinie nach der anderen den Rücken kehrte. Arno Kompatscher hat ein Zukunftskonzept für den Flughafen vorgelegt, an das er aufrichtig glaubte, und hat sich dafür eingesetzt, dass die Bevölkerung gefragt wird, ob sie ebenfalls daran glaubt. Zusätzlich erklärte er das Ergebnis für moralisch bindend, unabhängig vom Quorum – der Traum vieler Verfechter der direkten Demokratie.

Soweit sich dies vorhersagen und auch vermitteln lässt, war allen ziemlich klar, wie die Geschichte weiter geht, wenn das Nein gewinnt, und was hingegen geschieht, wenn die Ja-Stimmen überwiegen. Das Land hat die versprochene Pro-und-Contra-Broschüre an die Haushalte verteilt, Gegner wie Befürworter des Flughafens hatten Monate Zeit, ihre Argumente auf den Tisch zu legen. Und sie haben es intensivst getan – mit Flugblättern, Podiumsdiskussionen, Interviews, öffentlichen Erklärungen und Kundgebungen.

Es gab für das Ja und für das Nein durchaus nachvollziehbare Gründe. Die Aussage des Grünen Riccardo Dello Sbarba bei einer Podiumsdiskussion in Bozen, er stimme zu 98 Prozent mit Arno Kompatscher überein, ist Ausdruck dieser argumentativen Patt-Situation. Ganz gleich, ob der Bauch oder der Kopf schließlich des Ausschlag gegeben hat - nun ist die Schlacht geschlagen, und das Ergebnis ist insofern für alle erfreulich, als es eindeutig und zudem von der durchaus passablen Wahlbeteiligung legitimiert ist.

Was manche Flughafen-Gegner Arno Kompatscher u. a. vorwerfen, ist sein persönliches Eintreten für das Ja. Dazu war er als Einbringer rein vom Gesetz her berechtigt. Es stellt sich die Frage, ob sein unermüdliches Engagement für das Flughafen-Konzept auch unter dem Gesichtspunkt der politischen Ethik vertretbar war. Dass der Einbringer einer Volksbefragung gleichzeitig der Landeshauptmann ist, war sicherlich eine demokratiepolitisch nicht ganz alltägliche Ausgangslage. Zuweilen hatte man zwar das Gefühl, hier ist einer am Werk, der den Rechnungshof im Nacken hat – eine nachvollziehbare, wenngleich nicht besonders heldenhaft anmutende Motivation -, doch es lässt sich wohl behaupten, dass er aus innerer Überzeugung für das Ja eintrat. Kann man einen Politiker allen Ernstes dafür kritisieren, dass er klar und deutlich ausspricht, wovon er überzeugt ist, und das tut, was er für seine Pflicht als Verwalter öffentlichen Vermögens hält? Ob es in Ordnung war, dass ein politisches Schwergewicht wie Kompatscher gegen Vereine und Bürgerinitiativen in den Ring steigt, ist schwieriger zu beantworten. Immerhin aber wurden die Podiumsdiskussionen nach demokratischen Spielregeln geführt, und ohne jeden Zweifel hat sich Kompatscher dabei nicht gescheut, auch da aufzutreten, wo ihm der Unmut des Publikums gewiss war. Im Unterland und im Überetsch, wo das Nein zum Flughafen am entschiedensten war, hat er wohl kaum den Landeshauptmann-Bonus einlösen können.

Nun ist der Zankapfel vom Tisch. Die Abstimmung hat klare Verhältnisse geschaffen und unmissverständliche Vorgaben für politisches Handeln geliefert. Muss man jetzt mit Kriegsrhetorik und Stammtisch-Phrasen über die Flughafen-Befürworter und insbesondere über Arno Kompatscher herfallen, dem wir diese Volksbefragung (auch) verdanken? Triumphierend von „Watschen“ sprechen (ein viel verwendetes Wort in Südtirol, das mittlerweile jede Schlagkraft verloren hat), von einer vernichtenden Niederlage für die „anmaßende“ Landesregierung, die diese Volksbefragung schließlich durchgezogen hat? Was die ominöse Wirtschaftslobby getrieben hat, was Branchenverbände an ihren Mitgliedern versucht oder nicht versucht haben, was das eine oder andere Pro-Flughafen-Komitee an nicht ganz schlüssig erscheinenden Festen inszeniert hat, ändert nichts an der Tatsache, dass diese Volksbefragung nach klaren Spielregeln durchgezogen und die Konsequenzen ihres Ausgangs transparent vermittelt wurden. Sind bei einer Volksbefragung wirtschaftliche Interessen im Spiel, kann keiner erwarten, dass die entsprechenden Lobbys still halten – sei es in Südtirol oder anderswo.

Der Landeshauptmann will zu seinem Wort stehen und dafür sorgen, dass sich das Land vom Flughafen zurückzieht. Natürlich hat jeder das Recht, ihm das nicht zu glauben. Warten wir ab, was passiert.  

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Alexander Schiebel Mo., 13.06.2016 - 19:44

Mir kommt vor, dass die Befürworter hin und wieder auch rhetorisch ganz schon auf den Putz gehaut haben. Häufig ziemlich von oben herab. Zumindest einige. Und wenn schon, dann selbstverständlich formatfüllend im Tagblatt der Südtiroler. (Das übrigens Presseaussendungen der Flughafengegner auf die Leserbriefseiten verwies.)
Ich glaube, dass ganz viele Menschen von dieser feudalherrschaftlichen Arroganz die Nase voll haben.
In vielen Fällen ist es daher weder Häme noch Schadenfreude, was jetzt zum Ausdruck gebracht wird, sondern einfach nur Freude darüber, dass die Zeiten dieser machtbewussten Selbstherrlichkeit endlich vorbei sind.

Mo., 13.06.2016 - 19:44 Permalink
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Martin Daniel Mo., 13.06.2016 - 20:46

Also, die Werbemittel waren nun doch alles andere als gleich verteilt. Selbst organisierte freiwillige Gruppen und Vereine, die lediglich ihre Energie und Zeit geben konnten, standen einer professionellen und finanzkräftigen Propagandamaschinerie entgegen, die werbemäßig nahezu alle Medien monopolisierte. Und die "Umdrehung" von Niki Lauda, medienwirksam von den Befürwortern in Szene gesetzt, bildete den schwergewichtigen Schlusspunkt einer Kampagne, die mit völlig ungleichen Waffen geschlagen wurde. Das gibt zu denken für die Zukunft der direkten Demokratie.

Mo., 13.06.2016 - 20:46 Permalink
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Sylvia Rier Mo., 13.06.2016 - 21:25

Von "Hohn und Spott" habe ich zwar nichts mitbekommen, Tatsache ist aber: (Auch, oder gerade) Der Herr LH hat verloren, weil er sich so sehr (in meinen Augen, für einen Landeshauptmann: unverschämt) heftig nach einer Seite bzw. zum Fenster hinaus gelehnt hat (womit, wo und falls gegeben, Hohn und Spott gerechtfertigt wären). Ja, auch ein Landeshauptmann darf eine Meinung haben, zu einer Sache, und sie verteidigen - er sollte damit aber vorsichtig sein, wenn/wo seine Meinung nicht nur die seine, sondern just und gerade jene der Über-Macht ist, und die (schwächere) "Minderheit" den Schaden hat. Dass der LH sich so weit auf die eine Seite zerren ließ, zeigt wohl die Richtung, in der das Pendel ausschlägt, und ist jedenfalls ein gröberer Riss, meine ich, im Jackett des Herrn LH. Schade. PS. Dass er das Referendum überhaupt erst ermöglicht hat, wie jetzt vielfach angeführt wird, zur Verteidigung des Herrn LH, hat m. E. nichts zu sagen: Es sieht doch sehr danach aus, dass er es im ziemlich sicheren Bewusstseins des Sieges "seiner" Seite "genehmigt" hat. Ob ich irre, wird sich wohl daran zeigen, wie er diese "Niederlage" ein- und wegsteckt.

Mo., 13.06.2016 - 21:25 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 13.06.2016 - 22:45

"....Volksbefragung zur Flughafen...." - molto italiano!?
Nicht nur der Landeshauptmann war so extrem einseitig, sondern die gesamte Landesregierung! Nicht einmal der Umwelt-Landesrat sah ein Problem im Ausbau des Flugplatzes. Am meisten enttäuscht bin ich aber von der Gesundheits-Landesrätin als Zuständige für die Umweltmedizin; sie und ihre Mitarbeiter verweigerten sich einfach. Wem interessiert schon die Gesundheit von Anrainer die mit Fluglärm und Abgasen noch mehr belasteten werden sollten?!
Von "Hohn und Spott" habe ich auch nichts mitbekommen. Weiß nicht auf was sich KdG bezieht? Ihren Kommentar finde ich folgerichtig im Trend, den man bei salto.bz feststellen kann, seit dem das Portal mit der Werbung der Befürworter gutes Geld verdient hat.

Mo., 13.06.2016 - 22:45 Permalink
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Martin Federspieler Di., 14.06.2016 - 00:46

Liebe Direkt-Demokraten. Wo soll das hinführen?
Bei den politischen Wahlen erhalten jene die Mehrheit, denen die notwendige Kompetenz und die richtigen Zielsetzungen zugetraut werden.
Bei den Volksabstimmungen hingegen trumpfen jene groß auf, welche bei den Wahlen recht bescheiden abschneiden. Wohl weil es immer einfacher ist, die "Gegner" zur Urne zu bewegen, als jene wie unsereinen, welche die gewählten Politiker ihre Konzepte umsetzen lassen würden, mit denen sie zur Wahl angetreten sind.
Nach fünf Jahren hätte man ja dann die Möglichkeit zur Beurteilung, inwieweit das Versprochene gehalten wurde, und entsprechend zu wählen.
Diese Geduld wird heutzutage aber nicht mehr aufgebracht. Es ist Mode geworden, nach jeder schief gegangenen Gemeindewahl den Rücktritt der gesamten Staatsregierung zu verlangen.
Dieses Sammelsurium zwischen politischen Wahlen und direktdemokratischer Abstimmungen über jedes mittlere Vorhaben der gewählten Regierungen (denn so groß wäre der Flugplatz wohl auch nach dem Ausbau nicht geworden) kann nicht funktionieren.
Ich denke, spätestens nach der Ablehnung des zweiten oder dritten Projekts, mit welchem ein ernsthafter und ambitionierter Politiker zur Wahl antritt, wird er von alleine das Handtuch werfen. Oder - im schlimmeren Fall - völlig demotiviert weiter werkeln.
Wie es nun wohl in Sachen Flughafen geschehen wird....

Di., 14.06.2016 - 00:46 Permalink
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konrad laimer Sa., 18.06.2016 - 12:00

Dank einer funktionierenden Demokratie kam durch den LH. Kompatscher diese Volksbefragung zustande.
Mit seinem persönlichen Einsatz als LH. für den Flughafen, hatte ich auch meine Schwierigkeiten, aber jetzt steht die Richtung ja fest 70/30 ist eine klarer Auftrag.
Es wurde so ziemlich alles gesagt was gesagt werden musste, bei Befürwortern und Gegnern.
Jetzt ist die Stunde 0 die Alternativen zum Flughafen Bozen beim Namen zu nennen und an ihrer Umsetzung zu Arbeiten.
Die Vorstellungen, Vorschläge und Meinungen der Südtirolerinnen sind nun Bekannt.
Wenn der Landeshauptmann samt Landesregierung vereint mit 70% im Rücken und mehr, genau so leidenschaftlich, an diesen alternativen Möglichkeiten arbeiten mache ich mir um die Erreichbarkeit Südtirols keine allzu großen Sogen.

Sa., 18.06.2016 - 12:00 Permalink
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Bernd Karner Sa., 18.06.2016 - 17:23

Ich teile ihre Meinung! Die neue Front die sich aufgetan hat ist nicht mehr die zwischen Flughafen-Befürwortern und Gegnern sondern die zwischen denjenigen die behaupten, dass es richtig war eine Volksbefragung durchzuführen und jenen die dies als einen gravierenden Fehler betrachten. Es geht hier um ein einunterschiedliches Verständnis von Demokratie. Hier ordnen sich die Spieler nun neu zu.

Sa., 18.06.2016 - 17:23 Permalink
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Gregor Beikircher Sa., 18.06.2016 - 18:09

Katia De Gennaro, warum schreiben Sie nur vom
Recht des Landeshauptmannes und nicht auch von jenem der Verbände, Bürgerinitiativen und der Bürger-innen. Ist dieses Recht etwa weniger wert als jenes eines zwar mächtigen Mannes, der hierin in dieser Sache aber doch nur die Wirtschaft vertreten hat und dies zudem nur in Teilen; denn nicht einmal die Wirtschaft und seine Parteikollegen sind gänzlich hinter diesem Projekt "Flughafen" gestanden. Und die Volksbefragung hat er auch nur unter dem Zugzwang durchgeführt, mit dem Vorwurf sich nicht an sein Wahlversprechen zu halten und nachdem er den "Goldenen Lugnbeitl" erhalten hat. Man muss hier schon alle Fakten ansprechen, aber daraus resultiert oder folgt nicht, dass ein Wahlsieg in "Hohn und Spott" über ihn umschlagen muss. Und das ist er auch nicht, außer bei einigen wenigen, die ohnehin nicht für das "Nein" relevant waren. Diese Wenigen können sie ruhig tadeln, aber bitte nicht generalisierend auf alle verteilen.

Sa., 18.06.2016 - 18:09 Permalink