Politik | Bozen

“Höchste Zeit”

Ausschankverbot ab 23 Uhr am Obstmarkt? Von Sebatian Seehauser kommt ein “klares NEIN” und die Aufforderung, endlich einen geeigneten Platz zum Feiern zu schaffen.

Es geht heiß her in der Bozner Altstadt. Nicht nur die schwül-warmen Temperaturen sorgen dieser Tage für eine aufgeheizte Stimmung, sondern auch ein altbekanntes Thema: der Bozner Obstmarkt. Seit Jahren beklagen sich die Anrainer des historischen Platzes im Herzen der Landeshauptstadt über nächtliche Ruhestörung durch Nachtschwärmer in Feierlaune und verschmutzte Straßen am Tag danach. Vor allem am Wochenende sei die Situation unzumutbar, so die Kritik des Komitees Lebenswerter Obstmarkt. Dieses setzt sich mit Nachdruck für mehr Nachtruhe ein. Ihre Leiden und Anliegen haben nun dazu geführt, dass seit 1. Juli ein Pilotprojekt gestartet wurde. Gemeinsam mit der Gemeindeverwaltung und einigen Lokalbesitzern am Obstmarkt haben sich die Anrainer vereinbart, dass an Freitagen und Samstagen jeweils von 22 bis 3 beziehungsweise 4 Uhr morgens ein Sicherheitsdienst direkt vor den Lokalen am Obstplatz postiert wird. Dieser soll das “nicht konforme Verhalten einiger Gäste” kontrollieren und für eine rasche Lärmberuhigung nach der Sperrstunde sorgen.

Doch gut zehn Tage nach Anlauf des Projekts zeigen sich die Anwohner weiter unzufrieden: Lokalbetreiber, die sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halten was den Ausschank und die Musiklautstärke angeht und eine Stadtpolizei, die “nur durchfährt” und nicht eingreift. So kann das nicht weitergehen, sagt man beim Komitee Lebenswerter Obstmarkt. Rechtliche Schritte gegen die nächtliche Ruhestörung stehen bereits im Raum. Und Unterstützung kommt von Armin Widmann. Als Präsident des Stadtviertelrates Zentrum – Bozner Boden – Rentsch fordert Widmann das Eingreifen vom zuständigen Stadtrat Angelo Gennaccaro. “Der Sicherheitsdienst löst das Problem nicht. Er beugt zwar Schlägereien und Randalierern vor, richtet aber nichts gegen die Lärmbelästigung aus”, schreibt der Stadtviertel-Präsident in einer Aussendung. Und: “Der Obstmarkt ist kein Ort zum Party machen.” Daher schlägt er die Rückbesinnung auf das Ausschankverbot von Alkohol im Freien nach 23 Uhr vor. Ein solches hatte Ex-Bürgermeister Luigi Spagnolli seinerzeit eingeführt.

Doch mit seinem Vorschlag stößt Widmann auf Widerstand. Es ist Sebastian Seehauser, seines Zeichens Fraktionssprecher der Bozner SVP im Gemeinderat, der sich am Dienstag Vormittag zu Wort meldet. Es sei zwar “richtig und wichtig, dass die Regeln von den Barbetreibern eingehalten werden, damit nach Sperrstunde die Nachtruhe für die Anrainer gewährleistet werden kann”, schreibt Seehauser auf Facebook. Doch: “Ein klares NEIN meinerseits zu restriktiven Maßnahmen, wie zum Beispiel Ausschankverbot um 23 Uhr.” Man dürfe das Bozner Stadtleben nicht abwürgen und verbieten, so der jüngste der SVP-Gemeinderäte. Vielmehr müssten Alternativen geschaffen werden, damit sich das nächtliche Stadtleben nicht auf den Obstplatz alleine konzentriere: “Höchste Zeit endlich einen Platz zu schaffen, wo Jugendliche feiern, Bands spielen und Bozner das Nachtleben genießen können, ohne Anrainern den Schlaf zu rauben.” Ein solcher Platz steht bekanntlich im Regierungsprogramm von Bürgermeister Renzo Caramaschi drin, an dem die SVP maßgeblich mitgearbeitet hat. In der alten Bahnhofsremise soll ein Jugend-Kultur-Zentrum entstehen. Bis dieser Platz allerdings tatsächlich zur Verfügung stehen wird, wird der (Generationen-)Zwist am Obstmarkt und voraussichtlich auch in der SVP weitergehen.

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Mensch Ärgerdi… Di., 12.07.2016 - 10:49

In der Industriezone stehen ja riesige leerstehende Hallen und Gelände, hat sich früher beim KuBo jemand aufgeregt? Nein. Wieso dann nicht endlich das Nachtleben der Jugendlichen verschieben?

Di., 12.07.2016 - 10:49 Permalink
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Lorenz Brugger Di., 12.07.2016 - 11:23

Ein dauerhaft nutzbarer Ort wäre notwendig und ist in Bozen sicherlich zu finden. So etwas belebt das Kulturleben maßgeblich.

Allerdings muss man bedenken, dass man damit definitiv nicht das Treiben am Obstmarkt komplett auflösen kann. Am Ende ist so etwas für eine Stadt mit 100.000 Einwohner auch nicht wünschenswert. Ein Ausschankverbot nützt am Ende nichts, vorgezogene Sperrzeiten bringen Barbetreiber finanziell in Schwierigkeiten.

Wenn man, so wie in Bozen einen Innenstadt hat, die noch bewohnt wird, und das ist gut so, dann muss man Kompromisse finden und alle müssen ein Stück weit bereit sein, selber Kompromisse einzugehen. Das bedeutet, weder die Wohnhaften noch die Feiergemeinde kann ihre Forderungen komplett durchsetzen. Eine nachts tote Innenstadt ist Gift für das Stadtleben, eine außer Rand und Band geratende Situation am Obstplatz aber genauso...

Eine sinnvolle Maßnahme, die auch in anderen Städten ganz gut funktioniert und alle Beteiligten berücksichtigt, ist die konsequente Schließung der Außenbewirtung ab einem bestimmten Zeitpunkt, in Deutschland ist das 23 Uhr. Die Barbetreiber sind dafür verantwortlich, dass ihr Außenbereich ab diesem Zeitpunkt geschlossen ist inklusive des Wegräumens der Bestuhlung. Die Gäste werden aufgefordert ihr Getränk in der Bar auszutrinken, der Ausschank nach draußen wird eingestellt. Die Bar muss weiters dafür sorgen, dass draußen Ruhe herrscht, die Polizei bzw. ein Sicherheitsdienst wie z.B. Türsteher oder ähnliches schauen drauf, dass es auch wirklich eingehalten wird.
Das ist ein System, dass wirklich funktioniert und von Gästen wie von Barbetreibern als auch von den Anwohnern akzeptiert werden kann. Die Bar behält ihre Gäste, die Nachtschwärmer können weiter feieren und die Anwohner haben ab einem bestimmten Zeitpunkt eine maßgebliche Beruhigung der Straße.

Dabei muss bedacht werden: es wird immer schwarze Schafe geben, Betrunkene oder Randalierer, die sich jedweder Regelung widersetzen. Auch das gehört zum Stadtleben dazu. Anfangs sollte die Polizei hier maßgeblich mitwirken und die Barbetreiber unterstützen, bis sich dieses System etabliert hat.

Di., 12.07.2016 - 11:23 Permalink