Politik | Interview

„Der Fisch stinkt nicht“

Der Leiter der Landesfischzucht Peter Gasser über den Saiblingskandal, die Reorganisation, den andauernden Zwist und die Frage, ob man dem Bock jetzt den Garten nimmt.

salto.bz: Herr Gasser, Sie behaupten es gibt keinen „Saibling-Skandal“. Sondern das Ganze ist nur eine Intrige gegen Ihre Person?
Peter Gasser: Bei den Seesaiblingen liegt ein wissenschaftliches Projekt vor, das im wissenschaftlichen Beirat des Versuchszentrum Laimburg genehmigt wurde. Dieses Projekt beinhaltet die Untersuchung von acht bis zehn Seen, in denen man die Chance sah noch ursprüngliche Seesaibling-Bestände zu finden. Bestände, die in den letzten zehn Jahren nicht durch Besatz beeinträchtigt wurden. Das Projekt geht über zehn Jahre, endet also 2021 und wird von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin betreut. Im Zuge dieses Projekt sind die Vereine an uns herangetreten mit einem klaren Wunsch. Die Vereine haben noch andere Seen, die sie bewirtschaften und wo in den letzten Jahren Regenbogenforellen, Bachforellen aber auch Bachsaiblinge und Kreuzungen von Seesaiblingen besetzt wurden. Ihr Anliegen: Ob man in diesen Seen nicht auch etwas machen könnte.

Sie sprechen deshalb von einem Projekt, das zweigleisig gelaufen ist?
Ja. Es wurden auf der einen Seite die wertvollen Seen genetisch untersucht und erhalten. Und auf der anderen Seite haben wir gleichzeitig aus unserem Produktionsbetrieb, Seesaiblinge für den Besatz dieser – weniger wertvollen Seen – zur Verfügung gestellt, unter der Voraussetzung, dass diese Bewirtschafter in den genetisch wichtigen Bergseen darauf verzichten, während der Untersuchungen nicht genetisch unbekannte Saiblinge einzusetzen. Wir sind also von Beginn an zwei Schienen gefahren.

Die Vereine sind jetzt aber entrüstet, weil man davon ausgegangen ist, dass alle Seesaiblinge autochthon in der Landesfischzucht gezüchtet wurden. Jetzt kommt aber heraus, dass Sie Saiblinge in Belluno zugekauft haben?
Die Verantwortlichen haben von Anfang an alles gewusst. Schauen Sie, wir arbeiten an den Seesaiblingen seit 2012/13. Wenn wir in diesen Jahren die ersten Seesaiblinge von den Bergseen herunterholen, mit einer Größenklasse von 9 bis 15 Zentimeter und im Jahr darauf Seesaiblinge mit einer Größe von über 30 Zentimeter besetzen, dann weiß jeder, dass das nicht die Nachkommen dieser Fische sein können. Das geht biologisch nicht. Wie bekannt, stammen die Seesaiblinge aus einer genehmigten Zusammenarbeit mit der Fischereibehörde in Belluno, wobei wir Seesaiblings-Brütlinge erhalten und versuchsweise in der Landesfischzucht aufgezogen haben.

„Die Verantwortlichen haben von Anfang an alles gewusst.“

Sie sagen alle wussten, dass diese Fische aus Belluno stammen?
Es war den Vereinen mit denen wir zusammengearbeitet haben klar dass die großen Besatzfische nicht die Nachkommen der autochthonen Fische sind. Das wurde von unserer Projektleiterin auch klar kommuniziert. In unseren zweimonatigen Besprechungen mit dem Amt für Jagd und Fischerei stand der Seesaibling mehrmals auf der Tagesordnung. Ich habe Ihnen gerade eben die unterschriebenen Protokolle gezeigt: Dort wurde über diese Dinge offen gesprochen.

Ist es nicht pervers, dass man Fische per Hubschrauber von den Bergseen holt, sie in der Landesfischzucht aufzüchtet und sie dann wieder auf den Berg zurückfliegt, damit sie dann herausgefischt werden können?
Ich denke, man muss das differenzierter sehen. Dort, wo wir mit dem Auto hinfahren können oder auch in einer Viertelstunde zu Fuß hinkommen, brauchte es keinen Hubschrauber. Aber wenn man Fische vom Berg herunter transportiert, muss man berücksichtigen, dass Fische in Behältern höchstens fünf Minuten überleben. Also müssen wir die Fische innerhalb von dieser Zeit entweder zu einem Auto tragen, in dem ein fischgerechter Transportbehälter mit Sauerstoff zur Verfügung steht. Oder wir müssen einen anderen Weg suchen. Wir haben hier versucht die Kosten zu begrenzen wo es nur geht. Wir können einfach nicht mit dem gesamten Equipment vier Stunden zu Fuß zu einem See hinaufgehen und dann die Fische heruntertragen. Bei 100 Fischen müssten wir dann eine Tonne Wasser mitschleppen. Man bringt lebende Fische von 2.500 Metern nur mit Hubschrauber herunter. Anders geht es nicht.

„Man bringt lebende Fische von 2.500 Metern nur mit Hubschrauber herunter. Anders geht es nicht.“

Kommen wir zur geplanten Reorganisation der Landesfischzucht. Diese wird jetzt dem Amt für Jagd und Fischerei und der Landesdomänenverwaltung zugeschlagen. Wenn man den Bock nicht aus dem Garten bekommt, nimmt man ihm einfach den Garten? Der Bock aber sind Sie?
Ich möchte mit einer Gegenfrage antworten. Geht es um die Marmorierte Forelle und den Seesaibling? Oder geht es um Peter Gasser? Wenn es um den Bock oder Südenbock geht, dann brechen wir das ab, denn das ist dann eine unmoralische, mittelalterliche Diskussion, fernab des verbindlichen Verhaltenskodex des Landes. Mein geltender Arbeitsvertrag ist an die „Führung der Landesfischzucht und der Versuchsanlage Fischerei“ gebunden, wir alle arbeiten im Team, jeder an seiner Stelle. Die Reorganisation der Landesfischzucht folgt der Logik der gesamten Reorganisation der Laimburg. Sie mag auch ihre Berechtigung haben. Ich bezweifle aber, dass es ausschlaggebend ist, welcher Struktur die Landesfischzucht zugeordnet wird. Eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Amt für Jagd und Fischerei Gebot der Stunde, eine „operative Führung“ durch das Amt für Jagd und Fischerei ist ja bereits vorgesehen.

„Geht es um die marmorierte Forelle und den Seesaibling? Oder geht es um Peter Gasser?“

Es gibt seit vielen Monaten einen offenen Streit zwischen Ihnen und vielen Akteuren in der Südtiroler Fischereiwelt. Glauben Sie, dass die schweren Differenzen noch beigelegt werden können?
Die Frage ist, ob diese scheinbaren Differenzen aufgrund eines möglichen Fehlverhaltens bzw. aufgrund fachlich mangelnder Qualifikation meinerseits da sind, oder ob sie ins Feld geführt werden, um personalpolitisch andere Konstellationen zu erzeugen? Es gibt keinen „Streit“ zwischen mir persönlich und einzelnen Akteuren, jedenfalls ist mir keiner bekannt. Ich hatte letzthin eine Sitzung mit den Verantwortlichen und dabei habe ich klar gefragt: Wer haltet mir welches Fehlverhalten menschlicher oder sachlicher Natur vor? Dabei konnte man mir weder Namen noch Geschehen nennen. Es gibt allerdings einen „Verteilungsstreit“ darüber, wer die fischereiliche Forschung und die begleitende Wissenschaft durchführt: des Pudels Kern liegt hier ...

Sie sagen: Man will Sie köpfen?
Es schaut so aus. Es gibt in diesem Zusammenhang sehr viele ökonomische und persönliche Interessen, auch freundschaftliche Verbundenheiten zwischen Beamten, Freiberuflern und Verbands-/Vereinsleuten. Mein Credo war über 2 Jahrzehnte: objektiv und unabhängig und immer entlang der vereinbarten Vorgaben den „Dampfer Landesfischzucht“ über die unruhige See zu steuern, ohne sich von der einen oder anderen Seite vereinnahmen zu lassen. Das gefällt manchen nicht. In der aktuellen Diskussion geht es um vordergründig um Geldverteilung, Posten und zukünftigen Einfluss. Ich habe dies in dieser Form noch nie erlebt.

Peter Gasser ist ohne Fehler?
Ach kommen Sie, wo gehobelt wird, fallen Späne. Jeder, der arbeitet macht Fehler. Aber es sind keine Fehler außerhalb des arbeitsrechtlichen Rahmens geschehen. Die Geschichte mit der Marmorierten Forelle setzt auch uns sehr zu. Ich denke viel darüber nach. Wir machen Fehler, wir sind nicht perfekt. Wir haben das so nicht erwartet. Wir haben versucht, das Richtige zu tun, meinten, alles im Griff zu haben, und dann kam diese Explosion. Wir sind immer noch beim Nachforschen, was hier und warum geschehen ist, und es tut uns Leid. Doch die „Fehler“ sind ganz sicher nicht jene, die derzeit in der Öffentlichkeit breitgetreten werden. Hier gäbe es noch viel zu sagen ...

 Es gibt in diesem Zusammenhang sehr viele ökonomische und persönliche Interessen, auch freundschaftliche Verbundenheiten zwischen Beamten, Freiberuflern und Verbands-/Vereinsleuten.

Ist es nicht so, dass Sie 20 Jahre lang in der Landesfischzucht getan haben, was Sie wollten?
Meine Funktion war und ist auch heute noch immer die eines Betriebsleiters. Ich bin nicht im Rang eines Direktors. In diesem Sinne ist alles, was ich als Leiter der Landesfischzucht mache, genehmigungspflichtig vonseiten meiner Vorgesetzten. Zudem haben wir periodisch Besprechungen und Sitzungen des wissenschaftlichen Beirates der Laimburg oder im Beirat des Energiefonds, wöchentlich Besprechungen mit unseren Direktoren und zweimonatige Treffen mit dem Amt für Jagd und Fischerei. Unsere gesamte Arbeit baut auf den Beschlüssen dieser Sitzungen auf. Niemand kann in diesem System tun was er will. Das war nie so, das ist auch heute nicht so.

Sie waren aber Liebkind des Laimburg-Chefs Klaus Platter und des ehemaligen Landeshauptmannes Luis Durnwalder?
Nein, das war auch unter Platter und Durnwalder genau so. Auch früher hat es klare Vorgaben gegeben, die wir umsetzen mussten. Direktor Platter und ich haben immer sachlich zusammengearbeitet. Eine Sachlichkeit, die mir heute manchmal fehlt. Nach fast 20 Jahren Zusammenarbeit waren Herr Platter und ich aber immer noch per Sie. Ich kann mich an kein privates Abendessen oder einen Ausflug weder mit Platter noch mit dem zuständigen Landesrat Durnwalder in den letzten 10 Jahren erinnern. Wenn ich es als Mitarbeiter der Landesverwaltung nötig hatte mit dem damaligen Landesrat Durnwalder in Sachen Landesfischzucht persönlich zu reden, dann bin ich um 3 Uhr in der Früh vor dem Landhaus 1 angestanden. Ich denke, das sagt alles.

Sie haben den Energiefonds angesprochen. Es sind die Gelder, die von der Stromwirtschaft kommen. Die Fischer kritisieren, dass 65 Prozent davon in Ihre Landesfischzucht fließen?
In „Ihre Landesfischzucht“, das klingt lieb, ist aber nicht so. Zum Energie-Fonds: dass es diesen Energiefonds gibt, ist das Verdienst der Laimburg. Es gibt europaweit keine lokale Fischereiverwaltung, die von der Energiewirtschaft in so hohem Maße finanziell versorgt wird. Zwischen 2006 und 2008 hat man erkannt, dass diese große Aufgabe des Artenschutzes mit den Finanzmitteln der Fischerei oder des Amtes für Jagd und Fischerei nicht zu bewältigen ist. Wir mussten deshalb Geldmitteln finden, die Projekte des Artenschutzes zu finanzieren. Es war die Gutsverwaltung Laimburg, die mit der SEL AG und den Etschwerken verhandelt und am Ende einen Konsens gefunden hat. Die Energiewirtschaft gibt Geld für die wissenschaftliche Arbeit und den Artenschutz in der Landesfischzucht. Dabei kam mehr Geld herein, als die Landesfischzucht damals gebraucht hat. Aus diesem Grund hat man einen Teil dieses Geldes der Fischereibehörde und einen anderen Teil der Wildbachverbauung zur Verfügung gestellt. Natürlich blieb aber der Großteil der Gelder dem Versuchszentrum Laimburg, für die Arbeit in der Landesfischzucht.

Einer der Vorwürfe gegen Sie lautet: Peter Gasser hat aus der Landesfischzucht einen Mastbetrieb und ein kommerzielles Bussinnes gemacht?
1997 ist die Landesfischzucht geleert und desinfiziert worden. Von diesem Zeitpunkt an, sind wir als Hauptaufgabe mit der Zucht autochthoner Fische gestartet. Auf Wunsch der Fischerei mit der Marmorierten Forelle, auf Wunsch des Amtes für Jagd und Fischerei eine Zeit lang auch mit der Bachforelle, sowie dem Bachsaibling. Aber seit 1997 hat die Landesfischzucht – mit einer kleinen Ausnahme für wissenschaftliche Zwecke – keine Fische mehr zugekauft, alles in allem keine 200 kg in fast 20 Jahren! Alle ausgelieferten Fische sind bei uns aufgezogen und vermehrt worden, auf Bestellung durch das Amt für Jagd und Fischerei, den Energie-Fonds oder die Bewirtschafter der Reviere. Deshalb ist es absurd vom Einkauf und teurem Verkauf zu sprechen. Ebenso wenig trifft der Vorwurf des Mastbetriebes zu. Wir sind in der Landesfischzucht meilenweit von Intensivzucht oder Fischmast entfernt: geringe Besatzdichten in den Becken, hohe Sauerstoffgehalte im Wasser und hoher Anteil an Handarbeit weisen uns eindeutig als regionale Satzfischzucht aus.

Seit 1997 hat die Landesfischzucht – mit einer kleinen Ausnahme für wissenschaftliche Zwecke – keine Fische mehr zugekauft, alles in allem keine 200 kg in fast 20 Jahren!

Die Verantwortlichen der Laimburg halten sich seit Monaten in der Diskussion aufhaltend zurück?
Zeitweise ist die Diskussion auf das Ressort und die Mitteilungen das Landesrates beschränkt worden.

Herr Gasser, man sagt der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf. Das dürfte in der Landesfischzucht nicht anders sein?
Nein, für mich stinkt der Fisch nicht. Es ist nicht alles so gelaufen wie wir es wollten. Es ist Einiges korrekturbedürftig, besonders was die nun endlich beschlossene „Reinzucht der Marmorierten Forelle“ betrifft . Da sind wir bereit dazu, das ist eine interessante Aufgabe. Ich persönlich sehe nun auch die Chance, Vieles umzusetzen, was wir in den letzten Jahren nicht machen durften. Ich bin überzeugt, dass weder ein Kopf, noch ein Fisch stinkt.

Wo wird Ihre persönliche Zukunft liegen?
Ich liebe meinen Beruf und stelle mich den derzeitigen Herausforderungen. Deshalb werde ich auch jedem Rede und Antwort stehen, zur Vergangenheit, zur Gegenwart und zur Zukunft. Ich möchte in meinem Berufsfeld weiter arbeiten, weil dort meine Leidenschaft liegt.  

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luigi spagnolli Di., 19.07.2016 - 18:27

Dr. Peter Gasser hat, wie jeder Mensch, das Recht, sich zu verteidigen, und niemand will ihm dieses Recht entziehen.
Inzwischen habe ich aber die Situation überprüft, und festgestellt, daß weder daß Amt für Jagd und Fischerei, noch die Vereine wussten, daß die Seesaiblinge aus Belluno stammen. Diese Aussage wurde erst am 1. Juli 2016, auf Anfrage, con ihm in einem offizielĺi8em

Di., 19.07.2016 - 18:27 Permalink
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luigi spagnolli Di., 19.07.2016 - 18:33

Dr. Peter Gasser hat, wie jeder Mensch, das Recht, sich zu verteidigen, und niemand will ihm dieses Recht entziehen.
Inzwischen habe ich aber die Situation überprüft, und festgestellt, daß weder daß Amt für Jagd und Fischerei, noch die Vereine wussten, daß die Seesaiblinge aus Belluno stammen. Die entsprechende Aussage wurde erst am 1. Juli 2016, auf Anfrage, von ihm in einem von mir dazu einberufenen Gespräch gemacht. Unter den "Verantwortlichen, die von Anfang an alles gewusst haben", befindet sich das Amt für Jagd und Fischerei nicht.

Di., 19.07.2016 - 18:33 Permalink