Gesellschaft | Homophobie

"Immer noch eine Realität"

Die Südtiroler Aids-Hilfe ProPositiv arbeitet nicht nur gegen Infektionskrankheiten, sondern auch gegen Homophobie. In diesem Punkt gebe es hier noch viel zu tun.

Es wird ein Tag der Leichtigkeit und des gemeinsamen Erlebens. Während die Graffiti-Gruppe „Writers“ die Wände und Bodypainting-Künstler die Menschen bunter machen, werden verschiedene regionale Bands die musikfreudigen Gäste mit Rock, Soul&Funk und Jazz versorgen. Am Samstag, den 23. Juli, wird das StopAidsConcert den Semirurali-Park in Bozen in eine große Bühne verwandeln. Organisiert wurde das Open-Air-Konzert von der Vereinigung für Aids-Hilde Pro Positiv. Ihr Anliegen ist es am Samstag aber nicht nur, musikalische Unterhaltung und künstlerische Aktionen zu bieten, sondern gleichzeitig auch die Besucher gegen AIDS, HIV und Homophobie zu sensibilisieren. Eine gute Gelegenheit also, sich auch schon im Vorfeld des Konzertes über den Stand der Dinge in Südtirol zu informieren.

salto.bz: Das Konzert am Samstag soll zum einen unterhalten, zum anderen aber auch die Leute sensibilisieren. Wie kann man sich das vorstellen?
ProPositiv: Die Zeiten, in denen man durch alarmierende Meldungen und Abschreckung auf das Thema Infektionskrankheiten aufmerksam machte, sind vorbei. Das funktioniert auch nicht. Die Aussage und die Informationen erreichen die Menschen viel besser, wenn sie in einem heiteren und lockeren Umfeld vermittelt werden, das die Menschen vor allem auf Gefühlsebene anspricht. Und Musik ist ein ausgezeichnetes Vehikel, um nicht nur Emotionen, sondern auch eine Botschaft zu vermitteln. Dabei geht es vor allem um Prävention. Die zwei Botschaften, die beim Konzert im Mittelpunkte stehen werden, lauten also: Genieße diese Feier und schütze deine Gesundheit.

ProPositiv arbeitet nicht nur gegen Aids und andere Geschlechtskrankheiten, sondern auch gegen Homophobie. Wie kommt es dazu?
Bis vor zwei Jahren waren wir tatsächlich nur auf die Krankheiten spezialisiert, d.h. wir haben sensibilisiert, Tests durchgeführt und auch psychologische Betreuung für Infizierte angeboten. Obwohl zwischen diesem Thema und Homosexualität keine wirkliche Verbindung besteht, konnten wir doch beobachten, dass ein vergleichsweise großer Anteil der Infizierten auch eine homosexuelle Ausrichtung hatte. Da haben wir beschlossen, mit der Vereinigung ANDDOS zusammenzuarbeiten und auch allen Menschen aus dem LGBT-Spektrum eine Anlaufstelle zu sein. Außerdem hatten wir das Gefühl, dass gerade in Bozen eine weitere Vereinigung, die sich für Homosexuelle einsetzt, dringend nötig war.

Warum gerade hier?
Es ist schon mal ein großer Unterschied, ob man in städtischen Gebieten wie Bozen oder Meran lebt, oder ob man in den Tälern oder auf dem Berg lebt. In den Städten finden die Menschen doch meistens einen Kanal, durch den sie sich frei ausleben können, Menschen mit ähnlichen Vorstellungen und Ausrichtungen. Für die Menschen, die in den Tälern leben, heißt es aber, entweder ab und zu in die Stadt zu gehen und dann ein Doppelleben zwischen einem offenen Dasein dort und wieder dem verschlossenen Dasein im Tal zu führen, oder sich ganz zu verschließen. Vor allem Menschen, die ihr Anderssein offen ausleben und dies auch in ihrer äußeren Erscheinung zum Ausdruck bringen, sind in den ländlichen Gebieten oft vielerlei Anfeindungen ausgesetzt.

Wie helft ihr in solchen Fällen?
Die Menschen kommen zu uns, weil sie wissen, dass sie sich bei uns in vollkommener Anonymität anvertrauen können. Wir beraten dann meistens darüber, welche Möglichkeiten es gibt, auch in den ländlichen Gebieten freier zu leben. Homophobie ist leider eine Realität. Sie äußert sich inzwischen weniger in offenen Anfeindungen oder gar Gewalttaten, aber noch immer in einer ausgrenzenden und skeptischen Haltung. In ganz Italien gibt es auf diesem Gebiet jedoch noch viel zu tun. So gibt es unter anderem immer noch kein Gesetz gegen Homophobie. Was wir dagegen tun, ist, die Menschen gegen Homophobie zu sensibilisieren und zu informieren, aber auch, den Betroffenen zu helfen, in einem eher homophoben Umfeld Auswege zu finden. Und für die schwereren oder komplexeren Fälle haben wir auch eine Psychologin, die Betroffene betreuen kann. Das gilt auch für jene, die mit einer Krankheit infiziert sind. Auch sie schätzen besonders das vertraute und doch anonyme Umfeld, das es hier gibt. Es ist eben etwas ganz anderes, als wenn man ins Krankenhaus geht.

Gleich neben dem Büro von ProPositiv führt eine Tür in ein Nebenzimmer, in denen die Tests durchgeführt werden. „Dieses Zimmer hat schon allerlei kennengelernt, unfassbare Freude, aber auch unfassbares Leid“, berichtet Antonella Diano, die Verantwortliche von ProPositiv: „Die Menschen, die zu uns kommen, tragen den Verdacht, infiziert zu sein, oft schon monate- oder sogar jahrelang mit sich herum . Wenn deren Test dann negativ ausfällt, bedeutet das ein Ausbruch der unerwartetsten Gefühle. Oft gibt es dann Freudentränen und wir werden umarmt. Manchmal können es die Menschen aber auch im ersten Moment noch nicht wirklich wahrhaben, sie waren nämlich schon so überzeugt, dass ihr künftiges Leben unter dem Zeichen der Krankheit stehen würde.“

Allgemeines zur ProPositiv-Vereinigung:
Seit 15 Jahren leistet die Südtiroler Aids-Hilfe ProPositiv seinen Dienst gegen Infektionsarbeiten. Der besteht in Sensibilisierungs- und Informationskampanien, Aufklärungsarbeit in den Schulen, Durchführung von Tests und Betreuung von Betroffenen. ProPositiv ist die vierte Vereinigung im nationalen Vergleich, bis vor kurzem waren ihre Mitarbeiter die einzigen, die die innovativen Schnelltests einzuführen. Dadurch ist es möglich innerhalb von 3 Minuten eine Infektion festzustellen. Außerdem führt ProPositiv ein eigenes Database, diese Daten werden dann vom Istituto superiore della sanità zu Statistiken auf nationalem Niveau verarbeitet, die hier abrufbar sind. In Zusammenarbeit mit der Vereinigung ANDDOS unterstützt ProPositiv Menschen nicht nur im Bereich von Infektionskrankheiten, sondern auch alle LGBT und insbesondere Menschen, die unter einem homophoben Umfeld leiden.

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Sepp.Bacher Fr., 22.07.2016 - 12:44

Ich glaube der Begriff "Homophobie" (ursprünglich: Angst, Phobie - vor der eigenen unbewussten Homosexualität) wird heute meines Erachtens meistens missverständlich verwendet. Gemeint ist meistens eine soziale
Aversion bzw. Feindseligkeit gegen Lesben und Schwule.
Ich bin auch einverstanden, dass man weder Angst und Phobie noch Aversion verbieten kann. Verbieten kann man aber Hetze, Ausgrenzung und Benachteiligungen.

Fr., 22.07.2016 - 12:44 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 22.07.2016 - 13:30

Einerseits wird richtig erkannt dass es zwischen Homosexualität und AIDS keine wirkliche Verbindung besteht, andererseits stellt man sich nun als Aufgabe Anlaufstelle für das LGBT-Spektrum zu sein. Ich habe den Eindruck, dass man somit den Volksglauben, AIDS sei primär eine Krankheit die Schwule betrifft und das daraus entstehende Stigma, bestätigt anstatt ihn zu entkräften.

Fr., 22.07.2016 - 13:30 Permalink
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gorgias Fr., 22.07.2016 - 14:47

Obwohl zwischen diesem Thema und Homosexualität keine wirkliche Verbindung besteht, konnten wir doch beobachten, dass ein vergleichsweise großer Anteil der Infizierten auch eine homosexuelle Ausrichtung hatte.

Natürlich gibt es eine Verbindung. Bei Menschengruppen mit einem Risikoverhalten treten halt öfter HIV-Infektionen auf. Schwule sind promiskuitiver als die Durchschnittsbevölkerung und deswegen gibt es dort auch mehr Aids-Kranke.

Fr., 22.07.2016 - 14:47 Permalink
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gorgias Fr., 22.07.2016 - 16:03

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Having more sex partners compared to other men means gay and bisexual men have more opportunities to have sex with someone who can transmit HIV or another STD. Similarly, among gay men, those who have more partners are more likely to acquire HIV.

http://www.cdc.gov/hiv/group/msm/index.html

Und der ganze Analverkehr macht es auch nicht besser.

Fr., 22.07.2016 - 16:03 Permalink
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Teseo La Marca Fr., 22.07.2016 - 16:13

Antwort auf von gorgias

Der Punkt ist, dass es keine Verbindung in kausaler Hinsicht gibt. Man kann nicht sagen, einer hat wahrscheinlicher AIDS, weil er homosexuell ist. Man kann höchstens sagen, einer hat wahrscheinlicher AIDS, weil er öfter ungeschützten Geschlechtsverkehr hat. Das kann auf Hetero- wie Homosexuelle zutreffen, letztlich hängt es vom Individuum ab. Es liegt also lediglich eine Korrelation zwischen Homosexualität und Infektionskrankheiten vor, und keine Kausalität!

Fr., 22.07.2016 - 16:13 Permalink
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gorgias Fr., 22.07.2016 - 19:26

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

@MÄDN
Ich hoffe diese Quelle ist dir jetzt sekular genug. Ich habe auch einmal einen Artikel in Psychologie Heute gelesen, werde aber für dich jetzt nicht in die Bibliothek laufen, um zu recherchieren aus welcher Ausgabe das war.

Fr., 22.07.2016 - 19:26 Permalink
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gorgias Fr., 22.07.2016 - 22:17

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Man sollte sich von Gott nicht zuviel erwarten. Man wird da sonst schnell enttäuscht.

Zuvieles mißriet ihm, diesem Töpfer, der nicht ausgelernt hatte! Daß er aber Rache an seinen Töpfen und Geschöpfen nahm, dafür, daß sie ihm schlecht gerieten, das war eine Sünde wider den guten Geschmack.
(Zarathrustra IV)

Fr., 22.07.2016 - 22:17 Permalink
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gorgias Fr., 22.07.2016 - 19:03

Antwort auf von Teseo La Marca

Es sind ja nicht alle Homosexuelle sondern nur Männer und das ist ein statistischer Fakt. Schwul sein bringt einem in einer bestimmten Situation:
1. Ein Mann hat ein anderes Sexualverhalten als eine Frau. Er tendiert eher dazu wenn sich die Gelegenheit bietet einen Sexualkontakt einzugehen. Diese Veranlagung hat einen evolutionären Hintergrund, weil er bei der Zeugung von Nachkommen die geringere Investition eingehen muss als eine Frau, die dann wählerischer ist und sich auch absichern will dass der Sexualpartner auch als Partner zum Heranziehen des Nachwuchs taugt. (natürlich tendenziell)
2. Ein Schwuler oder homosexueller Mann hat mehr Gelegenheit einen willigen Sexualpartner zu finden der seiner Veranlagung entspricht, weil es bei ihn Männer sind, im Gegensatz zu heterosexuelle Männer die ja Frauen bevorzugen und damit kommt und wenn man diesen Fakt mit Punkt 1 kombiniert, zur Konsequenz dass homosexuelle Männer im Durchschnitt mehrere wechselnde Sexualpartner haben.

Homosexuelle haben also mehrere wechselnde Sexualpartner als die heterosexuelle Bevölkerung (m/w). Nur das reicht schon aus dass Schwule zur HIV-Risikogruppe gehören auch wenn sie Rate vom Geschützen/ungeschützen Sex gleich mit heterosexuellen wäre. Zieht man aber auch in Betracht, dass bei Homosexuellen Analverkehr häufiger vorkommt, das viel leichter zu Ansteckungen führt in einer Reihe von Geschlechtskrankheiten und aus welchen Gründen auch immer auch noch sich weniger um den geschützten Verkehr scheren, dann ist das noch erschwerend hinzuzufügen.

Das ist kein Vorurteil, das sind Fakten in Kombination mit plausiblen Erklärungen. Wer aus political correctnes nicht wahrhaben will ist das sein Problem.

Fr., 22.07.2016 - 19:03 Permalink
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gorgias Fr., 22.07.2016 - 14:53

In ganz Italien gibt es auf diesem Gebiet jedoch noch viel zu tun. So gibt es unter anderem immer noch kein Gesetz gegen Homophobie.

Das klingt ja nach einem Gedankendelikt. Es hat Sinn ein Gesetz gegen Diskriminierung wegen der sexuellen Diskriminierung anzustreben. Aber wer keine Schwulen mag muss dann ins Gefängnis.

Und wenn ich lieber der Sauna fern bleibe wenn ich weiss dass heute Schwule dort sind dann muss das auch ok sein. Genauso wie es Frauen gibt die nicht in die gemischte Sauna gehen wollen. Brauchen wir dann ein Anti-Misandrie-Gesetz?

Fr., 22.07.2016 - 14:53 Permalink