Politik | Kritik wird immer lauter

Südtiroler Landwirtschaft - Quo vadis?

Die Privilegien zugunsten der Landwirtschaft haben schon längst ihre Existenzberechtigung verloren. Umweltprobleme und Flächenkonzentrationen fordern ein Umdenken.
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Foto: Suedtirolfoto.com/Othmar Seehauser

Die Kritik an der Südtiroler Landwirtschaft wird immer lauter. Umweltprobleme, aber auch das Höfegesetz stehen im Mittelpunkt der Kontroverse.

Die Neue Südtiroler Tageszeitung von diesem Wochenende bringt einen Aufmacher, der landesweit zu Aufsehen geführt hat. Wenn das zutrifft, was hier kolportiert wird, dann ist die Südtiroler Obstwirtschaft zutiefst krank: Es wird von „detaillierten Gerüchten zu Pestizidrückständen und Verkaufsstopps“ gesprochen, von „Gerüchten, die bedenkliche Ausmaße annehmen“ und vom Ausschluss von Bauern von Versteigerungen, weil Südtiroler Ware nicht in Ordnung war“. Für die VOG ist hingegen „alles im grünen Bereich“.

Was ist wahr? Selbst wenn diese Gerüchte übertrieben sein sollten, dürfen wir uns nichts vormachen: Die Südtiroler Obstwirtschaft steuert auf eine radikale, sehr gefährliche Fehlentwicklung zu. Das kleine Land Südtirol ist das größte geschlossene Apfelanbaugebiet Europas, das viertgrößte der Welt und produziert  jährlich über eine Million Tonnen Äpfel – unter enormem Einsatz von Chemikalien, Kunstdünger, Pestiziden. Die Produktion erfolgt unter Zuhilfenahme von Arbeitskräften, die primär aus Osteuropa  geholt werden und die Ware wird dann auf einen Weltmarkt geworfen, der diese Mengen kaum mehr verkraften kann, sie im Grunde nicht braucht. Zurück bleibt ein ausgelaugtes Land mit Monokulturen, einer verarmenden Flora und Fauna und mit Rückständen in der Umwelt, deren Langzeitwirkungen nicht absehbar sind. Cui bono?

Kein Zweifel: Es gibt eine kleine – und immer kleiner werdende – Bauernkaste, die von diesem Produktionssystem enorm profitiert. Aber auf Kosten der Allgemeinheit? Die weitgehende Steuerbefreiung der Bauern ist eine Zumutung, ebenso das Förder(un)wesen, das in diesem Bereich aufgebaut wurde. Wobei schon klar unterschieden werden muss (und diese Unterscheidung wird – nicht von ungefähr – gerade an den Schaltzentralen der Bauernschaft nicht gewollt) zwischen Berg- und Obstbauern. Eine Förderung der Berglandwirtschaft ist durchaus zu rechtfertigen, jene der Obstwirtschaft im Tal – an die der Großteil der Förderungen fließt – nicht im Mindesten.

Man muss sich schon die grundsätzliche Frage stellen: Wieso sollen Einkommen von hunderttausenden von Euro jährlich steuerfrei bleiben? Es wäre ein Leichtes, die Genossenschaftsabrechnungen heranzuziehen und die unsägliche Katasterbesteuerung mit ihren lächerlichen Katasterwerten aufzugeben. Ich kenne Obstbauern, die jährlich über 100.000 € netto einnehmen und laut Kataster nicht einmal 2.000 € verdienen.

Aber das Privilegiendickicht zugunsten der Bauern reicht noch viel weiter: Weshalb sollen Bauern von den baurechtlichen Vorschriften ausgenommen sein und im Grünen Luxusvillen – mit hohen Landessubventionen – bauen dürfen, wenn sie einen Hof schließen und dort eine neue Hofstelle errichten?

Stichwort „geschlossener Hof“ (auf das ich schon andernorts eingegangen bin): Wie kann ein derartiges mittelalterliches Institut in einer modernen Rechtsordnung noch Bestand haben? Das zu einer faktischen Enterbung der „weichenden Erben“ führt (auch wenn diese Bezeichnung in einem neuen euphemistisch formulierten Höfegesetz nicht mehr verwendet wird) und damit in diametralem Gegensatz zum Gesamtsystem der italienischen Erbrechtsordnung steht, die immer mehr punktuelle Gleichbehandlung aller Erben einfordert? Man muss sich das einmal klar vor Augen führen: Die Südtiroler Landesgesetzgebung gewährt Privilegien und – mit Steuergeldern finanzierte – Zuschüsse, damit auf legalem Wege eine Enterbung durchgeführt und eine weitere Vermögenskonzentration in der Landwirtschaft erreicht werden kann. Dabei wird das genaue Gegenteil von dem erreicht, was das Höfegesetz zu fördern vorgibt, nämlich den Schutz der bäuerlichen Existenz: Die ständig wachsende Konzentration von Grund und Boden in geschlossenen Höfen führt dazu, dass es immer weniger frei handelbare Grundflächen gibt, die von tüchtigen Jungbauern mit kleineren Höfen zu erschwinglichen Preisen gekauft werden können.  Tatsächlich geht die Entwicklung hin zu Großbetrieben, die von ausländischen Arbeitskräften bewirtschaftet werden, während heimische Kleinbauern einen anderen Beruf wählen müssen. Und das hat auch weitere unmittelbare Folgen für die Umwelt: Es gibt in der Südtiroler Landwirtschaft einige Beispiele von Bauern, die auf ökologische Landwirtschaft umgestellt haben. Es sind dies überwiegend Kleinbauern, da sich ein Großbetrieb in dieser Form nicht bewirtschaften lässt. Der Großbetrieb produziert standardisierte, lange haltbare Ware für einen übersättigten Weltmarkt. Und eine professionelle PR-Maschinerie gaukelt uns vor, dass all diese Privilegien und Subventionen dem Erhalt einer die Umwelt schützenden Bauernschaft dienen. Es ist Zeit zum Aufwachen!

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Klemens Kössler Do., 29.09.2016 - 12:51

Antwort auf von Erich Frene

Herr Frene Sie haben das Gefühl der Südtiroler mit Ihrem Kommentar wirklich auf den Punkt gebracht, weshalb auch der Unmut gegenüber den Bauern auf diese Weise nachvollziehbar ist. Leider liegen Sie mit Ihrem Gefühl falsch. Wenn der Südtiroler glaubt all die Förderungen seien Steuergelder aus dem Südtiroler Haushalt so ist das zum größten Teil falsch und natürlich wenn es EU-Gelder sind müssen diese auch irgendwo als Steuer eingenommen worden sein (es gibt allerdings auch andere Staatseinkünfte als Steuern).
Dem Bauert wird etwas vorgeworfen womit andere prahlen. Bei einer Diskussion rund um den Flughafen hat sich der Direktor der EURAC vorgestellt und mit stolz darauf verwiesen dass die EURAC durch ihre Tätigkeit im Stande war über 40.000.000,00 Euro aus dem EU-Haushalt nach Südtirol zu lenken.
Diese Sichtweise hab ich auch noch nie vorher so gesehen , die Fördergelder für die Landwirtschaft sind zum größten Teil auch solche Gelder aus Brüssel werden dem Bauern aber als Schmarotzer vorgeworfen wobei es tatsächlich wahr ist dass diese Gelder ohne die Landwirtschaft nicht nach Südtirol gekommen wären.
Warum werden aber EURAC und Bauer nicht gleich gesehen?

Do., 29.09.2016 - 12:51 Permalink
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Erich Frene Mi., 28.09.2016 - 08:27

Antwort auf von Klemens Kössler

"Es ist um jeden Euro schade, der angesichts der italienischen Verschwendung an den Staat geht."

Nur um den Euro des Bauern (der ihn nicht zahlt) und der Euro (die vielen Tausend Euro) der Arbeitnehmer und der Unternehmer, um die ist es nicht schade?

Im Übrigen bleiben unsere Steuergelder ja (weitgehend) im Land und dienen u.a. der großzügigen Förderung der Landwirtschaft.

Mi., 28.09.2016 - 08:27 Permalink
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F. T. Mi., 28.09.2016 - 16:25

Die Märchen der Bauernlobby werden immer skurriler. Da meint einer glatt der Hotelier der importiertes Fleisch auftischt wäre ein Landesverräter. Nachdem die fleissigen Südtiroler Bauern gerade mal 10% der in Südtirol im Jahr verspeisten 5o Millionen Kilo Fleisch produzieren, müssten die Hoteliere den Gästen ja die ganze Woche Fastenknödel auftischen. Mahlzeit. Der andere
neidet den Handwerkern dass sie den Lieferwagen abschreiben können. Er möchte das auch mit dem neuen Traktor, aber da er keine entsprechenden Steuren zahlt, geht das nicht. Jammerschade. Und dann mokiert er sich sogar darüber dass der Unternehmer auf den Rechnungen die MWST berechnen kann, und an den Staat sofort abführen, auch wenn der Kunde nicht zahlt. Offensichtlich keine blasse Ahnung vom Steuerrecht oder Verwaltung
eines Unternehmens, aber eine grosse Klappe. Beschämend. Dass 86% der
Einkommensteuern in Südtirol von den Arbeiter und Pensionisten kommen,
und nur anscheinend ungefähr 1% von den Bauern (incl. der Hofschenken,
Buschenschänken, Fremdenzimmer, Direktverkauf am Hof u.s.w) ist ihm
auch unbekannt ? Am 21.9. hat einer frech behauptet er würde Tage brauchen
um die Unwahrheiten der Frau Bauer zu wiederlegen. Es wären jetzt Tage vergangen. Und ? Ich glaube es ist Zeit diese Märchenstunde der Bauernbündler abschliessen. Danke an Frau Bauer, und Herrn Frene für realistischen Beiträge.

Mi., 28.09.2016 - 16:25 Permalink
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Klemens Kössler Do., 29.09.2016 - 11:31

Antwort auf von F. T.

Na die Große Klappe müht der unbekannte Herr Unternehmer F.T. aber ganz gehörig. während Sie vielleicht im Ruhestand sind brauche ich auch noch Zeit für meine Arbeit Herr F.T. der Sie behaupten nie Beiträge genossen zu haben dadurch haben Sie sehr stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Als Unternehmer wissen Sie auch Bestens daß es eben nicht nur die Einkommenssteuer gibt welche in erster Linie die Arbeiter betrifft sondern sehr viele andere Steuern welche auch Sie Herr Unternehmer schuldig sind.
Und nochmals würde die Landwirtschaft nicht völlig dem globalen markt ausgesetzt sein und mit verschiedenen Markt-regulierenden Maßnahmen geschützt sein wie viele andere Bereiche so könnte der Bauer über sein Produkt die Kosten verdienen um Steuern zu zahlen und keine Beiträge zu brauchen! Die Lebensmittel würden dabei auf einen anteil von über 30% der Lebenshaltungskosten steigen, also wer profitiert bitte von den sogenannten Erleichterungen für die Landwirtschaft?
Nach Ihrem "Hugh ich habe gesprochen" würden Sie gerne die Diskussion abschließen, ich darf Sie darauf Hinweisen dass dies in Ihren "Beitragsfreien?" Unternehmen möglich war aber nicht in einer öffentlichen Diskussion.

Do., 29.09.2016 - 11:31 Permalink