Umwelt | Meran

Terrassen und ein Kahlschlag

Während man die Ufervegetation in der Passer in Meran kahlschlägt, baut man im Bachbett neue Besucherterrassen. Wie passt das zusammen?
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Foto: Provinz.bz

Bei der Revitalisierung der Fließgewässer hat man sich zum Ziel gesetzt, ökologisch funktionsfähige Gewässer und vitale Auwälder zu schaffen (Umwelt &Recht Nr. 13). Eines der Revitalisierungsprojekte ist das Projekt „Passer für Meran“. Dieses Projekt ist eingebunden in ein Intereg IV Projekt, an dem neben der Gemeinde Meran auch die Gemeinden Alleghe (Veneto) und Pfunds (Tirol) beteiligt sind. Dabei geht es um urbane und öklogische Nachhaltigkeit, eine neue Äre des Flussmanagement.

Mit dem Projekt „Passer für Meran“ sollen die Hochwassersicherheit, die Landschaftsnutzung- und planung sowie die Ökologie der Passer im Gemeindegebiet von Meran verbessert werden. Die thematische und finanzielle Grundlage dazu hat die EU mt der Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 geschaffen. In der Wasserrahmenreichtlinie geht es um die Erhaltung des guten Zustands von Fließgewässern und allgemein um die Verbesserung des öklogischen Zustands von Feuchtgebieten. Für die Passer in Meran wurden 2009 und 2010 umfangreiche Erhebungen und Untersuchungen durchgeführt. Damals wurde die Passer im Vergleich mit anderen vergleichbaren Fließgewässern gewässerökologisch (morphologische Struktur, Abflussdynamik, Makrozoobenthos, Biologische Gewässergüte, Fischlebensraum und Fischbestand) als deutlich überdurchschnittlich eingestuft.

Auf dem Gemeindegebiet von Meran ist die Passer das Fließgewässer im Talboden, dessen ökologische Funktionsfähigkeit am wenisten beeinträchtigt ist. Verglichen mit dem Naifbach oder dem Sinichbach (im Talboden), deren ökologische Funktionsfähigkeit durch Verbauungen stark eingeschränkt ist, wurde für die Passer festgestellt, dass die Breite der Bachsohle eine der wichtigsten Vorraussetzungen für ein Fließgewässer darstellt. Die Passer ist nicht nur eine Abflussrinne, im Gegensatz zum Naifbach. Beim Hochwasserschutz geht es vor allem um den Abfluss, Gewässer werden hydraulisch betrachtet.

Das Revitalisierungsprojekt „Passer für Meran“ wurde vom damaligen Bürgermeister Günther Januth eingeleutet, die Gemeinde Meran und die Abteilung Wasserschutzbauten treten als Hauptakteure auf. In Bürgerforen wurden auch Bürger beteiligt, wobei die Wasserrahmenrichtlinie partizipativ ausgelegt ist. Die aktive Einbindung von Interessengruppen, allen voran Interessenvertretern des Naturschutzes, bereits vor Planungs- und Projektbeginn wäre im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie. Bei einer Beteiligung allein in Bürgerforen kann man nicht von Partizipation sprechen. Auch in der Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung von Prof. Zerbe wird auf Defizite hingewiesen: „ Interessenskonflikte können minimiert werden, indem die Betroffenen rechtzeitig vor der Maßnahme eingebunden werden.“

Im Jahr 2012 wurde auf der Höhe der Meraner Therme in Anwesenheit von Landeshauptmann Luis Durnwalder, Bürgermeister Januth und Direktor Rudolf Pollinger der Zugang zur Passer eingeweiht: die „Terassen an der Passer“. Ein neues touristisch beworbenes Aushängeschild an der Therme entstand. Inspiriert von den schicken geschwungenen Rasenterassen im Bachbett, schlugen die NEOS für die Stadt Salzburg ein ähnliches Projekt vor.
 

 

Üblich bei der Revitalisierung ist die Schaffung von Naherholungsflächen für Menschen, Zugänge zu Bäche werden geschaffen und mit einem Fest eingeweiht, im Meran einem Passerfest und an der Ahr einem Ahrfest. Sorglos und unbekümmert ladet der Bevölkerungsschutz Menschen zum Aufenthalt am Wildbach ein. Die Passer ist aber ein Wildbach, sie ist kein Badegewässer. Bei Hochwasser wird der Zugang versperrt, weiterreichende Sicherheitsbedenken oder Sicherheitsmaßnahmen gibt es nicht.

Kritik an diesem Revitalisierungsprojekt gab es wenig. Durchforstungen an der Passer, welche häufig mit der Revitalisierung einhergehen, regten einen Hauch von Widerstand. Doch der Hochwasserschutz fand Pappelabholzbefürworter, Sonnenhungrige in der La Zag freuten sich über mehr Sonne im Naherholungsgebiet.

Ein Bild der Passer in Meran heute: Kahlschlag. Kahlschläge sind die waldbaulich negativste Bewirtschaftungsart und Südtirols Wildbachverbaaung bedient sich aus Hochwasserschutzgründen des Kahlschlags der Ufervegetation. Gefahren sieht der Hochwasserschutz zuallererst in den Ufergehölzen. Auf einem Auge ist er blind, doch mit zwei Augen sieht man besser: Ufergehölze leisten Hochwasserschutz, denn sie halten Material zurück, fangen Treibgut auf und stabilisieren den Boden.

 

 

Die ökologische Funktion der Ufervegetation zum Rückhalt von Material wird ignoriert. „Weil die Vegetation nicht mehr elastisch ist, muss sie aus Gründen des Hochwassserschutztes abgeholzt werden“, argumentiert die Wildbachverbaaung. Doch ist es eben die „nicht elastische“ Vegetation, welche Material zurückhalt und nicht die Vegetation, die sich elastisch biegt.

Ebenso wie die Funktion des Rückhalts werden die Erkentnisse aus den Erhebungen des Jahres 2009/2010 ignoriert. Im Zuge des Programms wurden die Flora und Fauna und die Lebensräume untersucht. Die Bedeutung der Ufergehölze ist in umfassenden Berichten und Erhebungen festgehalten, schützenswerte Bereiche und Kleinbiotope, der Fischlebensraum, Lebensräume am Wasser usw. wurden erfasst. Die Bekämpfung invasiver Neophyten nahm man sich auch vor, Maßnahmen und Managementpläne zur weitgehenden Bereinigung der Ufervegetation von den teilweise invasiven Neophyten wurden empfohlen.

Im Jahr 2016 war es dann endlich soweit mit der systematischen Neophytenbekämpfung. Vier mal rückt man aus, um die Robinien und Götterbäume abzuholzen, Kosten jeweils 60.000 oder 120.000 Euro. Lobenswert aus naturschützerischer Sicht das Problem der Neophyteninvasion in den Mauern und am Bach anzugehen, durch selektives Abholzen von Neophyten mehrmals im Jahr werden diese unterdrückt. Doch der jeztige Kahlschlag macht solche Bemühungen zunichte. Gerade Robinien und Götterbäume werden durch Kahlschläge gefördert und erhalten einen Konkurrenzvorteil gegenüber heimischen Gehölzen. Die Arbeiten der Neophytenbekämpfung an der Passer werden durch Kahlschläge ad absurdum geführt. Mauro Spangnolo, Direktor es Amtes Für Wildbach- und Lawinenverbauung West, weist darauf hin, dass die Arbeiten wegen der begrenzten Zufahrtsmöglichkeiten aufwendig wären. Viele Arbeiten hätte man auch einsparen können, wenn nur Arbeiten verrichtet würden, die tatsächlich notwenig sind. Mehrmalige Eingriffe, gefolgt von einem Kahlschlag, sind ineffizient.

Der Kahlschlag der Ufervegetation folgt nicht dem Konzept einer nachhaltigen und naturverträglichen Ufergehölzpflege, obwohl davon häufig die Rede ist. Die ökologische Funktion und der Wert der Ufergehölze für das Gewässerökosystem (Lebensraum, Beschattung, Filterwirkung, Stabilisation, Hochwasserschutz usw.) werden bei solchen Kahlschlägen nicht berücksichtigt.

„ Diese Arbeiten sind für die Sicherheit der Stadt Meran von grundlegender Bedeutung, da bei Hochwasser Stauungen verhindert werden können“, behauptet der Direktor der Agentur für Bevölkerungsschutz. Die Hochwassersimulation des Intereg IV Projektes brachte das Ergebnis, dass es im Oberwasserbreich an verschiedenen Stellen zu Ausuferungen kommen kann, wobei jedoch für die Bevölkerung und Infrastrukturen keine besonderen Vorkehrungen zu treffen sind. Die Situation an der Theaterbrücke wurde als kritisch eingestuft, da es beinahe zu einem vollkommenen Zuschlagen des Fließquerschnitts kommt (HQ300). Doch just vor dieser Brücke, wurden die „Terassen“ verwirklicht. Bei diesem Revitalisierungsprojekt war es dem Hochwasserschutz möglich, Besucherterassen im(!) Bachbett zu realisieren, während die jungen Bäume in der Passer heute als mögliche Gefahr eingestuft werden.

„Bei diesem Revitalisierungsprojekt war es dem Hochwasserschutz möglich, Besucherterassen im(!) Bachbett zu realisieren, während die jungen Bäume in der Passer heute als mögliche Gefahr eingestuft werden.“

Die Terrassen behindern den Durchfluss mehr als die kleinen Pappeln und Weiden. Bäume werden heute aus Hochwasserschutzgründen gefällt- die Terassen für Meran bleiben. Dass Menschen, die sich in Gewässern aufhalten auch in Notsituationen geraten können, bedenkt der Bevölkerungschutz nicht.
„Eine integrierte Gewässerpolitik in Europa hat auch uns in Südtirol dazu bewogen in sensiblen Gebieten das Thema Flussraummanagemnt anzugehen“, erklärte Rudolf Pollinger damals, „mit Flussgebietsplänen, Leitbildern für die begreffenden Gebiete und mittelfristigen Maßnahmen möchten wir zur Verbesserung der Sicherheit beitragen. Gleichzeitig sollen die Akzetpanz für notwendige Sicherheitsbauten erhöht und alle Anforderungen von Bevölkerung, Ökologie, Landwirtschaft und Raumplanung sinnvoll vereint werden.“
Die Europäische Union hat mit der Wasserrahmenrichtlinie die Grundlage geschaffen, den öklogischen Zustand der Feuchtgebiete zu verbessern. Die Gemeinde Meran und der Hochwasserschutz wollten den Bach erlebbar machen, der ökologische Zustand der Gewässer Merans wurde beim Projekt Passer für Meran nicht in den Mittelpunkt gestellt.

Die ignorierten Erkenntnisse der einstigen Erhebungen und eine neue künstliche Gefahrenquelle sind von der Revitalisierung geblieben. Eine Engstelle im Bach wurde gebaut, obwohl die Projektplaner der Revitalisierung verkünden, den Bächen mehr Raum zu geben. Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an der Passer hat vor allem eine nachhaltige Veränderung gebracht: eine Terrasse an der Therme.
Dieses Bauwerk soll die Akzeptanz für Sicherheitsbauten erhöhen, doch ist es selbst ein Sicherheitsrisiko. Der Hochwasserschutz stellt wieder unter Beweis, dass seine Arbeiten weder öklogisch-nachhaltig noch nachhaltig die Hochwassergefahr eindämmt.

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DervomBerge Tratzer Mo., 31.10.2016 - 15:02

Kahlschlag ist ungleich Rodung, d.h. die Gehölze wachsen wieder nach und das sollen sie natürlich auch.

Wichtig bei Ufergehölzen ist, dass diese biegbar sind, denn wenn sie brechen rufen sie Blockaden hervor, die Folge ist dann, dass die Bäche über ihre Ufer treten und Städte wie Meran überfluten können. Das ist ein Grund warum die Gehölze biegbar sein sollen.

Der nächste Grund ist, dass das Wasser durch biegbare Gehölze stark abgebremst wird. Wenn die Gehölze dicker sind biegen sich diese nicht und dadurch entstehen Verwirbelungen, die dann wieder Gehölze zu Fall bringen oder große Gesteinsblöcke bewegen.

Aus diesen Gründen schneidet man die Gehölze immer wieder zurück.
Ein gutes Buch in diesem Zusammenhang ist Prof. Florineths "Pflanzen statt Beton"

Mo., 31.10.2016 - 15:02 Permalink
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martin hilpold Sa., 05.11.2016 - 13:12

Antwort auf von DervomBerge Tratzer

Danke für die Info und die Rodung von naturnaher Ufervegetation ist verboten (Naturschutzgesetz Art. 17). Kahlschläge führen zum vollkommenen Strukurverlust der Ufervegetation und wirken sich über das Pflegejahr hinaus negativ aus. Die Strukturaustattung ist wesentliche Voraussetzung für das Lebensraumangebot und die ökologische Wertigkeit.
Eine kleine Broschüre zum Thema mit Grundlagenwissen (aus Niederösterreich, wo Prof. Florineth tätig ist): http://www.noe.gv.at/Umwelt/Wasser/Publikationen/Fliessgewaesser_Brosch…

Sa., 05.11.2016 - 13:12 Permalink