Politik | Kommentar

Die falsche Botschaft

Dass man ausschließlich (deutsche) Schützen und Musikanten für Jean Claude Juncker aufmarschieren ließ, ist ein gefährlicher Schnitzer des Landeshauptmannes.
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Foto: LPA/Oskar Verant
Arno Kompatscher hat einen großen Fehler gemacht.
Es ist ein Fehler, der keineswegs seiner Geisteshaltung entspringt, sondern wohl eher einem zu sorglosen und zu wenig überdachten Umgang mit den politischen Gegebenheiten in diesem Land.
Es ist ein Schnitzer, der dem Landeshauptmann aber teuer zu stehen kommen könnte.
 
Am Freitag weilte EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker in Südtirol. Juncker war der Star auf der Konferenz „70 Jahre Pariser Vertrag: Autonomie und Föderalismus in Europa“. Und er erfüllte diese Rolle perfekt. Denn der langjährige Luxemburger Premier hielt eine flammende Werberede für Europa, die ein wohltuender Abschluss zu den kopflastigen Referaten an diesem Vormittag war. Vor allem aber redete Juncker in einem Tonfall und mit Pointen, die selbst im Dorfgasthaus von Pens oder in der Bar am Matteottiplatz die Menschen zum Lachen und gleichzeitig zum Nachdenken gebracht hätten.
Zuvor wurde der EU-Kommissionspräsident am Magnago-Platz von Landeshauptmann Arno Kompatscher empfangen. Angesagt war ein „Landesüblicher Empfang“, in der Tradition des kaiserlichen Österreich, nach der hohe Ehrengäste mit militärischen Ehren empfangen wurden.
Vor dem Palais Widmann marschierten so Südtiroler Schützen der Kompanien des Bezirks Bozen auf, sowie eine Musikkapelle, zusammengestellt aus den drei Kapellen der Stadt Bozen.
Nach der Meldung des Hauptmannes marschierten Junker, Kompatscher und Landeschützenkommandant Elmar Thaler die Front ab. Es wurde eine Ehrensalve abgefeuert und Schnaps getrunken. Es war ein schön-absurder Kontrast. Die Musikkapelle spielte Beethoven (die Europahymne) und danach das Andreas-Hofer-Lied.
 
Vor dem Palais Widmann war eine Art Staatsbesuch im Gange. Und es ist nicht das erste Mal, dass man dabei das Zeremoniell des „Landesüblichen Empfangs“ umsetzt. Auch im vergangenen Juni, als der österreichische Staatspräsident Heinz Fischer seinen Abschiedsbesuch in Südtirol absolvierte, gab es dasselbe Spektakel.
Die aus Nordtirol importierte Zeremonie mag gefallen oder nicht. In Südtirol hat sie aber einen entscheidenden und augenscheinlichen Fehler.
Südtirol ist ein dreisprachiges Land. Doch am Freitag gab es auf dem Magnago-Platz nur eine Sprachgruppe, die Jean Claude Juncker begrüßte. Ladiner und Italiener kamen nicht vor.
Es kann aber nicht angehen, dass bei einem offiziellen Besuch des EU-Kommissionspräsidenten nur eine Sprachgruppe aufmarschiert. Es war und ist keine Privatveranstaltung, sondern ein institutioneller Empfang. Allein der gesunde Hausverstand (den Juncker so gelobt hat) würde es gebieten, dass man bei einer solchen Veranstaltung demonstrativ alle drei Sprachgruppen repräsentiert.
"Wer am Freitag der Zeremonie vor dem Palais Widmann beigewohnt hat, der muss zwingend zum Schluss kommen, dass die Präsenz der Italiener und der Ladiner in diesem Land nicht „landesüblich“ ist.
Genau das ist aber die falsche Botschaft. Und sie ist politisch äußerst unklug und gefährlich."
Was hätte es gekostet, wenn ein italienischer Chor irgend ein Montanara-Lied geträllert hätte? Oder zwischen den Schützen eine Abordnung der italienischen Partisanenvereinigung ANPI mitmarschiert wäre? Vielleicht hätte auch der Verband der illegalen italienischen Schnapsbrenner den Ehrengästen den Flachmann reichen können.
In der Tiroler Tradition der „Landesüblichen Empfangs“ gibt es keine Italiener. Das mag stimmen. Doch hier geht es nicht, um die authentische Aufführung eines Traditionsstückes oder eines Bauernschwankes, sondern um eine öffentliche Zeremonie.
Wer am Freitag der Zeremonie vor dem Palais Widmann beigewohnt hat, der muss zwingend zum Schluss kommen, dass die Präsenz der Italiener und der Ladiner in diesem Land nicht „landesüblich“ ist.
Genau das ist aber die falsche Botschaft. Und sie ist politisch äußerst unklug und gefährlich.
Dessen sollte sich Arno Kompatscher bewusst werden.
 
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alfred frei Mo., 21.11.2016 - 12:53

Anscheinend soll es auch einen italienischsprachigen LH-Vizepräsident geben, der wahrscheinlich zur gleichen Zeit einen Besuch bei der EU-Kommission in Brüssel abstattete, begleitet von einer Abordnung der Alpini- Sektion Bozen

Mo., 21.11.2016 - 12:53 Permalink
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Robert Tam... Mo., 21.11.2016 - 17:27

Ich schätze Franceschinis Artikel sehr, wenn er als Enthüllungsjournalist akribisch recherchiert und exzellente Artikel/Sachbücher verfasst. Ebenso bewundere ich sein Fachwissen zu den Bombenjahren und seine exzellenten Beiträge hierzu.
Leider scheint Franceschini sein journalistisches Rüstzeug über Bord zu werfen, wenn es um Leute geht, die ihm anscheinend nicht in den Kram passen - ein großes Manko bei einem Journalisten.

Der Satz: "[Man] muss zwingend zum Schluss kommen, dass die Präsenz der Italiener und der Ladiner in diesem Land nicht „landesüblich“ ist" ist falsch.
Bei den Schützen waren zu Junckers Empfang auch Ladiner dabei.
Woher ich es weiß? Ich habe mit einem Freund telefoniert, der als Schütze dabeiwar. Wenn ich das als einfacher Rentner herausbekomme, müsste das für den Journalisten Franceschini doch leicht erforschbar gewesen sein.

Mo., 21.11.2016 - 17:27 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 21.11.2016 - 19:11

Der gute Franceschini wird auf seine alten Tage immer recherchefauler. Der landesübliche Empfang hat mit der Tradition des kaiserlichen Österreich überhaupt nichts zu tun, sondern ist ein genuin Tiroler Brauchtum, daher auch nicht, wie Franceschini glaubt, aus Nordtirol importiert, sondern wohl im Kerngebiet Tirols, also im heutigen sogenannten Südtirol entstanden. Dass die Partisanenvereinigung ANPI nicht zur Tiroler Tradition gehört, scheint Franceschini auch nicht zu wissen. Eher noch hätte man gemeinsam mit Casa Pound eine Zeremonie vor dem faschistischen Siegesdenkmal abhalten können, denn die Faschisten waren lange vor den Partisanen in Südtirol, und sie gehören auch heute leider noch dazu, wie man aus den Reaktionen auf den landesüblichen Empfang erkennen kann.

Mo., 21.11.2016 - 19:11 Permalink
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Raffaela Vanzetta Mo., 21.11.2016 - 21:30

Als Italienerin fühle ich mich besser von Franceschini verstanden als von Kompatscher repräsentiert. Am Magnagoplatz standen auch viele Carabinieri mit ihren "divise" und Flämmchen am Hut. Kompatscher scheint zu glauben, das repräsentiere uns genug. Früher oder später bekommt er die Rechnung und es wird keine erfreuliche sein.

Mo., 21.11.2016 - 21:30 Permalink
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utente cancellato Di., 22.11.2016 - 11:05

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Mein lieber Herr ohne Name. Frau Vanzetta ist anscheinend nicht die einzige, die sich solche Gedanken gemacht hat:
http://altoadige.gelocal.it/bolzano/cronaca/2016/11/22/news/tommasini-a…

das ist, was die Faschisten in ihrer Zeitung lesen... was sie sich überlegen werden, können Sie sich selber vorstellen (vielleicht..).
Gut gemacht LH!

Di., 22.11.2016 - 11:05 Permalink
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Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Di., 22.11.2016 - 11:12

Antwort auf von utente cancellato

Es geht nicht darum ob sich jemand Gedanken gemacht hat, das ist doch offensichtlich. Die Frage ist ob es sich um einen nicht beabsichtigten Fehler handelt, oder um eine gewollte Handlung. Ich bin davon überzeugt, dass der LH keinen beleidigen wollte. Wenn dann Pöder und Knoll ihren Schmarren dazu geben müssen, einzig und allein mit der Absicht den LH zu schwächen da sie ja selbst nichts, aber schon gar nichts, wert sind, war das auch nicht anders zu erwarten. Da ist eben das Niveau dieser Herren.

Di., 22.11.2016 - 11:12 Permalink
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Frederik Frick Di., 22.11.2016 - 12:41

Ich finde die öffentliche Empörung und die Einengung auf eine ethnische Komponente doch eher gekünstelt. Als Angehöriger der deutschen Sprachgruppe fühle ich mich jedenfalls von diesem Kostümverein nicht vertreten. Wenn man glaubt, für österreichische Gäste eine solche Karnevalsveranstaltung machen zu müssen, dann lasse ich mir das noch einreden. Für einen Vertreter der EU sollte man allerdings schon etwas ernsthafter an die Sache rangehen. Ich fand das alles einfach nur peinlich! Von den Trachten angefangen, über das Andreas-Hofer-Lied, die Ehrenformation. Hauptsach man kann seine Provinzialität ein bisschen rauskehren. Was bei den Touristen zieht, muss bei hohen Gästen doch auch funktionieren. Es fehlte nur eine Schuhplattler-Runde.

Ein Highlight war sowieso das Schnapsgetrinke! Obwohl, Kenner wissen schon längst, dass der Juncker gerade zu Alkohol nicht nein sagen wird und sich insofern gut begrüßt gefühlt haben wird. Insgesamt war der Besuch des EU-Kommissionspräsidenten eigentlich ein Reinfall.

Di., 22.11.2016 - 12:41 Permalink