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„Die nackte Finanzlogik“

Volksbank-Generaldirektor Johannes Schneebacher über den Wertverfall der Aktie, den Zorn der Mitglieder, das eingeschränkte Rücktrittsrecht und die Zukunft der Bank.
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Foto: Volksbank
Salto.bz: Herr Schneebacher, hat die Volksbank Angst, dass ihr die Mitglieder davonlaufen?
 
Johannes Schneebacher: Nein, diese Angst haben wir nicht.
 
Dass man jetzt anlässlich der Umwandlung der Genossenschaftsbank in eine Aktiengesellschaft das Rücktritts- und Austrittsrecht der Mitglieder aber einschränkt, deutet genau in diese Richtung?
 
Nein, das stimmt so nicht. Wir haben beschlossen, dass wir nicht zwingend alle Aktien zurückkaufen werden. Dieser Beschluss hat aber nichts damit zu tun, dass wir Angst davor haben, dass uns die Mitglieder weglaufen. Sondern es geht darum, dass wir unser Eigenkapital nicht über Gebühr reduzieren wollen und können. Wir brauchen das Eigenkapital, damit wir weiter wachsen können. Wenn wir jetzt alle auszahlen würden, könnte es dazu kommen, dass wir unser Kapital so reduzieren müssen, dass wir nicht einmal mehr unseren Strategieplan umsetzen können.
„Wir haben beschlossen, dass wir nicht zwingend alle Aktien zurückkaufen werden. Dieser Beschluss hat nichts damit zu tun, dass wir Angst davor haben, dass uns die Mitglieder weglaufen.“
Mit Verlaub, das dürfte jene, die austreten wollen, wenig kümmern?
 
All jene, denen die Bank am Herzen liegt, muss das aber interessieren. Deshalb gibt uns das Gesetz auch die Möglichkeit und den Spielraum. Der Gesetzgeber sagt, es muss eine Interessenabwägung gemacht werden zwischen dem, was der Betrieb braucht und dem, was der einzelne Aktionär will. Genau das versuchen wir derzeit.
 
Verstehen Sie, dass jemand, der vor einem Jahr die Volksbank-Aktie um 19,20 Euro gekauft hat und jetzt die Bewertung von 12,10 Euro sieht, mehr als wütend ist?
 
Ich kann es dann verstehen, wenn man sich die Gründe und Hintergründe nicht anschaut und auch die Art und Weise, wie dieser Richtpreis zustande gekommen ist. Wenn man eine reine mathematische Betrachtung macht. Dann sind das Minus 40 Prozent. Das kann ich durchaus nachvollziehen. Diese Betrachtung ist aber insofern nicht fair, weil man den gesamten Kontext anschauen muss.
 
Sagen Sie das mal den Mitgliedern, die vor einem 40prozentigen Verlust stehen?
 
Ich bin fest davon überzeugt, dass das Rücktrittsrecht jetzt bei der Umwandlung nicht der richtige Zeitpunkt zum Verkauf ist. Sondern ich glaube, dass wir in Zukunft andere, bessere Möglichkeiten schaffen werden. Zum Beispiel mit der neuen Handelsplattform, mit der wir starten werden.
 
Derzeit ist die Volksbank-Aktie nahezu unverkäuflich?
 
Die Liquidität der Aktie wird zunehmen. Unabhängig von der jetzigen Umwandlung. Denn die neuen Mifid-Bestimmungen der Börsenaufsicht Consob sehen vor, dass es eine neue Plattform mit geänderten Richtlinien gibt, die ab Anfang März 2017 in Betrieb gehen wird. Dann wird auch der Handel mit den Volksbank-Aktien wieder anziehen.
„Die Liquidität der Aktie wird zunehmen. Unabhängig von der jetzigen Umwandlung.“
Warum sollte jemand aber um 19 Euro eine Aktie kaufen, die jetzt mit 12,10 Euro bewertet wurde.
 
Genau das ist unsere Aufgabe. Wir müssen nachvollziehbar machen, warum der Preis auf 12,10 Euro festgelegt worden ist und was grundsätzlich Bewertungskriterien für die richtige Einschätzung des Wertes einer Aktien sind.
 
Versuchen Sie es mir zu erklären?
 
Diese Bewertung ist aufgebaut auf die Gewinn-Erwartung eines Investors. Die externen Gutachter gehen davon aus, dass ein institutioneller Investor eine Gewinnerwartung von rund 10 Prozent hat. Dieser Gewinn ist nach der Geschäftslogik und den Strategieplänen, die wir gemacht haben, aber so nicht machbar. Der Investor sagt deshalb: Wenn ich die 10 Prozent nicht aus eurem Reingewinn bekomme, dann möchte ich eine Reduzierung des Buchwertes. Damit komme ich auf einen Wert der zwischen 12 und 15 Euro liegt. Wenn ich hingegen von einer niedrigeren Gewinnerwartung ausgehe – also 3 bis 4 Prozent – dann ist die Bewertung von 19,60 Euro korrekt.
 
Das heißt, die Bewertung ist für den Großinvestor gemacht und nicht für den Kleinaktionär?
 
Sie ist so gemacht, dass man weder auf die Inhalte, noch auf die Werte oder die Verbundenheit der Mitglieder eingeht, sondern nur die nackte Finanzlogik anwendet.
„Die Bewertung ist so gemacht, dass man weder auf die Inhalte, noch auf die Werte oder die Verbundenheit der Mitglieder eingeht, sondern nur die nackte Finanzlogik anwendet.“
Was tut die Volksbank, wenn es zu einer Lawine von Rücktritten kommt?
 
Ich rechne nicht damit. Vor allem aber bin ich überzeugt, dass es auch Käufer geben wird. Diese Umwandlung lässt nicht nur das Rücktrittsrecht entstehen, sondern auch das Kaufrecht. Das heißt, derjenige, der zurücktreten will, bietet seine Aktien zum Verkauf an. Danach haben die Mitglieder ein Optionsrecht auf diese Aktien. Auch wenn die Bank nicht kauft oder die Auszahlung ausschließt, heißt das lange noch nicht, dass die Aktie nicht verkauft wird. Es werden andere Mitglieder sein, die kaufen. Davon bin ich überzeugt.
 
In der Südtiroler Öffentlichkeit besteht große Angst, dass es der Volksbank jetzt genauso ergeht, wie der Südtiroler Sparkasse. Millionenverluste und der Aktienpreis im Keller.
 
Also wir haben bisher immer noch das Geschäftsjahr mit einem Gewinn beendet. Damit ist das Eigenkapital in diesem Sinne immer gleich geblieben. Was sich geändert hat, sind die Bewertungskriterien und die Gewinnerwartungen, die man an eine Bankaktie heute stellt.
 
Sie mussten im laufenden Jahr über 80 Millionen Euro an Wertberichtigungen machen. Die Frage ist jetzt, ob die Volksbank auch das Geschäftsjahr 2016 mit einem Gewinn abschließen wird?
 
Auf Grund der Daten, die wir heute zur Verfügung haben, gehen wir davon aus, dass wir auch dieses Jahr mit Gewinn abschließen werden.
 
Die Verbraucherzentrale rät Mitgliedern vor Gericht das Rücktrittsrecht notfalls zu erstreiten. Was, wenn auf die Bank damit Millionenforderungen zukommen?
 
Rechtsstreitigkeiten können immer entstehen. Es ist normal, dass jemand, der mit gewissen Entscheidungen nicht einverstanden ist, alle seine Möglichkeiten ausschöpft. Dazu gehört auch der Rechtsweg. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Gerichtsgutachten zu einer gänzlich anderen Bewertung kommt,.
 
Mit dieser Umwandlung wird auch der Abstimmungsmodus im Verwaltungsrat geändert. Bisher galt ein Beschluss bei Stimmengleichheit als abgelehnt. Jetzt zählt bei Gleichstand die Stimme des Präsidenten doppelt. Der richtige Weg?
 
Also ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir irgendwann einmal einen Beschluss gehabt haben, der im Verwaltungsrat auch nur annähernd in eine solche Pattsituation geführt hätte. Im Verwaltungsrat werden die Diskussionen auch durchaus kontrovers geführt. Am Ende versucht man aber immer eine gemeinsame Linie zum Ausdruck zu bringen. Deshalb sehe ich hier eigentlich keinen eklatanten Unterschied.
„Aus den Daten, die wir heute zur Verfügung haben, gehen wir davon aus, dass wir auch dieses Jahr mit Gewinn abschließen werden.“
Der Präsident der Volksbank, Othmar Michaeler, und auch Aufsichtsrat-Präsident, Heinz Peter Hager, stehen immer wieder in der Kritik. Der Vorwurf: Sie würden die Bank als „Benkomat“ missbrauchen?
 
Das ist eine haltlose Unterstellung. Die Banca d'Italia hat die Kreditvergabe und die Geschäftsführung vor wenigen Monaten akribisch geprüft. Dabei hat man auch den Fokus auf mögliche Interessenkonflikte gelegt. Am Ende gab es aber keinerlei Beanstandungen in diese Richtung.

Geht die Umwandlung einer Genossenschaftsbank zu einer Aktiengesellschaft nicht zwangsläufig mit einer Mentalitätsänderung einher?
 
Das hängt sehr stark von den handelnden Personen ab. Wenn wir diese Grundlinien, die uns über viele Jahre getragen haben, richtig verstanden in die neue gesellschaftsrechtliche Form einbringen, dann werden wir diesen Übergang auch gut schaffen.
 
Wie viele zornige Mitglieder müssen Sie und Ihre Mitarbeiter derzeit täglich beruhigen?
 
Ich würde nicht sagen zornige, sondern eher enttäuschte Mitglieder. Hier gibt es nichts zu beschönigen. Im Moment sind es doch einige. Ich kann die Sorgen der Menschen nachvollziehen und versuche zu antworten. Ob mir das immer gelingt, weiß ich nicht.
 
Hat hier nicht die Kommunikationsstrategie der Volksbank versagt?
 
In solchen Momenten stellt sich immer die Frage, ob man genügend kommuniziert hat oder nicht. Wir haben versucht die Schritte zu setzen. Hier aber hat das Thema erst wirklich an Bedeutung gewonnen, als es schon sehr nahe an der Vollversammlung war.
 
Bereits vor der Fusion mit der Volksbank von Marostica war absehbar, dass es zur Umwandlung kommen muss. Warum hat man die Mitglieder nicht bereits damals aufgeklärt?
 
Dieses Umwandlungsgesetz wurde erst zu einem Zeitpunkt erlassen, als die Verträge bereits unterschrieben waren. Diese Entwicklung war so auch nicht absehbar, weil das Gesetz buchstäblich über Nacht erlassen wurde.
 
Es steht immer wieder eine Fusion zwischen Volksbank und Sparkasse im Raum. Für Sie eine realistische Vision?
 
Im Moment wird das als solches nicht diskutiert. Natürlich gibt es immer viele Optionen...
 
Die Aktie der Sparkasse auf 12,50 Euro, jene der Volksbank auf 12,10 Euro. Man kann das auch als bewusste Angleichung sehen?
 
Das sind Gedanken, mit denen ich mich nicht beschäftige.
 
Was ist Ihre Zukunftsvision für die Volksbank?
 
Ich glaube, dass die Volksbank im Grunde genommen nicht eine Bank ist wie viele andere. Auch als Aktiengesellschaft sind wir gut beraten, wenn wir uns jene Gedanken, die in der Genossenschaft entstanden sind, weiterhin zu eigen machen. Dann werden wir Erfolg haben.
„Auch als Aktiengesellschaft sind wir gut beraten, wenn wir uns jene Gedanken, die in der Genossenschaft entstanden sind, weiterhin zu eigen machen. Dann werden wir Erfolg haben.“
Sollte es schief geben, werden aber Sie der Sündenbock sein?
 
Für mich ist die Bank nicht nur ein wirtschaftliches Projekt, sondern auch ein Herzensanliegen. Und dafür gehe ich dieses Risiko ein.
 
Was tun Sie, wenn am kommenden Samstag in der Mitgliederversammlung keine Mehrheit für die Umwandlung zusammenkommt?
 
Es gibt ganz klare Regeln. Für eine gültige Beschlussfassung braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Anwesenden. Das heißt, damit es zur Umwandlung kommt, müssen die Ja-Stimmen, die Summe der Nein-Stimmen und der Enthaltungen übersteigen. Wenn das nicht erreicht wird, müssen wir umgehend die Banca d'Italia informieren. Dann nimmt die Aufsichtsbehörde das Heft in die Hand. Wir sind also nicht mehr Herr unseres Schicksals. Die Banca d'Italia hat dann mehrere Möglichkeiten, die bis zur Liquidation reichen.
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Marcus A. Mi., 23.11.2016 - 09:22

Komplimente Herr Franceschini! So sieht kompetenter, kritischer und guter Journalismus aus!

Fakt ist, dass jeder Business Plan schon veraltet ist, bevor er fertig geschrieben wurde.
Fakt ist auch, dass die Südtiroler viele Jahre in einer Blase der Gutgläubigkeit verbraucht haben. Die Marketingabteilungen der verschiedenen Banken haben den Traum von der Insel der Glückseligen noch verstärkt und der gutgläubige Südtiroler hat ganz nach dem Motto "Meine Partei, meine Kirche, mein Tagblatt, meine Bank" alles kritiklos geschluckt, ohne den eigenen Kopf einzuschalten.

Die Ausführungen von Herrn Schneebacher sind rational nachvollziehbar und logisch. Doch die ratio interessiert renditehungrige Anleger recht wenig, wenn der Magen knurrt...
Der kleine Aktionär wird zur Bedeutungslosigkeit verdammt; daran dürften auch pompös inszeniert Jahresversammlungen nichts ändern.

Fakt ist, dass Banken in den nächsten Jahren schwierige Zeiten erleben dürften: Fintech, neue Formen der Kreditvergabe dürften das traditionelle Geschäft und somit die Erlösquellen der Banken langsam aber sicher zum Versiegen bringen.

Fakt ist auch, dass einige Personalien und geschäftliche Verknüpfungen im Umfeld der Bank mehr als nachdenklich stimmen sollten. 100%ige Unabhängigkeit wird es nicht geben, besonders wenn man sich die Vestrickungen und Geschäftsmodelle einiger Akteure besser anschaut...

Fakt ist auch, dass die Südtiroler langsam aber sicher kritischer gegenüber vermeintlichen "Institutionen" werden. Und das ist der Verdienst von gutem Journalismus!

Mi., 23.11.2016 - 09:22 Permalink
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Wolfgang Mair Mi., 23.11.2016 - 10:15

Kleine regionale Banken stecken in einem mehrfachen Dilemma. Das Marktumfeld ist heiss umkämpft, es gibt kaum Wachstumsmöglichkeiten aufgrund ihrer Regionalität. Zudem werden italienische Banken (also auch Volksbank und Sparkasse) von Investoren immer besonders kritisch gesehen. Und beide Banken haben wohl auch ganz bewusst den Beinamen "Südtiroler" aus ihrem Firmenlogo gestrichen. Die Umwandlung der Volksbank in eine AG könnte (wie auch bei der Sparkasse) dazu führen, dass andere ital. Grossbanken einsteigen und mittelfristig das Ruder übernehmen, so wie es vielen kleinen ital. Sparkassen und Volksbanken bereits passiert ist. Als Aktionär würde ich mir überlegen, ob die Warscheinlichkeit besteht, dass sich die Aktien der Volksbank wieder erholen werden. Um von 12,10 Euro auf 19,60 Euro zu kommen, müssen die Aktien aber um mehr als 60% steigen. Und selbst der Präsident der Volksbank, Herr Michaeler, würde dafür laut Interview in der heutigen Ausgabe der Tageszeitung nicht die Hand ins Feuer legen. Dann gibt es vielleicht bessere Anlagemöglichkeiten.

Mi., 23.11.2016 - 10:15 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 23.11.2016 - 14:22

Bei diesem Artikel handelt es sich um reinen Gefälligkeitsjournalismus. Hier werden dem Herrn Schneebacher, der dabei ist, die Südtiroler Volksbank zugrunde zu richten, Rosen gestreut.

Mi., 23.11.2016 - 14:22 Permalink
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Markus Lobis Mi., 23.11.2016 - 23:05

Ich überlege mir, einen Zettel bei einem Notar zu deponieren, auf den ich drei Namen von Südtiroler Familien und/oder Wirtschaftsgrößen schreibe, die in den nächsten Tagen oder Wochen billige Volksbank-Aktien kaufen werden - natürlich nur wegen der Hoamet - und die dann in fünf - zehn Jahren, wenn die Südtiroler Volksbank in der Bilanz irgendeiner Großbank verschwindet, einen schönen Schnitt machen werden.

Hier ist ein riesiger Raubzug im Gange, die Ministranten von Goldman Sachs und Blackrock in der europäischen Politik machen ganze Arbeit!

Mi., 23.11.2016 - 23:05 Permalink
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Profil für Benutzer Armin Mutschlechner
Armin Mutschlechner Mi., 23.11.2016 - 23:29

Mesnsch Zucco, hast die Samthandschuhe getragen? Guter Ansatz, aber Spiel, Satz und Sieg für Schneebacher. Es ist Luft nach oben bei dir und bei den Anteilen/Aktien der VB wird es in den kommenden Jahren weit nach unten gehen. Als persönlich betroffener die Konten bei der VB leer geräumt.

Mi., 23.11.2016 - 23:29 Permalink