Umwelt | Mobilität

Verkehrs-Revolution in Südtirol

Nach der SAD setzt auch die Landesregierung Akzente in Sachen Mobilität. Ob sich eine Verkehrs-Revolution abzeichnet, ist fraglich.
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Foto: Salto.bz

In Südtirol scheint sich in Sachen Mobilität etwas zu bewegen. Zumindest scheint Südtirol seit dem gescheiterten Flughafen-Referendum im Juni 2016 geistig mobiler geworden zu sein. Bis zum definitiven Nein zum Flughafen Bozen schien es zumindest so, als würde die Erreichbarkeit Südtirols einzig und allein vom Flughafen abhängen, während die Frage, wie nun ein Flughafen Bozen effizient an die Bezirke und Gemeinden angebunden werden soll, - gelinde gesagt - nachrangig behandelt wurde. Seit dem Scheitern des Flughafen-Projektes der Landesregierung scheint sich ein Paradigmenwechsel in Südtirol vollzogen zu haben, der erste, erfreuliche Blüten treibt.

Mobiliät nach dem Scheitern des Flughafen-Referndums

Für größeres Aufsehen hat zuerst die SAD AG gesorgt. Mit wirklich "bahnbrechenden Visionen" für den öffentlichen Verkehr in Südtirol hat man nach den nicht enden wollenden Flughafen-Diskussionen erstmals neue Akzente in der Südtiroler Verkehrspolitik gesetzt und mit der Neuauflage der Überetscher Bahn und einer Dolomitenbahn effektiv ein neues Kapitel in der regionalen Verkehrspolitik aufgeworfen. Anfang 2017 zieht nun die Südtiroler Landesregierung nach. Die Ziele sind zwar - ganz im Sinne der realpolitischen Gegebenheiten und Möglichkeiten - weniger weit gesteckt, als jene der SAD, die Ankündigungen im Mobilitätskonzept, das unter dem Motto "nachhaltig und grün" steht, versprechen aber interessante Perspektiven.

Smart Cities - Smart Südtirol

Das Mobilitätskonzept der Landesregierung liest sich durchaus interessant. "Verkehr vermeiden", "Verkehr verlagern" und "Verkehr verbessern" und das Schlagwort "smart unterwegs" treffen das derzeitige Lebensgefühl auf den Punkt. Zahlreiche Städte versuchen sich heute als "intelligente" Städte zu vermarkten. Auf regionaler Ebene wird analog versucht, das Konzept auf ganze Regionen auszudehnen. Nun hat das allerdings einen Haken. Smart Cities sollen in besonderem Maße Siedlungen der "kurzen Wege" darstellen. Das bedingt geradezu eine hohe Siedlungsdichte. In dicht besidelten Städten ist effektiv eine groß angelegte Verlagerung des Verkehrs vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr denkbar. Im ländlichen Raum sind die Potentiale aufgrund der geringen Siedlungsdichte entsprechend geringer. Kürzlich hat der Direktor des ÖAMTC in einem Interview festgestellt, dass es nur im urbanen Raum zu einem Erstarken des öffentlichen Verkehrs kommt, während sich dieser im ländlichen Raum zurückzieht.

Verbesserte Angebotspolitik im öffentlichen Verkehr

Bewirkt werden sollen Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung und Verkehrsverbesserung unter anderem durch eine entsprechende Angebotspolitik im öffentlichen Verkehr. Dabei sollen die Intervalle im öffentlichen Nahverkehr halbiert werden: Der Halbstundentakt entwickelt sich zu einem Viertelstundentakt. Aufgestockt werden soll auch der Fuhrpark. Zudem stehen im Schienenverkehr größere Infrastrukturvorhaben wie die Riggertalschleife an, die die Fahrtzeiten zwischen Bozen und Bruneck drastisch verkürzen. Damit soll der öffentliche Verkehr in Südtirol gestärkt werden. Konkrete Zahlen, die unterstreichen, welche Verkehrsverteilungen man künftig anstreben will, nennt man im Gegensatz zu anderen Städten und Regionen allerdings nicht.

Verkehrsverminderung durch Umfahrungen?

Verbessert werden soll durchaus auch der Straßenverkehr. So sind verschiedene Infrastrukturvorhaben an dicht befahrenen Straßen in Südtirol geplant, die betroffene Gebiete entlasten und den Verkehr verlagern sollen. Als Beispiel wird Meran genannt, wo Umfahrungen zu einer Verkehrsverminderung von 40% bis 50% geführt hätten. Der Begriff "Verkehrsverminderung" ist allerdings falsch. Es handelt sich höchstens um eine Verkehrsverlagerung. Es fragt sich dabei grundsätzlich nicht nur, wo der verlagerte Verkehr stattdessen fließt, sondern auch, ob der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur durch Umfahrungen nicht das Verkehrsaufkommen durch schnellere und flüssigere Verbindungen insgesamt erhöht und sich in der Folge auch zu Lasten des öffentlichen Verkehrs auswirkt. Eine wirkliche Verkehrsverlagerung sieht die Verlagerung vom Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr vor. Zu unterstreichen bleibt in diesem Zusammenhang wohl auch, dass zahlreiche Probleme, die ein ständig wachsender Individualverkehr hervorlöst, etwa die Stauproblematik oder die wachsende Nachfrage nach Verkehrsinfrastrukturen, auch durch den Umstieg auf Elektromobilität nicht behoben werden können.

Strategien für eine Verkehrs-Revolution

Es ist natürlich mehr als richtig, im Sinne einer nachhaltigen und sozial verträglichen Verkehrspolitik den öffentlichen Verkehr zu fördern. Letzten Endes sind allerdings öffentlicher Verkehr und motorisierter Individualverkehr Konkurrenten - auch wenn dieser "Konkurrenzkampf" in vielen Teilen Südtirols aufgrund der vorhandenen Siedlungsstruktur nicht wirklich gegeben ist. Trotzdem läuft die Strategie in der Verkehrsplanung grundsätzlich darauf hinaus, einerseits den öffentlichen Verkehr durch eine entsprechende Angebotspolitik zu stärken, andererseits aber Systemvorteile des öffentlichen Verkehrs auf Kosten des Individualverkehrs zu verwirklichen. Die groß angelegten Investitionen in die Straßeninfrastruktur, die Verlagerungen zum öffentlichen Verkehr teilweise wieder rückgängig machen werden, zeugen nicht von einer entsprechenden längerfristigen Strategie. Es wird folglich mehr als verständlich, dass sich betroffene Bürger einerseits und Unternehmer im öffentlichen Nahverkehr andererseits für nachhaltige und schienengebundene Lösungen stark machen, die konsequent den öffentlichen Verkehr fördern. Ein derart klares Bekenntnis bleibt im Mobilitätspöan der Landesregierung aus.

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Christian Mair Do., 05.01.2017 - 11:25

Ein "Freiheitlicher" (vormals eine liberale Strömung) bekennt sich trotz Bedenken für die Peripherie zum grünen und öffentlichen Verkehr als Alternative zum Individualverkehr.... das ist die tatsächliche eine Revolution.

Do., 05.01.2017 - 11:25 Permalink
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Christian Mair Mo., 09.01.2017 - 18:04

Über ideologischen Gräben hinweg: Wie wärs mit einer Mobilitätskarte Euregio Tirol?
Früher gab es mal den unschlagbaren Wahlslogan "freie Fahrt für freie Bürger". In die heutige Zeit umgesetzt könnte eine Forderung in etwa so lauten:
" Freies Bahnticket für freie Bürger - inklusive freier Zugang zu allen Museen der Euregio Tirol, 10 Tagekarten Freibäder Euregio Tirol, 3 Skitageskarten frei wählbar in der Euregio Tirol, unbeschränkt Langlaufloipen, Ermäßigung Eishockey, -Fussball, Volleyball,- Handballspiele, Ermäßigung bei Koppelung mit Vorteilskarte Österreich, Möglichkeit der Nummernschildkoppelung (Autobahn) und Kreditkartenkoppelung für Abrechnung Leihräder u.ä. - für 365 €*

*Studenten, Senioren, Auszubildende, Militär, u.ä
** halber Preis für Schüler, Sozialdienstleistende, u.ä.

Mo., 09.01.2017 - 18:04 Permalink