Chronik | Justiz

Verletzte Zweisprachigkeit

Die Ernennung der Staatsanwältin am Rechnungshof Daniela Morgante hat ein gerichtliches Nachspiel am Verwaltungsgericht. Update: In Rom.
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Foto: upi
Wie so oft in einem Gerichtsstreit gehen die Meinungen diametral auseinander.
„In einem Verwaltungsverfahren liegt die Zuständigkeit bei jenem Gericht, das dort zuständig ist, wo die angefochtene Maßnahme ihre Wirkung tut“, sagt die Bozner Anwältin Renate Holzeisen. Staatsadvokat Guido Denicolo sieht das anderes: „Es wurde eine Maßnahme angefochten, die in Rom erlassen wurde, deshalb liegt die Zuständigkeit eindeutig dort.“
Holzeisen und Denicolo stehen sich in einem Verfahren gegenüber, das weit über den Verfahrensgrund hinaus von öffentlichem Interesse ist. Zum einen geht es um die territoriale Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit, zum anderen aber um die Frage, ob Südtirols Autonomiestatut bei einer wichtigen Ernennung in Sachen Zweisprachigkeit verletzt wurde.
 

Die neue Staatsanwältin

 
Ausgangspunkt des Verfahrens ist die Nachfolge des Staatsanwaltes am Bozner Rechnungshof Robert Schülmers, dessen Beauftragung Ende November 2016 nach Beendigung der vorgeschriebenen Amtszeit ausgelaufen war. Das Präsidium des obersten Richterrates des Rechnungshofes schrieb am 9. November 2016 einen Wettbewerb für die Nachfolge aus. Ende November wurde schließlich Daniela Morgante als neue Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof ernannt.
Daniela Morgante ist alles andere als die typische Figur für eine Richterkarriere. Die 43jährige Rechtsanwältin aus Rom startete ihre Karriere im Bankenwesen. Nach Arbeitserfahrungen bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und der Wettbewerbsbehörde bei der Europäischen Kommission in Brüssel, findet sie zuerst bei der italienischen Börsenaufsicht Consob und dann im Bereich Bankenaufsicht der Banca d´ Italia eine Anstellung. Im Dezember 2008 wird Morgante Richterin am Verwaltungsgericht Piemont. Später wechselt sie zum Rechnungshof. Sie ist Richterin am Rechnungshof im Veneto und in Apulien. Dann wird sie stellvertretende Staatsanwältin am Rechnungshof Molise.
 
Daniela Morgante ist aber auch politisch bestens vernetzt. So wird sie 2013 im ersten Kabinett des römischen PD-Bürgermeisters Ignazio Marino zur Finanzstadträtin ernannt. Lange Zeit war Morgante im vergangenen Jahr auch als Assessorin oder Kabinettschefin von Virginia Raggi ernsthaft im Gespräch. Am Ende wird die Karrierefrau, die zwischendurch auch für den italienischen Fussballverband tätig ist, dann die neue Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof.
 

Kompatscher Verteidigung

 
Doch Daniela Morgante hat ein Problem. Bereits einen Tag nach ihrer Ernennung gräbt der „Fatto quotidiano“ einen brisanten Hintergrund aus. Daniela Morgante, gibt zwar offiziell an, Deutsch zu können, doch sie hat keinerlei Nachweis für ihre Zweisprachigkeit.
Umgehend will der 5-Sterne-Landtagsabgeordenete Paul Köllensperger in der aktuellen Fragestunde des Landtages von der Landesregierung wissen, was man gegen diese eklatante Verletzung des Autonomiestatutes zu unternehmen gedenke. Landeshauptmann Arno Kompatscher verteidigt die Ernennung. Seine Argumentation: In der Stellenausschreibung sei der Zweisprachigkeit als Voraussetzung „vergessen“ worden. Zudem spreche Morgante Deutsch. Spätestens damit wir klar, dass Daniela Morgante nicht nur in der Gunst der römischen, sondern auch der lokalen Regierungsmehrheit liegt.
 

Das Verfahren

 
Um die Schülmers Nachfolge bewarb sich aber auch seine engste Mitarbeiterin. Die stellvertretende Staatsanwältin am Bozner Rechnungshof Alessia Di Gregorio. Di Gregorio hat den Zweisprachigkeitsnachweis A und spricht Deutsch.
Alessia Di Gregorio hat deshalb gegen die Morgante-Ernennung vor dem Verwaltungsgericht Bozen rekurriert. Sie wird im Verfahren von der römischen Anwältin Michela Reggio d´Aci und ihrer Bozner Kollegin Renate Holzeisen vertreten. Das Präsidium des obersten Richterrates des Rechnungshofes wird von der Trentiner Staatsadvokatur vertreten, während sich Daniela Morgante eine äußert prominenten Verteidiger ausgesucht hat: Carlo Malinconico.
 
Der Jurist Malinconico hat in den vergangen 30 Jahren an allen wichtigen Schaltstellen der römischen Ministerien gearbeitet, war unter Romano Prodi Generalsekretär des Ministerrates und in der Regierung Monti Unterstaatssekretär gewesen. Im Jänner 2012 musste Malinconico zurücktreten, weil er in die Affäre um die von Unternehmern bezahlten Urlaube im Hotel „Il Pellicano“ in Porto Ercole verwickelt war. Diese Ermittlungen wurden von der Staatsanwaltschaft aber später eingestellt.
Auffallend ist auch, dass sich das Land Südtirol nicht in das Verfahren eingelassen hat. Was bei einer Verletzung des Autononomiestatutes oder bei Nichtbeachtung der Zweisprachigkeit eigentlich zur politischen Tagesordnung gehört.
 

Eine Grundsatzentscheidung

 
Nach den geltenden Bestimmungen muss ein Staatsanwalt am Rechnungshof einen Zweisprachigkeitsnachweis besitzen“, ist sich Renate Holzeisen sicher. Die Anwältin verweist darauf, dass selbst in der Wettbewerbsausschreibung auf das Autonomiestatut und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen Bezug genommen wird. Die Gegenseite argumentiert: Das Autonomiestatut sehe die Zweisprachigkeit im Verfahren und im Umgang des Amtes mit dem Bürger vor. Diese sei gegeben.
Am Dienstag fand vor dem Verwaltungsgericht Bozen die Erstverhandlung statt. Das im Verfahren 324/2016 eingesetzte Richterkollegium, Terenzio Del Gaudio, Lorena Pantozzi Lerjefors (Berichterstatterin), Peter Michaeler und Margit Falk Ebner, wird aber voab eine verfahrenstechnische Frage klären müssem. Es geht um die Frage, ob das Bozner Verwaltungsgericht überhaupt in diesem Fall zuständig ist?
Zudem fordert die Klägerin eine Dringlichkeitsverfügung mit der Morgantes Ernennung ausgesetzt werden soll. Eine Entscheidung wird in den nächsten Tagen erwartet.
Dann wird sich zeigen, ob man in der Bozner Gerstburg die heiße Kartoffel lieber an das Verwaltungsgericht Latium weiterreicht.
 

Update:

Am Donnerstag Nachmittag hat das Bozner Verwaltungsgericht entschieden. Weil es sich bei der Ernennung und der Ausschreibung um einen Akt des Präsidiums des obersten Richterrates des Rechnungshofes handelt, hat sich das Bozner Verwaltungsgericht für nicht zuständig erklärt und den Rekurs an das Verwaltungsgericht Latium verwiesen. Damit wird Rom urteilen, ob Südtirols Autonomie in diesem Fall verletzt wurde oder nicht.
 
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Hartmuth Staffler Mi., 25.01.2017 - 17:45

Auch Schülmers hat die deutsche Sprache nicht beherrscht. Sollte er dennoch die Zweisprachigkeitszulage erhalten haben, dann wäre er selbst ein Fall für den Rechnungshof.

Mi., 25.01.2017 - 17:45 Permalink
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Christoph Fran… Mi., 25.01.2017 - 23:09

Achtung Herr Staffler: Meines Wissens ist Staatsanwalt Robert Schülmers deutscher Muttersprache und er spricht nicht nur perfekt Deutsch, sondern er erfüllt auch alle rechtlichen Voraussetzungen in Sachen Zweisprachigkeit. In diesem Sinne distanziert sich salto.bz von Ihrem Kommentar.

Mi., 25.01.2017 - 23:09 Permalink
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Albert Hofer Do., 26.01.2017 - 00:02

Antwort auf von Christoph Fran…

Ohne Herrn Schülmers seine "rechtlichen Voraussetzungen in Sachen Zweisprachigkeit" abstreiten zu wollen, aber nachdem ich ihn mal ein deutsches Interview (Rai Südtirol, wenn ich mich recht entsinne) geben gehört habe: Wenn Schülmers' Muttersprache Deutsch sein soll, dann fress ich nicht nur einen, sondern gleich drei Besen...

Do., 26.01.2017 - 00:02 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 30.01.2017 - 18:04

Zu behaupten, dass Herr Schülmers "perfekt" Deutsch spricht, ist eine Falschmeldung, die eines Journalisten unwürdig ist. Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung und Zweisprachigkeitsprüfung sind ja lediglich bürokratische Formalitäten und sagen über die wahre Beherrschung einer Sprache nichts aus.

Mo., 30.01.2017 - 18:04 Permalink