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“Ich habe es satt!”

Auf der jüngsten Sitzung des Autonomiekonvents ist Tony Tschenett der Kragen geplatzt. Er kritisiert die Rom-Hörigkeit der drei nationalen Gewerkschaftsableger im Land.
Tony Tschenett im Konvent der 33
Foto: Screenshot/Youtube

Eigentlich stand die jüngste Sitzung des Konvents der 33 unter dem Motto “Internationale Beziehungen und Europäische Union im überarbeiteten Autonomiestatut”. Doch bevor die geladenen Rechtsexperten Esther Happacher, Renate von Guggenberg und Roberto Toniatti am vergangenen Freitag (17. Februar) ihre Ergänzungsvorschläge präsentieren konnten, kam es zu einem unerwarteten und ungeplanten Zwischenfall. Gleich zu Sitzungsbeginn bat Florian von Ach um das Wort. Er wolle gern eine Stellungnahme zu einem Dokument abgeben, das den Konventsmitgliedern am Freitag zugesandt worden war, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Südtiroler Schützenbundes.

Besagtes Dokument trägt den Titel “Konvent der 33 zur Überarbeitung des Autonomiestatutes: Gemeinsame Stellungnahme der 3 Gewerkschaftsbünde zu Themen der Arbeitsmarktpolitik”. Unterzeichnet von den jeweiligen Landessekretären für “die Südtiroler Gewerkschaftsbünde” AGB/CGIL, SGBCisl und UIL-SGK. Schon allein diese Bezeichnung hat von Ach in Rage versetzt: “Das sind nicht ‘die Südtiroler Gewerkschaften’, sondern Zweigniederlassungen italienischer Gewerkschaften. Und wenn man sich den Inhalt anschaut, wird auch klar warum die Südtiroler Gewerkschaft, die die wichtigste für die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler ist, nämlich der ASGB, nicht unterschrieben hat.” Von der zweisprachigen Schule (“nach dem Modell der Freien Universität Bozen”) über die Arbeitssicherheit (“Diskussion überflüssig”) bis hin zur Sozialfürsorge (“muss naturgemäß auf dem gesamten Staatsgebiet gleich sein”) und dem Asylrecht (“ausschließlich in der Zuständigkeit des Staates”) triefe das Dokument nur so vor missverstandenen Annahmen und “typisch zentralstaatlichem Denken”, warf der Schützenfunktionär von Ach ein. Die drei Gewerkschaften hätten nicht verstanden, dass der Konvent dabei sei, mehr Autonomie für all diese Bereichen vorzuschlagen anstatt die überbordende staatliche Bürokratie zu verfestigen, so seine Kritik. Daher sei für ihn das Dokument “insgesamt ein bedauerlicher Ausdruck zentralistischer Haltung”.

Das Thema hätte damit abgehakt sein können, säße nicht auch der ASGB-Vorsitzende Tony Tschenett höchstpersönlich im Konvent der 33. Er ließ es sich nicht nehmen, nach Florian von Ach das Wort zu ergreifen – und seinen Gewerkschaftskollegen gehörig den Kopf zu waschen. “Überarbeitung des Autonomiestatutes heißt für mich, dass die Südtiroler Wirtschaft und ihre Betriebe, aber vor allem die Arbeitnehmerschaft mehr Autonomie bekommen sollen. Aber wenn ich mir dieses Dokument anschaue, sehe ich einen kompletten Stillstand”, so der Vorsitzende, dessen Gewerkschaft die Autonomie im Namen trägt. Hörbar aufgebracht meinte er: “All diese Punkte schreien immer wieder ‘national’, ‘national’, ‘national’.” Überrascht habe ihn das Papier der anderen drei Gewerkschaften nicht, gestand Tschenett, denn: “Wenn man die anderen Kollegen kennt, weiß man, wie deren Einstellung ist.”

“Man kann uns nicht immer mit Palermo vergleichen.”
(Tony Tschenett, ASGB-Vorsitzender)

Allzu oft habe er schon miterleben müssen, wie von den nationalen Ablegern zunächst Forderungen nach mehr Autonomie gekommen seien, die dann aber zurückgezogen wurden, weil man aus Rom nicht das Ok bekommen habe. “Ich habe es satt”, polterte Tschenett, “weil inzwischen zahlen unsere Betriebe weiterhin für die Arbeitnehmer in Rom ein. Und die haben nichts davon. Das kann es nicht sein!” Aufgrund der Rom-Hörigkeit der drei anderen Gewerkschaften im Land – “sogar die Trientner Gewerkschaften haben mehr Courage” – sei der ASGB nun dabei, gemeinsam mit der lokalen Wirtschaft ein Dokument zu den drei zentralen Punkten Rentenfond, Gesundheitsfond und Welfare zu verfassen, berichtete Tschenett. Und schließlich meinte: “Ein gemeinsames Dokument aller vier Gewerkschaften? Da habe ich schon von Anfang an gesagt, dass das unmöglich ist.

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Martin B. Mo., 20.02.2017 - 21:22

"sei der ASGB nun dabei, gemeinsam mit der lokalen Wirtschaft ein Dokument zu den drei zentralen Punkten Rentenfond, Gesundheitsfond und Welfare zu verfassen": Bravo! Kämpfen kämpfen kämpfen! Mit Sonntagsreden und Gefälligkeitsdokumenten erreicht man genau 0 für die Arbeitnehmer. Erst gerade wieder einen Arbeitssicherheitskurs gemacht: es ist lächerlich wie Zertifzierungen solcher Art jedem Hausverstand spotten und den Fokus auf wahrhaft riskante Arbeitssituationen aushöhlen.

Mo., 20.02.2017 - 21:22 Permalink