Politik | Landtag

Kampf der Lügenpresse

Der Freiheitliche Obmann Walter Blaas will wissen wie die Landesregierung gegen Fake-News vorgeht. Und er schießt dabei ein formidables Eigentor.
fakenews
Foto: upi
Das Wort „Lügenpresse“ kommt in der Anfrage nicht vor.
Walter Blass drückt sich nobler aus.
Sogenannte „Fake-News“ und Falschmeldungen sind derzeit ein heftig diskutiertes Thema. Kaum eine Presseagentur oder eine öffentliche Institution ist vor Falschmeldungen oder deren Weiterverbreitung gewappnet. Immer wieder müssen Meldungen zurückgezogen oder berichtigt werden. Beispielsweise wurde vor kurzem in einigen Medien behauptet, dass die Regionalratsabgeordneten neuerdings eine Lebensversicherung erhalten würden, was nicht der Wahrheit entsprach und sich eigentlich nur auf eine Unfallversicherung beschränkte“, schreibt der Freiheitliche Obmann in einer Landtagsanfrage, die er am 10. Februar 2017 eingereicht hat.
Walter Blass will deshalb wissen, wie oft und in welchen Fällen das Landespresseamt in den vergangenen fünf Jahren Aussendungen revidieren oder richtigstellen musste? In der Anfrage heißt es:
"Wie das Landespresseamt die Richtigkeit von Meldungen überprüft? Wie oft und in welchen Fällen in den vergangenen fünf Jahren unwahr über die Landesregierung und den Landtag berichtet wurde, sodass eine Richtigstellung verlangt werden musste?
Wie oft mussten in den vergangenen fünf Jahren Falschmeldungen gegen die Landesregierung und den Landtag vor Gericht ausgefochten werden? Bitte um die Nennung der Fälle, der Inhalte und der entstandenen Prozesskosten."
 

Eine Proskriptionsliste?

 
Walter Blaas verlangt in seiner Anfrage in allen Punkten auch eine „detaillierte Auflistung und Nennung der Fälle und Inhalte.“ Was nichts anderes heißt, als eine Namensliste vom Journalisten oder Personen, die sich einer Fälschung schuldig gemacht haben.
Denn Fake News sind nach der gängigen Definition Falsch- und Fehlinformationen, die von Medien verbreitet werden. Sehr häufig über elektronische Kanäle und vor allem über soziale Medien. Sie gehen von Einzelnen oder Gruppen aus, die in eigenem oder fremdem Auftrag handeln. Es gibt persönliche, politische und wirtschaftliche Motive für die Erstellung. Algorithmen verschiedener Art und Social Bots spielen eine zentrale Rolle bei dieser Verbreitung.
 
 
Dass Walter Blaas jetzt danach fragt, „wie das Landespresseamt die Richtigkeit von Meldungen überprüft“, zeugt davon, dass der Freiheitliche Politiker wenig Ahnung von Presserecht, politischer Kommunikation und der Arbeit der Landesämter hat.
Denn es ist weder Aufgabe des Landespresseamtes Nachrichten nach ihrer Richtigkeit zu überprüfen, noch angebliche Falschmeldungen richtig zustellen. Das bleibt wenn schon den zuständigen Politikern überlassen. Ebenso mögliche Klagen vor dem Landesgericht. Es hat in den vergangenen Jahrzehnten einige wenige Fälle gegeben, wo die Landesregierung gerichtlich vorgegangen ist. Dann aber wegen schwerwiegender Diffamierung einzelner Mitglieder.
 

Operation Lebensversicherung

 
Dass es Walter Blaas aber ausschließlich darum geht, die Politikerkaste vor der bösen Presse zu schützen wird an dem Beispiel deutlich, das der Freiheitliche in seiner Anfrage anführt: Die angebliche Lebensversicherung.
Denn das ist alles andere als eine Falschmeldung:
Ende Mai 2016 erhielten die Regionalratsabgeordneten eine amtliches Email. Das Präsidium des Regionalrates fragte an, ob die Abgeordneten Interesse hätten, eine Lebensversicherung abzuschließen. Zwei Drittel der jährlichen Beiträge würde der Regionalrat übernehmen, ebenso zwei Drittel der Gesamtkosten für die Prämien – insgesamt 150.000 Euro. Bezahlt mit öffentlichen Geldern. Den restlichen Teil müssen die Abgeordneten selbst finanzieren. Bis Juni sollte die Abgeordneten ihre Zustimmung äußern. Unterzeichnet war das Schreiben von Regionalratspräsidentin Chiara Avanzo. Nach Bekanntwerden der Aktion brandete öffentlicher und politischer Protest auf. So dass man die Operation Lebensversicherung am Ende nicht mehr umsetzte.
Vor diesem konkreten Hintergrund dürfte selbst eine falsche Nennung einer Lebensversicherung (sollte es diese irgendwo wirklich gegeben haben) wohl kaum als Fake-News bezeichnet werden.
Sehr wohl aber gibt es seit Anfang 2016 die von Blaas erwähnte Unfallversicherung für jeden Regionalratsabgeordneten. Die Versicherungsprämien werden zu zwei Dritteln vom Regionalrat bezahlt und zu einem Drittel vom Abgeordneten selbst. Es gibt nur drei Regionalratsabgeordnete, die dieses Privileg nicht in Anspruch nehmen. Die beiden 5-Sterne-Abgeordneten Filippo Degasperi und Paul Köllensperger zahlen sich die gesamten Prämien selbst. Der Trentiner Claudio Cia hat die Unfallversicherung ganz abgelehnt.
So kann der Kampf gegen die Lügenpresse schon mal zum Eigentor werden.
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Profil für Benutzer Blaas Walter
Blaas Walter Do., 23.02.2017 - 14:09

Vielen Dank für diese Information Herr Franceschini.
Ich habe eine schriftliche Landtagsanfrage gestellt, weil unter diesem Begriff auf der Internetseite des Landes folgendes zu lesen ist:. "Die Anfrage mit schriftlicher Beantwortung ist das einfachste und von den Landtagsabgeordneten zum Einholen von Informationen und zur Kontrolle der Landesregierung am häufigsten verwendete Instrument: Sie besteht in der einfachen, an den Landeshauptmann oder an einen Landesrat/an eine Landesrätin gerichteten Frage, ob etwas der Wahrheit entspricht, ob der Landesregierung eine Nachricht zugekommen ist, ob die Landesregierung Beschlüsse zu bestimmten Angelegenheiten gefasst hat oder zu fassen beabsichtigt oder überhaupt im Ersuchen um Erklärungen oder Erläuterungen über die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung".
Also keine Pressemitteilung und keine öffentliche Behauptung meinerseits. Warum Sie einen Titel verwenden, um anschließend zu melden, dieses Wort käme gar nicht vor, entzieht sich meiner Logik. Weiterhin viel Erfolg und frohes Schaffen Walter Blaas

Do., 23.02.2017 - 14:09 Permalink
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Profil für Benutzer Christian Mair
Christian Mair Do., 23.02.2017 - 21:07

Fakenews: gesucht und gefunden:
Berichterstattung Homepage Konvent
"Ulrike Mahlknecht, die für die Landesabteilung Arbeit die Einhaltung des Proporzes bei den Staatsstellen überwacht, hat in der vierten Arbeitsgruppe auf die weiter bestehende Differenz zwischen zustehenden und zugewiesenen Stellen für die Minderheiten hingewiesen und vor einer Abschaffung oder Aufweichung der 1976 eingeführten Bestimmung gewarnt. In der fünften Arbeitsgruppe hat auch Jens Woelk, Professor für vergleichendes Verfassungsrecht an der Uni Trient, vor einer Aufweichung der Proporzbestimmungen, die es zum Teil schon gebe, gewarnt und die Bedeutung der Zweisprachigkeitspflicht betont." (https://www.konvent.bz.it/de/content/treffen-mit-experten-und-vorgaben-…)

Ausführungen Dr. Jens Woelk zu den Fragen Arbeitsgruppe 5 Autonomiekonvent/F100
" Eine wesentliche Frage ist, ob die Gleichgewichte, die man bei Einführung des Proporzes wiederherstellen wollte, mittlerweile erreicht worden sind? Und falls ja, sollte man deswegen auf seine Beibehaltung verzichten, ihn aussetzen oder dies zumindest in Teilbereichen tun (politische Frage)? Ist es vorstellbar, ihn bei Aussetzung im Falle des Auftretens neuer, starker Ungleichgewichte wieder einzusetzen? In der Praxis ist die sog. „flexible“ Handhabung des Proporzes seit längerem Realität (LG Nr. 40/1988 und Durchführungsverordnung dazu sowie Absatz 3 in Artikel 8 D.P.R. Nr. 752/1976). (Jens Woelk
aus https://www.konvent.bz.it/sites/default/files/atoms/files/f100_10-12-20…, S. 17)

Do., 23.02.2017 - 21:07 Permalink