Gesellschaft | Mobilität

Kein Weg für alle

Meraner Erholungssuchende können sich seit Kurzem über einen neuen Fußgängerweg freuen. Weniger erfreulich: Er ist längst nicht für alle begehbar.
Gilf-Lazag
Foto: Gemeinde Meran

Im Frühjahr 2017 ist ganz Meran in Feierlaune. Ganz Meran? Als am vergangenen Wochenende im Stadttheater der Auftakt zu den Feierlichkeiten für das 700-jährige Bestehen der Kurstadt fiel, dürfte bei Martin Telser keine Jubelstimmung aufgekommen sein. Geht es nach Bürgermeister Paul Rösch und seiner Stadtregierung, sollen alle Bürger gemeinsam 700 Jahre Meran feiern. Doch für Telser gibt es zumindest einen Grund, warum das schwer möglich sein wird.

Ausgrenzen statt verbinden

In 15 Minuten zu Fuß von der Innenstadt bis zur Lazag.” So bewirbt die Meraner Stadtverwaltung den neuen Fußgängerweg, der die Gilfpromenade mit der Naherholungszone Lazag an der Gemeindegrenze zu Tirol verbindet. 212.500 Euro hat sich die Gemeinde Meran den Weg kosten lassen. Nach jahrelanger Planung wurden die Bauarbeiten, die im Sommer 2016 begonnen hatten, vor Kurzem abgeschlossen. Seit Anfang März ist der Weg nun frei begehbar – und findet “erfreulichen Anklang”, wie die Stadtverwaltung mitteilt. Ganz und gar nicht erfreut ist allerdings Martin Telser, der der Gemeinde schwere Vorwürfe macht. “Hier ist man trotz besseren Wissens mit dem Kopf durch die Wand gegangen”, beschwert sich der Präsident des Dachverbands für Soziales und Gesundheit.

Stein des Anstoßes für Telsers Aufregung sind 81 Treppenstufen. So viele gibt es nämlich auf dem neuen Verbindungsweg zwischen Gilfpromenade und Lazag, der eine durchschnittliche Steigung von 5 bis 8 Prozent aufweist. “Noch trauen sich nur wenige FußgängerInnen, die Stufen emporzusteigen”, meldete die Stadtverwaltung kurz nach der Öffnung des Weges. Doch viele Menschen werden die Treppen wohl gar nie betreten, befürchtet Martin Telser. Denn: “Für die meisten Menschen mit Behinderungen, aber auch Personen, die sich mit dem Gehen schwertun oder im Rollstuhl sitzen beziehungsweise Mütter, Väter und Großeltern mit Kinderwagen, sind die 81 Stufen nahezu unüberwindbar.” “Leider”, fügt Telser hinzu. Er hätte sich von den Verantwortlichen in der Gemeinde Meran mehr Feingefühl bei der Planung des neuen Verbindungsweges gewünscht. Für ihn steht fest: “Wenn man als Gemeinde heute so ein Projekt in Angriff nimmt, muss von Anfang die Barrierefreiheit mitbedacht werden.” In diesem Fall seien hingegen Barrieren geschaffen und 81 Stufen errichtet worden, “die nicht verbinden, sondern ausgrenzen”.

Die Alternative ist mühsam

Die Kritik des Dachverbands für Soziales ist Heinrich Tischler bereits zu Ohren gekommen. Der Gemeinderat der Fraktion Liste Rösch/Grüne ist seit vergangenem Jahr Sonderbeauftragter für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigung. “Ich habe mit Martin Telser bereits gesprochen”, berichtet Tischler, “und ich finde es gut, dass er das Thema aufbringt, denn für viele Personen stellen diese Treppenstufen tatsächlich ein Problem dar”. Bereits im vergangenen Jahr vor Beginn der Arbeiten habe er dieses Thema angesprochen, “aber das Projekt war bereits so lange vorgeplant gewesen, dass es unmöglich war, noch etwas zu ändern”, erklärt Tischler. Noch unter der Stadtregierung von Günther Januth wurde 2014 – “also vor meiner Zeit”, betont Tischler – vorgeschlagen, einen Aufzug zu errichten. Rund 100.000 Euro hätte ein solcher Lift gekostet – und einen barrierefreien Zugang für alle zum neuen Verbindungsweg ermöglicht. “Doch es scheint kein Interesse daran bestanden zu haben”, sagt Tischler, der sich bis zuletzt für einen Aufzug stark gemacht hatte. Die Idee wurde verworfen. Jetzt, da der Verbindungsweg fertig gestellt und geöffnet wurde, sieht der Sonderbeauftragte keinen Spielraum mehr.

Alternativ zur Stiege bleibt Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nur ein Umweg, um nach Lazag zu gelangen: über den bestehenden Radweg ins Passeiertal. Dazu muss allerdings ein fünf Meter langer Anstieg mit einer starken Steigung von 12 bis 14 Prozent überwunden werden. “Darüber hinaus ist der Zugang über den Radweg deutlich länger, was gerade benachteiligten Personen zusätzliche Schwierigkeiten bereitet”, wirft die Sozialgenossenschaft Independent L., die sich für Barrierefreiheit in der Passerstadt einsetzt, ein. “Nicht ideal”, meint auch ein konsternierter Heinrich Tischler. Und für den Dachverband für Soziales und Gesundheit steht fest: “Stimmige und zeitgemäße Mobilitätskonzepte schauen anders aus.” Demnächst soll der neue Fußgängerweg zwischen Gilfpromenade und Lazag offiziell eröffnet werden. Martin Telser wird dann wohl nicht dabei sein.

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△rtim post Mo., 27.03.2017 - 11:33

Dasselbe Problem stellt sich auch für den Tiroler Steig als Zugang zum Tappeinerweg von der Altstadt aus. Dabei hätte man - so wie das in Caglieri und in anderen Städten seit Jahrzehnten funktioniert - ganz einfach einen öffentlich zugänglichen Aufzug zwischen Barbarakapelle und Stadtmuseum bis zum Käutergarten machen können.
Stattdessen hat man lieber mit enormen Kosten Treppen auf der Museumsrückseite gemacht, deren allgemeine öffentliche Nutzung und Zugang fallweise zudem nur für zahlende Museumsbesucher-innen beschränkt ist.
Hausverstand aber ist scheinbar nicht gefragt. Lieber werden teuere Fehlplanungen, Ernennungen und Sonderbeauftragungen auf Kosten der Steuerzahler-innen gemacht.

Mo., 27.03.2017 - 11:33 Permalink
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Heinrich Tischler Mo., 27.03.2017 - 16:41

Sollte Herr @RTIM unter Sonderbeauftragungen mich meinen, dann kann ich ihn beruhigen, denn alle Aktionen die ich für Menschen mit Beeiträchtigung unternehme, mache ich umsonst, auch wenn Vergütungen vorgesehen wären.

Mo., 27.03.2017 - 16:41 Permalink
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christian steiner Mi., 29.03.2017 - 10:16

Bevor wir von Aufzügen und ähnlichem reden, sollte sich die Stadt Gedanken darüber machen wie sie für Rollstuhlfahrer ein paar bezahlbare Hotelzimmer in Meran zurecht macht... Es kann doch nicht sein dass man unter 250 Euro am Tag nicht wirklich funktionierendes findet...
Den Unterschied zwischen Para und Tetraplegikern scheint man hier auch noch nicht zu kennen...
Manila und Singapur sind weit aus besser im Behindertengerechtem Tourismus als in Südtirol, überall Rampen, Busse, Aufzüge etc. die perfekt funktionieren..
Keine Polemik, nur eine Anregung zum Nachdenken..

Mi., 29.03.2017 - 10:16 Permalink