Politik | Landtag

Wo sind die Männer?

Mehr Männer für Kindergärten und Schulen, fordern die Grünen im Landtag. Eine Diskussion über Rollenbilder, Stereotype und Vorurteile.
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Brigitte Foppa ist auf Männersuche. Gemeinsam mit ihren Parteikollegen Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba hat die Grüne Landtagsabgeordnete im Landtag einen Beschlussantrag eingereicht, in dem “mehr Männer in Schule und Kindergarten” gefordert werden. Das Problem liegt für Foppa auf der Hand: “Der Bildungsbereich in unserem Land ist bis zum Ende der Grundschule fest in weiblicher Hand.” Und gerade den Jungen fehle aufgrund der Tatsache, “dass die das ganze erste Jahrzehnt ihres Lebens und teilweise darüber hinaus hauptsächlich mit Frauen zu tun haben” häufig ein männliches Leit- und Gegenbild, so die Grüne. Dass dem so ist, sei darauf zurückzuführen, dass der Lehrerberuf mit negativen Vorurteilen behaftet sei, vermutet Foppa: “Die Vorstellung von der bastelnden und malenden Lehrerin hält sich hartnäckig.”

Laut ASTAT sind 293 der insgesamt 4.017 Lehrpersonen an Südtirols Grundschulen Männer, knapp 7 Prozent. In den Kindergärten sei die Situation noch eindeutiger, sagt Foppa, “dort ist der Anteil männlicher Erzieher mit bloßem Auge kaum erkennbar”. Um daran etwas zu ändern schlagen die Grünen eine Reihe von Maßnahmen vor: eine auf Männer und Jungen abzielende Werbe- und Informationskampagne, auch “um Klischees zu korrigieren”; vermehrt Praktikamöglichkeiten schaffen; die Südtiroler Lehrerausbildung verstärkt an Bedürfnisse und Interessen männlicher Studenten anpassen; überprüfen, ob schulische Curricula und Rahmenrichtlinien zur Förderung der männlichen Präsenz in Kindergarten und Grundschule angepasst werden müssten.

“Wenn der Lehrberuf heute nicht mehr das frühere Ansehen hat, muss man sich fragen, ob das nicht so ist, weil er vor allem von Frauen ausgeübt wird.”
(Brigitte Foppa)

Am Mittwoch Nachmittag wurde der Beschlussantrag, der seit August 2016 vorliegt, schließlich im Landtag diskutiert – und erntete partei- und geschlechterübergreifend Zustimmung. Foppas Sitznachbar Dello Sbarba berichtete von seiner Schulzeit in der Toskana, wo der einzige männliche Lehrer an der Schule auch der beliebteste gewesen sei. Der “Herr Lehrer” habe früher auch ein gewisses Ansehen in der Gesellschaft gehabt, pflichtete Sven Knoll (STF) bei, heute sei das nicht mehr der Fall. Neben dem Ansehen des Berufsbildes müsse seiner Meinung nach auch an der Überwindung von Stereotypen gearbeitet werden, so Knoll. Besonders im Kindergarten seien Männer ständig mit der Gefahr konfrontiert, sich bei engem Kontakt mit Kindern gewissen Verdächtigungen auszusetzen – das hätte eine Studie in Deutschland ergeben, meinte Knoll. Als weiteren Grund, der Männer davon abhielten, den Beruf des Kindergärtners oder Grundschullehrers zu ergreifen, nannte Veronika Stirner (SVP) neben dem Rollenbild, das sich geändert habe, auch die Entlohnung. Für sie steht fest: “Wenn man die besten Lehrer haben will, muss man auch für die entsprechende Bezahlung sorgen.” Das Anliegen des Grünen Beschlussantrags sei berechtigt, merkte Ulli Mair (Freiheitliche) an, sprach sich aber dagegen aus, “dass die öffentliche Hand den Männern sagt, welchen Beruf sie zu ergreifen haben”. Gegen “Diskriminierung und Quoten” stellte sich hingegen Alessandro Urzì (Alto Adige nel cuore) – das Bild, das Foppa von der Schule zeichne, sorge ihn nicht und er sehe keinen Anlass künstlich nachzuhelfen. Dem hielt Dieter Steger (SVP) entgegen, dass das Männerdefizit in der Schule sehr wohl ein Problem sei. Aus seiner Sicht genüge es allerdings, bei den Männern um mehr Verständnis für diesen Beruf zu werben.

Die beiden Schullandesräte Philipp Achammer und Christian Tommasini boten den Grünen am Ende an, den Antrag gemeinsam mit ihnen zu überarbeiten und neu zu formulieren. Denn geschlechterspezifische Maßnahmen, wie im Antrag gefordert, seien nicht sinnvoll, solange die Kindergärtnerin als “Basteltante” und der Lehrerberuf als “zu wenig intellektuell und zu schlecht bezahlt” gesehen würden. Brigitte Foppa zeigte sich erfreut über den breiten Konsens zum Thema und über den Vorschlag, eine Arbeitsgruppe zum Thema zu bilden. Die Behandlung des Antrags wurde daher vertagt.

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Stereo Typ Do., 06.04.2017 - 17:03

Die Gehälter sind nicht niedrig. Ein Mittel- und Oberschullehrer verdient schon im ersten Jahr (mit Zweisprachigkeitsnachweis A) über 1.830 Euro netto, nach 9 bis 14 Jahren deutlich über 2.000 Euro. Dazu kommen Vergütungen evtl. für die Matura, Überstunden usw.

Do., 06.04.2017 - 17:03 Permalink
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Martin Daniel Do., 06.04.2017 - 18:13

Antwort auf von Stereo Typ

"nach 9 bis 14 Jahren deutlich über 2.000 Euro" stimmt so nicht: in manchen monaten knapp über 2.000, im sommer 1.300, das 13. entsprechend reduziert und ohne landeszulage, 14. (in privatwirtschaft - z.b. handel, banken, industrie - weit verbreitet) keines, abfertigung nur auf staatl.grundgehalt (ca.60% des lohnes) berechnet. durchschnittliches monatsgehalt bei 13 gehältern mit 2-sprachigkeit u. ohne matura (haben viele nicht) ~ 1.800 netto => weniger als ein lokführer, die laut eigenen aussagen in ff 1.900-2.000 netto erhalten, bei vergleichbarem dienstalter und mit matura.

Do., 06.04.2017 - 18:13 Permalink
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Sylvia Rier Do., 06.04.2017 - 20:40

Ich habe den Eindruck, hier denkt sich keiner was dabei, wenn er sagt (und liked...), es müssten nur die Gehälter erhöht werden, dann kämen die Männer von alleine?! Traurig traurig. Ähnliches habe ich ich schon vor ein paar Jahren in einem Artikel in der Süddeutschen zum gleichen Thema gelesen, fand es damals und finde es nach wie vor schockierend:

"Es ist nicht leicht, Jungs für den Job zu gewinnen. Er ist dramatisch unterbezahlt, Kinderpfleger verdienen zwischen 1500 und 2100 Euro brutto im Monat. Der Job bietet, abgesehen von der Aussicht auf eine Kita-Leitung, kaum Aufstiegschancen. Dass der Beruf des Erziehers attraktiver werden muss, geben sie sogar beim Familienministerium zu. Zitat aus einer Broschüre des Ministeriums: »Die drei- bis fünfjährige unbezahlte Ausbildung für den Beruf ist alles andere als attraktiv. Auch das ist ein Grund, warum besonders Männer sich gegen diesen Beruf entscheiden. Gerade angesichts des enormen Stellenwerts dieser Ausbildung für die Gesellschaft muss hier nachgebessert werden."

Wie lange schon üben Frauen diesen Beruf aus? Und bisher will niemandem aufgefallen sein, dass das Berufsbild wenig attraktiv ist, und die Löhne zu gering? Und nicht einmal einemFamilienministerium ist es zu blöd, sich über "den enormen Stellenwert dieser Aussbildung" bzw. die geringe Attraktitivät des Berufsbildes erst dann bewusst zu werden bzw. Gedanken zu machen, wenn Männer für es geworben werden sollen?! Geht's noch?

Do., 06.04.2017 - 20:40 Permalink
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gorgias Do., 06.04.2017 - 22:01

Antwort auf von Sylvia Rier

Ich weiß jetzt wirklich nicht was Sie für ein Problem haben mit meiner Aussage. Die Frage war nicht ob der Beruf des Lehrers und Frühpädagogen unterbezahlt ist, sondern wie man den Männeranteil dieser Berufsgruppe heben kann.
Für Männer ist Gehalt und Karriere machen wichtiger als für Frauen, die ihren Beruf nach persönlichen Vorlieben aussuchen. Für Männer ist ein niedriges Gehalt ein Knock Out Kriterium. auch wenn persönliche Vorlieben vorhanden wären.
Würden Frauen so wie Männer denken bei der Berufswahl würden automatisch auch die Gehälter steigen.

Ich finde es traurig dass Sie nicht fähig sind Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen und die Verantwortung für die Konsequenzen selbst dafür zu übernehmen.

Niemand wird hineingetrickst in diesem Beruf. Frauen sollen mehr naturwissenschaftliche oder Ingenieursberufe studieren die werden heutzutage ja mit offenen Armen genommen, wegen der Polical Correctness, und können dort auch mehr verdienen als ihre männlichen Kollegen.

Do., 06.04.2017 - 22:01 Permalink
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Michael Bockhorni Fr., 07.04.2017 - 09:33

Antwort auf von gorgias

solange vom Mann erwartet wird, dass (hauptsächlich) er die Familie ernährt, braucht er auch den entsprechenden Verdienst. Männer die in einer Partnerschaft weniger verdienen als die Frauen, die sich für (mehr) Haushalt bzw. Familie entscheiden und weniger auf berufliche Karriere achten, werden zwar ständig gefordert, in der Praxis von der Gesellschaft und selbst von den Frauen oft schief angeschaut. Da liegt noch ein langer Weg vor uns. Inzwischen ganz praktisch ein Link zur Initiative: Mehr Männer in Kitas: http://www.koordination-maennerinkitas.de.

Fr., 07.04.2017 - 09:33 Permalink
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Martin Daniel Fr., 07.04.2017 - 08:09

Tatsache - von der auch Brigitte Foppa ausgeht - ist, dass der Lehrberuf nur mehr wenig soziales Ansehen hat. Das dürfte aber nicht daran liegen, dass er v.a. von Frauen ausgeübt wird (was mir eine fast paranoide Vergenderung erscheint, für Schüler aber sehr wohl von Bedeutung ist), sondern an der veränderten Haltung der Eltern, die (siehe diverse Spiegel-Artikel über Helikoptereltern) überbehütend ihre Kinder ab der Kita im Wettstreit um die besseren Jobs sehen und auf die Schule immer mehr Druck ausüben. Über einzelne Bewertungen versuchen sie ebenso Einfluss zu nehmen, wie über Zeugnisnoten, Versetzungen und Zulassungen zur Abschlussprüfung. Sie schreiben ihnen z.T. Hausarbeiten, die benotet werden und nehmen sie bei disziplinarischen Maßnahmen grundsätzlich in Schutz. Sie beklagen sich, wenn vorübergehend dauerhaft in Betrieb gehaltene Handys abgenommen werden und kreuzen bei negativem Jahresabschluss in der Direktion auf. Kein Wunder, dass auch Schüler immer häufiger bei negativer Bewertung zum Direktor laufen oder um die Benotung feilschen wollen. Der politische Wille in Rom stärkt ihnen dabei den Rücken, denn die Vorgaben gehen seit Jahren in Richtung: Kein Sitzenbleiben mehr (in Grundschule bereits Realität), auch mit negativen Noten alle zur Abschlussprüfung zulassen (gestern für Mittelschulprüfung vorgesehen, für Matura vorerst zurückgenommen), Noten abschaffen (seit einigen Jahren im Gespräch). Wenn man zudem die zunehmende Praxis der (angedrohten und eingebrachten) Rekurse (sogar über die exakte Höhe der Maturapunkte 98 oder 100) betrachtet, die aufgrund stark gestiegener bürokratischer Vorgaben aussichtsreicher geworden sind, und Lehrern mitgeteilt wird, sie würden bei verlorenen Rekursen ggf. vermögensrechtlich haften, welchen Respekt werden Familien den Lehrpersonen entgegenbringen?

Fr., 07.04.2017 - 08:09 Permalink