Umwelt | Dolomitenpässe

"Wir werden noch darüber lachen"

Am Mittwoch startet unter dem Slogan „Dolomites Vives“ das Experiment Sperrung der Dolomitenpässe. Während Michil Costa „Chapeau“ ruft, werden anderswo Rekurse geplant.
Dolomiten Sellajoch
Foto: Sueditrol foto

Für Südtirols Umweltlandesrat ist der morgige Mittwoch ein Festtag – selbst wenn Richard Theiners Telefon in diesen Tagen nicht aufhört zu klingeln. „Es gibt immer noch genügend Menschen, die mir sagen, lasst den Blödsinn“, erzählt der Landesrat, „doch mindestens genauso viele rufen an, um zu sagen: Danke, endlich passiert etwas Konkretes.“  Konkret wird ab dieser Woche an acht Mittwochen bis Ende August mit dem Sellajoch der erste Dolomitenpass auch außerhalb von großen Sportereignissen gesperrt: „Dolomitesvives“ ist der Markenname, unter dem der gemeinsame Vorstoß von drei Provinzen und zwei Regionen für eine nachhaltige Mobilität im Gebiet des Unesco-Weltnaturerbes läuft. Zum Auftakt rührt in dieser Woche Dolomiten-Botschafter Reinhold Messner die Werbetrommel für die Initiative. Doch auch an den kommenden Mittwochen wird Besuchern, die den beliebten Pass auf dem Rad, zu Fuß, oder mit öffentlichen oder privaten elektrisch betriebenen Fahrzeugen erklimmen, ein breites Rahmenprogramm aus Musik, Kulinarik und Tradition geboten, bevor dann im Herbst auf Basis einer umfassenden Evaluierung über das weitere Vorgehen entschieden wird.

"Meine persönliche Überzeugung ist: Je öfter die Dolomitenpässe für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren geschlossen sind, desto besser“, bekennt Richard Theiner jetzt schon. Doch wie der Umweltlandesrat nach den harten Kämpfen der vergangenen Jahre meint: „Wir leben nicht in Putins Reich, wo einer sagt, was passiert. Es braucht halt auch einen Grundkonsens.“ Der sei nun entgegen anhaltender Widerstände mit dem Pilotprojekt am Sellajoch erst einmal erzielt worden – nicht nur dank Einigkeit innerhalb der Südtiroler Landesregierung, sondern vor allem dank des Zusammenspiels mit seinem Trentiner Amtskollegen Mauro Gilmozzi, unterstreicht Theiner. „Denn wenn es da keine Übereinstimmung gibt, wird man gegeneinander ausgespielt“, sagt er. Selbst nachdem Rom den beiden Provinzen in einer eigenen Durchführungsbestimmung grünes Licht dafür gegeben hatte, auf den Pässen nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch zum Schutz der Umwelt und Gesundheit Verkehrsbeschränkungen einzuführen. 

"Wenn wir auf den Dolomiten-Pässen von diesem porno-alpinen Tourismus wegkommen wollen, der von akustischer Verschmutzung und Ducati-Rennen geprägt wird, ist das der einzige Weg“.

Was für den Dachverband für Natur und Umwelt angesichts der Blechlawinen, die sich auch diesen Sommer über die landschaftlich spektakulären Pässe wälzen werden, dennoch nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein ist,  entlockt anderen Umweltpäpsten gar eine politische Verneigung. „Jetzt ändert sich endlich etwas“, frohlockt der Gadertaler Hotelier Michil Costa. „Und man muss sagen, dass die Politik diesmal vorangegangen ist.“ Chapeau für Richard Theiner & Co., tönt Costa im Vorfeld des Auftakts am Mittwoch, dem er auf seinem alten Bismarck-Hochrad beiwohnen wird. „Sie haben wirklich großartige Arbeit geleistet und diese Sperre durchgeboxt.“ Und zwar um fünf vor 12, wie Costa unterstreicht. „Wenn wir auf den Dolomiten-Pässen von diesem porno-alpinen Tourismus wegkommen wollen, der von akustischer Verschmutzung und Ducati-Rennen geprägt wird, ist das der einzige Weg“, predigt Costa. Nicht als Pfarrer, sondern als Homo oeconomicus, wie er meint. „Uns laufen die Leute davon, ob Radfahrer oder Bergsteiger, weil es einfach zu laut ist“, sagt er. Deshalb sei der neue Weg, der nun mit dem Pilotprojekt eröffnet würde, nicht nur aus ökologischer Sensibilität, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht ein Gebot der Stunde. 

Geplanter Rekurs

Ganz anders wird dies nach wie vor bei den erbittertsten Gegnern einer Passschließung, dem 2006 gegründeten Komitee für den Schutz der Dolomitenpässe gesehen. „Es wird so sein, dass im Jahr 2040 nur mehr E-Fahrzeuge in den Dolomiten  verkehren, doch heute haben wir nun einmal den Tourismus, den wir haben – und der ist nicht mit improvisierten Maßnahmen zu schädigen“, wettert Sprecher Osvaldo Finazzer. Knapp 80 Betriebe mit mehr als 230 Mitarbeitern stehen hinter der Interessensgemeinschaft, die laut Finazzer derzeit an einem Rekurs gegen das Pilotprojekt arbeitet. Gründe dafür sehen die Gegner einer Passschließung jede Menge. „Die Schließung wurde offiziell erst am 30. Juni beschlossen“, kritisiert der Hotelier unter anderem. „Doch unsere Tagegäste buchen ihre Reise vielfach schon im Dezember – und müssen nun an allen Mittwochen statt ihrer Traumroute komplizierte Umwege hinnehmen.“ Gerade deswegen richtet die Pass-Sperre laut Vinazzers Überzeugung weit mehr Schäden und Luftverschmutzung an als ein normaler Verkehrstag auf dem Sellajoch. Warum wurden in den vergangenen Jahren nicht mehr Verkehrskontrollen auf den Dolomitenstraßen durchgeführt, warum hat man nicht einfach in beliebten Auto- und Motorzeitschriften in Deutschland oder Italien dafür sensibilisiert, dass Tempo- und Lärmbeschränkungen in den Dolomiten eingehalten werden müssen, fragt der Sprecher des Komitees für den Schutz der Dolomitenpässe. „Man wollte eben partout eine Sperre durchpeitschen“, ist er überzeugt, Die bedrohe aber nicht nicht nur die wirtschaftliche Aktivität auf den Pässen, sondern auch den Fluss und Austausch zwischen den ladinischen Tälern. Neben inhaltlichen Unwahrheiten in der Begründung der Pass-Sperre wirft das Komitee der Politik vor allem eine mangelnde Einbeziehung vor. „Seit zehn Jahren bringen wir Vorschläge und warnen vor voreiligen Maßnahmen – doch berücksichtigt wurden wir nie“, beklagt Osvaldo Finazzer.

"Wir leben nicht in Putins Reich, wo einer sagt, was passiert. Es braucht halt auch einen Grundkonsens.“

„Das große Problem ist, dass viele Kollegen und natürlich auch der HGV null touristische Intelligenz haben, die sollten einfach den Beruf wechseln“,  reagiert Michil Costa auf solche Äußerungen. Vor allem HGV-Präsident Manfred Pinzger wirft der Hotelier dabei eine viel zu schwammige Positionierung vor. „Natürlich sind viele gegen solch eine Sperre, doch wenn man eine bestimmte Stellung in Leben hat, muss man auch ein klares Konzept verfolgen statt immer nur diplomatisch zu sein“, so Michil Costas Botschaft an die HGV-Zentrale. Wohin der Trend führt, hat laut ihm erst am vergangenen Wochenende der Maratona dles Dolomites bewiesen. 60.000 Übernachtungen und 12 Millionen Euro Umsatz beschere das mittlerweile legendäre Radrennen über die Dolomitenpässe – neben ebenfalls für den motorisierten Verkehr gesperrten Straßen. Für die hatte Costa bereits vor 20 Jahren gekämpft. „Damals hat man mich im Dorf ausgelacht, als ich forderte, dass während der Maratona keine Autos und Motorräder zirkulieren dürfen“, erzählt er. Drei Jahre lang habe er für seinen Traum gekämpft, mit unzähligen Besuchen bei Quästoren und Präfekten in allen drei Provinzen, bis das erste Radrennen ohne Autos stattfinden konnte. „Weil das damals eine solche Neuheit war, hat uns die RAI gleich einmal eine Live-Übertragung von sechs Stunden gewidmet“, erinnert er sich.

„Ich bin überzeugt, dass wir in einigen Jahren über die aktuellen Diskussionen noch lachen werden – und genau die, die heute am stärksten gegen die Sperren sind, in die Gegenrichtung argumentieren werden“, meint Landesrat Richard Theiner. Auch er beruft sich dabei auf Erfahrungen mit umstrittenen Projekten in der Vergangenheit. „Bei der Wiederinbetriebnahme der Vinschger Bahn gab es damals nicht nur Widerstand im Tal“, erinnert er sich. „Unter den vielen hartnäckigen Gegnern war beispielsweise auch der damalige HG-Direktor Christoph Engl, der die Trasse für einen Radweg nutzen wollte“, erinnert der Landesrat. Sein Credo: „Bei solchen Projekten ist es wichtig, dass man davon überzeugt ist und einen langen Atem hat.“  Den wird es trotz der ersten Verschnaufpause wohl auch in den kommenden Jahren noch brauchen. 

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Sigrid Pernthaler Sa., 08.07.2017 - 18:10

Liebe Hau-Ruck-Touristiker! Einfacher wäre es, ein paar E- und H2-Busse zu organisieren als gegen eine Notwendigkeit der Zeit zu kämpfen. Wenn es auf den Bergen nur mehr knattert und stinkt, werden die Leute es vorziehen, die Dolomiten im Internet zu besuchen. Ein sanfter Natur- und Kultur-Tourismus könnte unsere Südtiroler Luxus-Spezialisation werden.

Sa., 08.07.2017 - 18:10 Permalink
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Oskar Egger Sa., 15.07.2017 - 09:56

Vielleicht ist an dieser Stelle auch an das sanfte Einatmen von Chemikalien zu denken, die unsere Bauern in der Atemluft verteilen.

Sa., 15.07.2017 - 09:56 Permalink