R.D. sagt von sich selbst, “ein heimatverbundener Mensch” zu sein. “Heimische Werte und Traditionen” sind dem Österreicher wichtig. Daher hat er auch nicht lange gezögert, als er auf Facebok gelesen hat, dass laut “Infos von dort” am Brenner “massenweise Busse mit Asylwerbern nach Österreich” gebracht werden. Angeblich. Denn die Meldung ist eine Fake News. Dennoch teilt auch R.D. besorgt den Facebook-Post, in dem von “37 Bussen mit Schwarzafrikanern” berichtet wird, die “in einer Stunde angekarrt” worden seien. Wie Tausende andere auch. In Windeseile verbreitet sich die “nicht offiziell bestätigte Eilmeldung” auf Facebook. Auf Twitter übersetzt ein Online-Magazin die Behauptungen ins Englische und meldet, es kämen 1.850 Flüchtlinge pro Stunde über den Brenner. Offizielle Stellen dementieren umgehend und entschieden. Doch einmal ins Rollen gebracht, ebbt die Welle der Empörung nicht ab.

“Weder wahr noch gut erfunden” nennt das österreichische Innenministerium die Mär von den Bussen voller Afrikaner am Brenner. Seit ein paar Tagen kursieren die wildesten Behauptungen im Netz. Was sogar die Faktenfinder-Redaktion der ARD-Tagesschau dazu veranlasst hat, dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Man fragt beim Tiroler Landeshauptmann nach, beim Südtiroler Caritas-Direktor Franz Kripp. Schnell ist klar, dass es sich bei der Nachricht um eine Falschmeldung handelt.

Das zeigt auch die Berliner Morgenpost auf, die sich auf Spurensuche begeben hat. Unter anderem bei einer Tankstelle am Brenner. Dort sagt ein Mitarbeiter: “Dutzende Busse nachts um 3 Uhr? Wenn es einer mitbekommen würde, dann wir. Heuer ist doch gar nichts los, es sind doch kaum Flüchtlinge unterwegs.”

Franz Kompatscher kann das bestätigen: “So wenig Menschen wie heuer sind schon lange nicht mehr über den Brenner nach Tirol. Zehn bis zwanzig am Tag sind schon viel. Und wenn sie kommen, dann mit dem Zug und nicht mit Bussen.” Auch bei ihm hat die ARD nachgefragt, berichtet der Bürgermeister der Gemeinde Brenner: “Ich habe keinen solchen Bus gesehen.” Im Gespräch mit salto.bz zeigt er sich fassungslos: “Es ist nicht zu glauben, was heutzutage alles passiert. Wir schwimmen auf der Trump-Welle.”
Dass man den eigenen Augen am besten trauen kann, beweist auch der Grüne Parlamentarier aus Tirol, Georg Willi: “Hab heute am Brenner recherchiert”, schreibt er am Montag auf Twitter. Nach einem Besuch bei der Polizei in Steinach meldet er: “Alles ruhig!”

Hab heute am Brenner recherchiert. Alles ruhig! Was die Süddeutsche bildlich darstellt, deckt sich mit meinen Beobachtungen. pic.twitter.com/XNnj14VPw4

— Georg Willi (@DenGeorgWilli) 24. Juli 2017

Doch die Gerüchte verbreiten sich weiter. Am Dienstag Nachmittag bittet das österreichische Innenministerium, ebenfalls über Twitter, die Falschmeldungen zu illegalen Personentransporten nach Tirol nicht mehr zu teilen.

Richtigstellung: Falschmeldungen zu illegalen Personentransporten nach #Tirol entsprechen keinesfalls der Realität. Diese bitte nicht teilen

— BM.I (@BMI_OE) 25. Juli 2017

R.D. hat den Post inzwischen wieder gelöscht, “nachdem ich diesen Zustand nicht bestätigen kann”. Geläutert scheint R.D. nicht zu sein: “Ich persönlich glaube einigen Zeugenaussagen”, schreibt er auf Facebook, “aber ohne Beweise ist nichts auszurichten”. Andere teilen die Falschmeldung von den Flüchtlings-Bussen am Brenner – trotz aller Widerlegungsversuche – fleißig weiter.
Warum? Ein Kommunikationswissenschaftler der Universität Mainz erklärt im Gespräch mit deutschen Medien: Bei manchen Menschen nützt jede offizielle Dementi, jeder noch so gründliche Faktencheck nichts: “Zum einen setzt bei einer solchen Geschichte ein ‘Truth-Effekt’ ein – wenn man sie bei verschiedenen Quellen bereits gehört hat, erscheint es plausibel. Auch wenn da einer vom anderen abgeschrieben hat. Dazu kommt, dass in Kreisen mit einem elitenkritischen, leicht verschwörungstheoretischen Weltbild, eine solche Geschichte zu dem passt, was sie denken. Es entspricht ihrer Erwartungshaltung.”