Gesellschaft | Mehrsprachigkeit

Wir sprechen Deutsch

In der SVP wird weiter über sprachliche Schutzwälle für deutsche Kindergärten diskutiert. Der jüngste Vorstoß: eine rigoros auf Deutsch beschränkte Kommunikation.
Elterngespräch
Foto: Facebook

Neues Futter für die Diskussion über die sprachlichen Schutzmaßnahmen für deutsche Kindergärten in Bozen, Meran und Leifers. „Udienze solo in tedesco per i genitori italiani“ titelt die Tageszeitung Alto Adige am Montag zum Start einer weiteren Beginn einer heißen Sommerwoche. Und berichtet über einen rund um das Maßnahmenpaket diskutierten Vorschlag der SVP, nach dem die Kommunikation mit den Eltern in deutschsprachigen Kindergärten nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich rigoros auf Deutsch beschränkt werden soll.  Als überzeugte Fürsprecherin dieses Schrittes äußert sich die Bozner Stadträtin Sylvia Hofer, die zugleich Mitglied der SVP-Arbeitsgruppe zu diesem heiklen Thema ist. „Südtirols Familien verlangen von uns, dass wir handeln“, sagt sie. Schließlich garantiere ihnen das Autonomiestatut Kindergärten in der eigenen Muttersprache. „Doch welche Sprache wird wohl gesprochen, wenn Kindergartengruppen in extremen Fällen aus zwei deutschen, acht italienischen und zehn Kindern mit Migrationshintergrund bestehen“, fragt sie. Darüber hinaus könne man so endgültig mit der Haltung mancher Eltern aufräumen, dass es für das Erlernen der Zweitsprache ausreiche, ihre Kinder ohne Begleitung von zu Hause in das deutschprachige Bildungssystem einzuschreiben.

Wie praxisnah ein solcher Vorschlag unabhängig von sonstigen rechtlichen Bedenken, wie dem Recht auf Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen in der eigenen Landessprache atsächlich ist,  hat vergangene Woche im salto-Interview die Burggräfler Kindergärtnerin und KAS-Präsidentin Sudabeh Kalantari Lun verdeutlicht. „Völlig utopisch“ sei die gesetzliche Vorgabe, nur Deutsch zu verwenden, hat die Kindergärtnerin dort gemeint.   „Versuche ich Eltern etwas auf Deutsch zu erklären – was nächste Woche mitzubringen ist oder dass ein freier Nachmittag ansteht –, schieße ich mir selbst ins Knie. Weil sie mich nicht verstehen. Daher muss ich es zwangsläufig auf Italienisch erklären.“

Doch in Zeiten von Donald Trump haben einfache Lösungen von komplexen Problemen eben auch in Europa politische Hochkonjunktur. Ob am Brenner oder in den Bildungseinrichtungen des Landes. 

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Harry Dierstein Mo., 31.07.2017 - 12:00

Es kann und wird hierzu keine rot-weiß-rote Lösung geben. Solange die (allermeisten) Südtiroler Einheimischen die deutsche Schriftsprache mit ihrem südbairischen Dialekt gleichsetzen bzw. verwechseln, werden weder Italiener noch Migranten in der Lage sein, die viel schwerer zu erlernende deutsche Sprache im Alltagsgebrauch anzuwenden und sie müssen (!) deshalb zwangsläufig auf das Italienische ausweichen.
"Der Italiener“ bzw. Migrant wird die deutsche Sprache nicht besser erlernen können, wenn er weiterhin kaum jemanden findet, mit dem er sich auf Hochdeutsch unterhalten kann. Und "der Südtiroler“ wird Hochdeutsch ebenfalls niemals anständig lernen, solange die Patrioten der Südtiroler Freiheit oder von den Schützen oder vom Heimatbund ihm einreden, dass das, was er spricht, ja bereits deutsch sei, obwohl es das eben eigentlich nicht ist.

Mo., 31.07.2017 - 12:00 Permalink
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Harald Knoflach Mo., 31.07.2017 - 22:46

Antwort auf von Harry Dierstein

1. ich glaube, dass den (allermeisten) südtiroler einheimischen der unterschied zwischen ihrem südbairischen dialekten und der standardsprache durchaus bewusst ist. für so blöd würde ich den großteil der menschen hier im land nicht halten.
2. gibt es irgendwelche studien, die belegen, dass deutsch wesentlich schwieriger zu erlernen ist als andere sprachen - italienisch zumal - oder wird einfach das "deutsche sprache, schwere sprache"-stereotyp strapaziert?
3. wieso "müssen" sie auf italienisch ausweichen? ich bin in einer umgebung aufgewachsen, in der 25 prozent der bevölkerung türkischstämmig sind und kaum ein (einheimischer) mensch standarddeutsch, sondern freilich dialekt spricht. der großteil der zuwanderer hat dennoch sehr akzeptabel deutsch gelernt. alles genies, nehm ich an.
4. gibt es belege dafür, dass "der südtiroler" die standardsprache nicht beherrscht bzw. schlechter beherrscht als der durchschnitt der bevölkerung in anderen regionen im deutschsprachigen raum oder argumentieren wir hier auf basis von bauchgefühlen?
5. die südbairischen dialekte, die in südtirol gesprochen werden, sind nicht standardsprache - ein no-brainer. so wie auch bei einem großteil der menschen im restlichen deutschen sprachraum die standardsprache nicht die "erstsprache" ist. aber dass die südbairischen dialekte - wie auch die anderen hochdeutschen dialekte - "eigentlich nicht deutsch" seien, ist eine hanebüchene feststellung.

Mo., 31.07.2017 - 22:46 Permalink
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Harry Dierstein Di., 01.08.2017 - 11:26

Antwort auf von Harald Knoflach

Gibt es Studien darüber, ob es leichter ist Minigolf zu lernen oder Golf? Ob es leichter ist, ein Spiegelei zu kochen oder Hirschgulasch? Dass es viel einfacher ist, Englisch zu lernen als Finnisch?

Wahrscheinlich bzw. hoffentlich gibt es keine Studien darüber, denn bei offensichtlichen Sachverhalten hilft es meistens, auf seine Lebenserfahrung bzw. den Hausverstand zurückzugreifen bzw. mit offenen Augen durch die Welt zu gehen oder noch viel besser: mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen schlichtweg zu reden.

Di., 01.08.2017 - 11:26 Permalink
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Harald Knoflach Di., 01.08.2017 - 19:23

Antwort auf von Harry Dierstein

@dierstein
eben. ob etwas schwierig oder leicht ist, ist subjektiv und relativ. ich vermute, dass viele holländer leichter deutsch als italienisch lernen, während ein spanier wohl schneller italienisch drauf hat als deutsch. so "offensichtlich" ist es also nicht, dass deutsch notwendigerweise schwieriger zu lernen ist als italienisch. das hängt eben von zu vielen faktoren ab. des weiteren muss man auch die verschiedenen levels berücksichtigen. bei manchen sprachen fällt es vielen menschen leicht, ein grundlegendes verständigungsniveau zu erreichen (dazu muss ich nicht unbedingt fit in sachen casus und tempus sein, ergo ist es relativ wurscht wieviele es davon gibt), während die "meisterstufe" sehr schwierig ist. bei anderen sprachen/menschen ist es umgekehrt.
ad hausverstand: https://www.youtube.com/watch?v=7wzuDr9VaFM (vorsicht, ist im dialekt)

Di., 01.08.2017 - 19:23 Permalink
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Christoph Moar Di., 01.08.2017 - 12:00

Antwort auf von Harald Knoflach

"so wie auch bei einem großteil der menschen im restlichen deutschen sprachraum die standardsprache nicht die "erstsprache" ist"

Echt?
Ich stimme dir sicherlich zu, dass die deutsche Standardsprache Mitte letzten Jahrhunderts von den meisten Bewohnern des deutschen Sprachraumes (insbesondere im niederdeutschen Sprachraum) eher als fremde Sprache empfunden wurde. Aber heute, so scheint mir, redet man nur mehr in der Schweiz, in Westösterreich, in Südtirol und in Bayern dialektal geprägt. Das entspricht nicht dem Großteil der Menschen im restlichen deutschen Sprachraum. Siehst du das anders?

Was die (relative) Schwierigkeit der Deutschen Sprache angeht - dir fallen sicher Unterschiede auf, wie die Geschlechter der Wörter (Die Rübe ist weiblich, das hübsche Mädchen nicht: lies mal Mark Twains Aufsatz über "die Schrecken der deutschen Sprache"), oder die unregelmäßigen Flexionen, die Reihenfolge der Wörter, die Pluralendungen, kompliziertere Satzgefüge, etc. Zu behaupten, alle Sprachen seien gleich schwer, ist sicher nicht zielführend. Vielleicht ist Mandarin ja noch viel schwerer zu lernen als Deutsch ;)

"gibt es belege dafür, dass "der südtiroler" die standardsprache nicht beherrscht bzw. schlechter beherrscht als der durchschnitt der bevölkerung in anderen regionen im deutschsprachigen raum oder argumentieren wir hier auf basis von bauchgefühlen?"

Nein, das glaube ich zum Beispiel auch nicht. Wahrscheinlich ist der Südtiroler weniger geübt im Einsatz der Standardsprache, das lässt sich empirisch nachweisen.

Zum Rest natürlich - durchaus Zustimmung.

Di., 01.08.2017 - 12:00 Permalink
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Harald Knoflach Di., 01.08.2017 - 19:37

Antwort auf von Christoph Moar

@moar
was wir im moment beobachten können ist eine schrittweise nivellierung der starken dialekte hin zu "überregionalen umgangssprachen", die sich mitunter stark an die standardsprache anlehnen. ich hab jetzt ad hoc leider keine statistik gefunden, aber die standardsprachenmuttersprachler sind bestimmt eine minderheit. geh mal die landkarte in gedanken durch, und überleg, wo die leute überall isch, ik oder i statt ich sagen.

https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article13753190/Wir-spreche…

p.s.: mandarin kennt soweit ich weiß kein tempus, kasus, genus und numerus. es müsste also eine total einfache sprache sein :-)

Di., 01.08.2017 - 19:37 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Daniel
Martin Daniel Mo., 31.07.2017 - 21:17

"... sonstigen rechtlichen Bedenken, wie dem Recht auf Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen in der eigenen Landessprache"- wie können dt.sprachige
Bildungsangebote für Eltern u. Kinder, die kein Deutsch verstehen, Dienstleistungen in der eigenen Sprache darstellen? Sind da Fälle gemeint, in denen jemand sich einer Sprachgruppe zugehörig erklärt, deren Sprache sie/er nicht spricht?

Mo., 31.07.2017 - 21:17 Permalink
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Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher Di., 01.08.2017 - 10:30

Ich wäre dafür, dass man in Deutschen Kindergärten und in der Grundschule, den Eltern anderer Sprache verbindlich Sprachkurse und -Training anbietet. So könnten die Kinder zu Hause mit den Eltern gemeinsam üben.
Mein Vorschlag, den ich noch besser finde, ist, gemischtsprachige Sektionen mit zweisprachigem Personal und einer darauf abgestimmten Pädagogik anzubieten. Ebenfalls mit Sprachlernprogrammen für die Eltern. Sicher gibt es immer Eltern-(teile), die nicht die Zeit dazu finden. Vielleicht mit Hilfe von modernen Medien??

Di., 01.08.2017 - 10:30 Permalink