Politik | Wahlkampf

Das Wolfsgeheul

Der Freiheitliche Obmann Andreas Leiter Reber stellt sich geschickt hinter den Wolf-Alarmruf des Bauernbundes. Damit erhöht man den Druck auf Arnold Schuler und die SVP.
Arnold Schuler ist nicht zu beneiden.
Vergangene Woche bei einer Aussprache mit betroffenen Bauern wurde es in seinen Amtsräumen richtig laut. Einer der anwesenden Bauern schlug so heftig auf den Tisch ein, dass man in der Rittnerstraße auch Tage danach noch von der Erschütterung spricht. „Bei diesem emotionalen Thema, darf es schon mal laut werden“, gibt sich der Landesrat später vor der Presse durchaus gelassen.
Arnold Schuler befindet sich seit Wochen - wie es in einer italienischen Redensart heißt - zwischen Hammer und Amboss. Der Landesrat für Landwirtschaft ist der erste institutionelle Blitzableiter, wenn es um den Aufreger des Sommers geht. Zuerst war es nur der Bär, inzwischen sind es aber noch mehr die Wölfe, die Südtirols Almlandwirtschaft nachhaltig bedrohen. Gerissene Schafe, Ziegen und jetzt anscheinend auch Kälber haben zu einer Panikstimmung unter Südtiroler Almbauern geführt.
Als zuständiger Landesrat wird dabei vor allem Arnold Schuler in die Mangel genommen. Dem SVP-Landesrat, der die Sorgen und Ängste der Bauern durchaus nachvollziehen kann, sind dabei die Hände gebunden. Gesamtstaatliche und europäische Programme lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen einfach aufkündigen oder abändern.
Längst wird diese Panikstimmung politisch und medial ordentlich angefacht. Am vergangenen Wochenende hat Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner mit einem Kommentar auf der ersten Seite in den Chor der Entrüsteten eingestimmt. „Die Regierenden dürfen sich nicht hinter der EU-Bürokratie verstecken (siehe Aussagen Schuler/Spagnolli auf Seite 11)“, dekretiert Ebner, der als Schafzüchter auch in eigener Sache spricht.
Fast gleichzeitig erhob auch der mächtige Südtiroler Bauernbund seine Stimme. „Die Politik muss bei den Großraubtieren die Notbremse ziehen, machen Bauernbundobmann Leo Tiefenthaler und Direktor Siegfried Rinner Druck auf die Landesregierung und auf Schuler.
Es ist kein Zufall. Denn mit dem Thema Wolf und Bär hat man längst den Wahlkampf zu den Landtagswahlen 2018 eröffnet.
 

Der Bauernbund

 
Das Verhältnis Bauernbund - Arnold Schuler ist seit vielen Jahren getrübt. Der Plauser Bauer wurde gegen den Willen der amtierenden Bauernbund-Führung zum Landesrat für Landwirtschaft gekürt. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat man zwar gute Miene zum bösen Spiel gemacht, abfinden will man im sich im mächtigsten Südtiroler Interessenverband mit dieser Personalie aber nicht.
Das zeigt auch die geplante Urabstimmung innerhalb des SBB. Die Bauernbundführung will damit jene Landtagskandidaten ermitteln, die vom Verband im November 2018 unterstützt werden. Arnold Schuler wird sich dieser SBB-Vorwahl nicht stellen. Damit ist von vornherein klar, dass Schuler der ersten amtierende Landwirtschaftslandesrat sein wird, der bei seiner Wiederwahl ohne die Unterstützung des Bauernbundes auskommen muss.
Das Thema Bär und Wolf eignet sich jetzt bestens, den politischen Druck auf den ungeliebten Landesrat nochmals zu erhöhen. „Wenn wir Südtirol nicht frei von Wölfen und Bären halten, wird es die Almbeweidung, die seit Jahrhunderten Tradition hat, bald nicht mehr geben“, ruft die Bauernbundspitze den Todesmarsch der Südtiroler Almbauern aus.
 
Der Bauernbund fordert von der Landespolitik, „alles dafür zu tun, um die Ansiedelung von Bären und Wölfen zu stoppen.“ Gleichzeitig stellen Leo Tiefenthaler und Siegfried Rinner Arnold Schuler und der SVP auch die Rute ins Fenster.
So heißt es in der SBB-Presseaussendung: „Der Bauernbund unterstützt Politiker auf lokaler, staatlicher und EU-Ebene, die sich für einen bär- und wolfsfreien Raum einsetzen.
 

Blaue Solidarität

 
Es dauert genau einen Tag.
Dann übernahm Andreas Leiter Reber den Steilpass aus der SBB-Führungsettage. Der Obmann der Freiheitlichen erklärte sich am Sonntag mit „Bauernbundobmann Tiefenthaler solidarisch“.
Landesbauernbundobmann Leo Tiefenthaler betreibt alles andere als Panikmache wenn er in der derzeitigen Ausbreitung der Wolfs- und Bärenpopulationen den Untergang der Südtiroler Almwirtschaft in Gefahr erkennt“, schreibt der Marlinger Bauer in einer Presseaussendung. Der Chef der größten Südtiroler Oppositionspartei fordert „die Südtiroler Landesregierung auf den Südtiroler Bauernbund zu unterstützen, sich klar gegen eine Ausbreitung von Wölfen und Bären auszusprechen und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.“ Gleichzeitig kündigt Leiter Reber an, dass die Freiheitlichen auch in Österreich um Unterstützung für den Erhalt der Almwirtschaft suchen werden.
 
Es ist ein mehr als geschickter Schachzug von Andreas Leiter Reber & Co. Denn die Freiheitlichen setzen damit nicht nur Arnold Schuler, sondern auch seine Partei, die SVP, unter Druck. Die Volkspartei, die traditionell die rechte Konkurrenz fürchtet, muss sich jetzt Sorgen machen, dass die Südtiroler Blauen über das Thema Bär und Wolf in das entscheidende Wählerreservat des Bauernbundes einbrechen.
SBB-Obmann Leo Tiefenthaler von RAI-Südtirol auf einen möglichen Schulterschluss zwischen Bauernbund und Freiheitliche angesprochen, kommentiert diese Leseart lapidar: „Wir suchen alle, die uns behilflich sind“.
Es geht weniger um das Überleben der Südtiroler Almwirtschaft, als um das Überleben des Bauernbundes als jenen Verband, der das politische Leben des Landes maßgeblich bestimmt.
Es ist ein Satz, der zeigt, wie subtil man den politischen Druck auf Arnold Schuler und die Landesregierung erhöht. Der Wolf und der Bär sind dazu ein willkommener Anlass.
Denn in Wirklichkeit geht es weniger um das Überleben der Südtiroler Almwirtschaft, als um das Überleben des Bauernbundes als jenen Verband, der das politische Leben des Landes maßgeblich bestimmt.
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Massimo Mollica Mo., 28.08.2017 - 15:56

Siccome la questione migranti ha stancato (e poi i migranti ci sono solo in alcuni posti) ora c'è l'argomento lupi. L'importante è che vi sia sempre un nemico, la cui esistenza nasconde l'assenza di politica, ovvero di idee e proposte. L'importante è sempre e comunque avere qualcuno contro!

Mo., 28.08.2017 - 15:56 Permalink
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alfred frei Mo., 28.08.2017 - 16:29

Man könnte sich eine andere Variante für die Landtagswahlen vorstellen: der Bauernbund gegen die Tierschützer im Zeichen des Schafes mit dem Wolfskopf. Eine interessante Möglichkeit sich dem Stadt-Land-Gefälle (Kirchgänger gegen Schafzüchter) anzunähern und eine neue Herausforderung für die Tageszeitung "Dolomiten" !. Oder nicht ?

Mo., 28.08.2017 - 16:29 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 28.08.2017 - 17:39

Antwort auf von alfred frei

Dass sich die Tierschützer recht um die zermarterten Schafe (Kälber, Esel, usw.) kümmern, wäre mir noch nicht aufgefallen.
König Großraubtier (Wolf, Bär) verhindert jegliches "Mitgefühl" und jede Vernunft bei den "selbsternannten" Tierschützern!
"...Stadt-Land-Gefälle (Kirchgänger gegen Schafzüchter) ..." - Eigenartige Vorstellung von Stadt-Land-Gefälle?

Mo., 28.08.2017 - 17:39 Permalink
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Ein Leser Di., 29.08.2017 - 11:11

Stimmt das so schon? Laut der Studie wurden bei den Renaturierungsprojekten, neben den zuständigen Landesämtern, auch versch. Naturschutzverbände eingebunden.

Auszug aus
https://www.nul-online.de/Fluss-und-Auenrenaturierung-in-Suedtirol-Ital…

"Akteure und Betroffene sind Gruppen und Einzelpersonen, die an dem Renaturierungsprojekt beteiligt sind, beispielsweise in der Planungsphase, in der Ausführung oder in indirekten Zusammenhängen, wie z.B. als Nutzer der renaturierten Fläche (vgl. Wiegleb & Lüderitz 2009 zu den Akteuren bzw. Betroffenen bei Ökosystemrenaturierungen). HAUPTAKTEUR ist in jedem Falle die Südtiroler LANDESABTEILUNG FÜR WASSERSCHUTZBAUTEN, Sonderbetrieb für Bodenschutz, Wildbach- und Lawinenverbauung, welche sowohl an der Projektierung wie auch praktischen Durchführung maßgeblich beteiligt ist.

WEITERE AKTEURE sind das Amt für Landschaftsökologie (Abteilung Natur und Landschaft) bzw. das Amt für Gewässerschutz der Autonomen Provinz Bozen und die Forstinspektorate der betroffenen Gemeinden. Mit wissenschaftlichen Studien während der Planungsphase, wie z.B. bei der Renaturierung des Unterfennbergbaches in der Gemeinde Margreid (Studie über den Dohlenkrebs – Austropotamobius pallipes), waren die Forschungseinrichtungen Universität Wien und Universität Innsbruck involviert. Des Weiteren waren NATURSCHUTZVERBÄNDE (z.B. Naturtreff Eisvogel, Bürgerinitiative Flusspark Ahrauen), die betroffenen Gemeinden und andere Landesämter, der Südtiroler Bauernbund und freie Büros für Biologie, Naturschutz und Planung beteiligt.

Di., 29.08.2017 - 11:11 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 29.08.2017 - 16:38

Also Martin, es scheint dich wirklich kalt zu lassen, wenn du Fotos von einer Gruppe von gerissen Schafen siehst, nicht gefressen, sondern nur getötet oder verletzt und dann langsam verendet. Oder ein Kalb oder einen Jung-Esel verletzt mit blutender Wunde und noch lebend! Du kannst wohl auch nicht unterscheiden! Niemand darf Tieren etwas zu leide tun, aber Wölfe und Bären dürfen und müssen es sogar - und wenn aus Tollheit. Nein du wirst sagen, die Schafe und die Bauern sind schuld!

Di., 29.08.2017 - 16:38 Permalink
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Klaus Griesser Di., 29.08.2017 - 17:12

Der Bauernbund spielt sich wieder mal mit seinem derzeitigen Geheule gegen die Großwildtiere wählerwirksam (hofft er!) als oberster Schützer der Bergbauern auf. Dabei scheint mir die Almwirtschaft nicht an der ersten Stelle seiner Agenda zu stehen. Denn die Jahresproduktion an Kleinvieheinheiten ist unbedeutend im Vergleich zu dem der Großvieheinheiten und Großobststeigen. Nein, die Monokulturbetriebe sind im Zentrum seines Interesses, diese verschlingen den Großteil der Subventionen. Trotzdem! so rosig ist die Lage der Obst- und Viehbauern, die diesen Weg beschreiten, nur teilweise! Aufschlussreich dazu der folgende Filmbericht über Deutschland, wo der Deutsche Bauernbund ebenso zu den einflussreichsten Lobbies zählt: http://www.ardmediathek.de/tv/die-story/Bauern-in-der-Klemme-Welche-Zuk…
Da braucht es nicht zu wundern, wenn in Abkehr vom gepredigten Monokulturismus Deutschlands Bauern (und zwar am meisten die Bayern!) sich immer mehr dem Ökolandbau zuwenden: http://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/news/de/32676.html

Di., 29.08.2017 - 17:12 Permalink