Gesellschaft | Freiheit der Kunst

So bitte nicht, Herr Gatterer!

Südtiroler Musiker, Kaberettisten und Künstler zur Strafanzeige von Ingemar Gatterer gegen den Brixner Liedermacher Markus „Doggi“ Dorfmann.
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Foto: doggi.it

Georg Kaser, Kabarettist, Schauspieler

 
„Ich finde diese Klage vom Gatterer einfach lächerlich. Schlatterer ist doch keine Beleidigung, sondern ein Schreibname. Es gibt den Ingenieur Schlatterer oder den Tankanlagenbau Schlatterer. Der Doggi hätte auch Kaserer nehmen können. Nur das hätte sich dann nicht mehr gereimt. Dass Schlatterer ein Schimpfwort ist, würde ich nicht sagen. Kritik müssen die Menschen doch vertragen. Aber hier will jemand in jeder Hinsicht seine Macht ausüben. Das ist für mich der klarer Versuch einer Einschüchterung. Dass ein solcher Konzern so vorgeht, zeigt dass manche glauben, nur weil sie Geld haben, können sie sich alles leisten.“
Das ist für mich der klarer Versuch einer Einschüchterung.
 

 

Walter Eschgfäller, Liederszene Südtirol

 
„Ich finde den Song von Markus Dorfmann super. Das was der „Doggi“ in Textform gebracht hat, ist aus meiner Sicht harmlos. Als „Schlatterer“ bezeichnet man tagtäglich jemand. Und was reimt sich besser auf Gatterer? Ha ha … 
Die künstlerische Freiheit geht weit über eine solche „Schlatterer“-Aussage hinaus. Als Liedermacher hätte ich persönlich wesentlich schärfer getextet, denn das, was der Herr Gatterer sich tagtäglich leistet bzw. der Südtiroler Bevölkerung antut, würde ganz andere und direktere Worte verdienen. 
 
 
Als Liedermacher hätte ich persönlich wesentlich schärfer getextet
Der Gatterer hat sich nicht umsonst Parteifreunde (Durnwalder, Perathoner etc.) ins Boot geholt. Vielleicht deswegen, dass man ihm nichts anhaben kann? Darum Markus, lei weiter so... meine Unterstützung ist dir garantiert… und wenn ich für die Anwaltskosten Geld sammeln gehen muss. Ich und viele aus der Südtiroler Musikszene stehen hinter dir.“
 

Benno Simma, Designer, Musiker, Architekt

 
„Die von Herrn Ingemar Gatterer gegen Markus „Doggi“ Dorfmann hinterlegte Anzeige zeugt von wenig Humor und keine Fähigkeit zur Selbsteinschätzung. Dass eine sehr lockere Satire - das Wort „Schlatterer“ kann in sehr vielseitiger Weise verstanden werden - einen Präsidenten einer Gesellschaft von öffentlichem Steuerzahlerinteresse mit so hoher Verantwortlichkeit so tief treffen kann dass er sogar zur Anzeige greift zeugt insgesamt nur von Schwäche, Schlatterhaftigkeit und mangelndem Respekt vor Demokratie, die auch in Südtirol, wie überall in allen Verfassungen Europas fest verankert bleiben muss. So bitte nicht, Herr Gatterer!“
 
 
Schlatterhaftigkeit und mangelndem Respekt vor Demokratie

Agostino Accarino, Musiker

 
Aver sentito che il cantautore Sudtirolese Markus “Doggy” Dorfmann sia stato denunciato per il video di una sua canzone mi lascia triste ed amareggiato. L’uso della satira nella canzone è nota da molto tempo, già prima del novecento il fenomeno assunse grandi proporzioni addirittura se ne trovava nell’antica Roma. Insomma c’è sempre stato il fenomeno di poter esprime idee e contestazioni attraverso un messaggio musicale.
 
Non facciamoci spaventare da chi per risposta usa il terreno della denuncia.
La satira è una forma d’arte, il diritto di satira trova riconoscimento nell’art 33 della costituzione che sancisce la libertà dell’arte. Per sua natura, la satira trasgredisce soprattutto attraverso il linguaggio. Esprimo tutta la mia solidarietà a Markus, non facciamoci spaventare da chi per risposta usa il terreno della denuncia, ricordando  a questi personaggi che sono pubblici e sarebbe giusto che accettino anche le critiche  non solo gli onori della cronaca."

Lukas Lobis, Kabarettist, Schauspieler

 
„Die Frage, was Satire darf ist völlig falsch. Satire darf nichts, sondern sie muss. Wenn man bedenkt, dass die Presse, die sogenannte vierte Säule der Demokratie immer mehr bröckelt, weil man weiß wieviel Beeinflussung im Medienbereich inzwischen stattfindet, dann ist mittlerweilen die Satire fast noch das einzige Genre, die diese Aufgabe der vierten Gewalt noch wahrnimmt. Die Anstalt in Deutschland, die sie inzwischen zu einer Art investigativer Satire übergegangen und die lösen den Journalismus ab.
Satire darf nichts, sondern sie muss.
In dieser Optik sehe ich auch meinen Freund den Doggi und seine Songs. Wobei ich sagen muss: Ich bin ein bisschen beleidigt und brutal neidisch! Dass er es geschafft hat, mit einem Lied eine Strafanzeige zu bekommen. Der Doggi stellt ihm Lied ja eine konkrete Frage: Herr Gatterer, Herr Gatterer, wos sein sie für a Schlatterer? Dem Herrn Gatterer würde ich raten anstatt zu klagen, auf diese Frage zu antworten. Es gibt dabei zwei Möglichkeiten. Gatterer könnte ja sagen: „Koaner“. Dass er das aber nicht tut, lässt eher vermuten, dass der Doggi nicht ganz falsch liegt.“
 

Reinhold Giovanett, Musiker, Publizist, Radiomacher

Es hat eine gewisse neue Qualität, wenn eine, in der Öffentlichkeit stehende Führungspersönlichkeit derart auf ein kleines bisschen Kritik reagiert. Es geht hier weniger um die Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern vielmehr um die Kontrolle der öffentlichen Wahrnehmung einerseits und die Unfähigkeit Kritik zuzulassen. Dies ist eine neue Spezies, die in den letzten Jahren zunehmend auch in Südtirol aufgetaucht ist, eine Spezies, die mit allen Mitteln die eigenen Interessen durchzusetzen versucht, und dabei auch nicht davor zurückschreckt, die kritische Haltung zu einem Missstand mit einer Klage zu begegnen.
Man sollte dennoch versuchen, mit Gelassenheit auf diese Unannehmlichkeit zu reagieren, denn die Motivation dieser Art von Reaktion ist nicht ideologischer Natur, sondern rein in den Eigeninteressen begründet.
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rotaderga Do., 07.09.2017 - 13:46

Vorausgeschickt, das ich weder Gattterer noch Dorfmann persönlich kenne, finde ich in der Anzeige an sich nichts Unmenschliches. Der eine will die Person Gatterer öffentlich vorführen, der anderer fühlt sich verunglimpft. Richtig wenn diese unterschiedliche Bewertung der Situation von dritten beurteilt wird. Und die werden Recht und Unrecht definieren.
Ansonsten könnte ich unter dem Deckmantel der Satire frei und grenzenlos über meine lieben und unlieben Mitbürger lästern und leiern.

Do., 07.09.2017 - 13:46 Permalink
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Benno Kusstatscher Do., 07.09.2017 - 15:59

So eine humorlose Klage passt doch perfekt zu einem Land, in dem sich Bürger und Offizielle unisono genauso humorlos und selbstkritiklos über ein Plakat in München brüskieren (und auch an Klage denken) bzw. zu einer Hauptstadt, die einer Glyphosat-Aktion auf den Talferwiesen gleich unsouverän begegnet wie den Graffitis in vergangen Jahrzehnten. Wir sollten stolz auf unsere Widersprüche sein. Scheinbar findet sich Südtirol nicht, wie das Plakat schmeichelnd suggerierte, sondern sucht sich nicht einmal. Schlatterer alle zusammen und der eine ein Kind seiner/s Zeit/Landes.

Do., 07.09.2017 - 15:59 Permalink
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alfred frei Do., 07.09.2017 - 17:04

In der Ausschreibung öffentlicher Dienstleistungen sollte folgender Passus enthalten sein:
die Bewerber verpflichten sich, nach der Vorgabe “wo alle dasselbe denken, wird nicht viel gedacht" (K. Valentin) humorvoll vorgebrachte Kritik mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.
(Erfolg und Kritik steigen nur zu Kopf, wenn dort der erforderliche Hohlraum vorhanden ist.)

Do., 07.09.2017 - 17:04 Permalink