Wirtschaft | Gries

Benko baut

Mit dem ersten Spatenstich für die neue Wohnanlage in Gries ist René Benkos Bozner Bauoffensive eröffnet.
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Foto: signa

Es war nicht ein Stich, es waren gleich mehrere Spatenstiche, mit denen am Donnerstag neben der Grieser Weinkellerei ein neues Kapitel in Bozens Stadtchronik begonnen wurde: René Benko baut, könnte es heißen. Denn das erste Baulos der neuen Wohnanlage „Gries’ Village“, das gestern auf dem Areal der ehemaligen Grieser Tennisplätze mit kirchlichem Segen vom Benkos Bozner Mann Heinz Peter Hager, Bürgermeister Renzo Caramaschi, Stadtrat Luis Walcher und Marco De Eccher vom beauftragtem Generalunternehmen Rizzani De Eccher eröffnet wurde, ist der Auftakt für eine zumindest in jüngster Vergangenheit beispiellose Bauoffensive in Bozens Stadtzentrum.

Bereits Anfang 2018 will die Signa Holding des Tiroler Investors beginnen, die Baulücke in der Südtirolerstraße mit einem Büro- und Dienstleistungszentrum zu füllen. Mitte des kommenden Jahres ist dann laut Heinz Peter Hager der Baubeginn für das Filetstück WaltherPark geplant, also das neue Stadtviertel rund um den heutigen Busbahnhof. „Derzeit sind wir dabei, die Unterlagen für die UVP-Prüfung und den Erlass der Baugenehmigung einzureichen“, sagt er. Auch für die neue Seilbahn auf den Virgl werde derzeit ein Vorschlag für die Gemeinde ausgearbeitet, der noch im Oktober präsentiert werden soll. Samt Finanzierungsmodell, das es ermöglichen soll, dass die neue Bahn samt Tal- und Bergstation „die Stadt nichts kostet“, wie Benkos Bozner Statthalter in Aussicht stellt. Verläuft alles so, wie es sich das zackige Tirol-Südtiroler Duo vorstellt, sollte die vom norwegischen Architekturstudio Snohetta projektierte Verbindung zwischen dem Waltherplatz und Bozens Hausberg bereits Ende 2019 Realität werden, meint Hager.

In den Fußstapfen von Unterberger & Rauch

Vorerst aber baut Benko nur in Gries. Dort wo ursprünglich zwei heimische Große der Bauwirtschaft Hand anlegen wollten – Karl Rauch und Siegfried Unterberger. Die beiden Unternehmer hatten ursprünglich mit ihrer zu diesem  Zweck gegründeten Gesellschaft  KeBo GmbH zuammen mit der Kellerei Bozen ein Tauscheeschäft ausgeschnapst: die Kellerei aus Gries auszusiedeln und auf ihrem ehemaligen Grund Wohnbauten zu errichten. Dabei erzielten sie zwar viele Etappenerfolge – wie beispielsweise den von der Regierung Durnwalder gegen den Willen der Gemeinde aufgehobenen Ensembleschutz für die alte Grieser Kellerei, der den Weg für die nun entstehenden Wohnbauten überhaupt erst freimachte. Doch letztendlich scheiterte das Unternehmen – und René Benko taucht als Retter auf, um das Umsiedlungsprojekt der Kellerei Bozen nach Moritzing doch noch zu ermöglichen. Was genau einen internationalen Investor dazu bringt, in eine auf seiner Skala unbedeutenden Wohnanlage außerhalb der Reichweite seines WaltherParks zu investieren, erschließt sich wohl bis heute nur Eingeweihten.  „René Benko war einmal hier und hat gemeint: Diese Zone gefällt mir, verhandelt weiter“, ist die Version, die Heinz Peter Hager dazu liefert.

Tatsache ist, dass dort, wo bis vor kurzem eine Sportzone mit Tennisplätzen bestand, bis Ende des kommenden Jahres zwei neue Wohnblöcke mit insgesamt 26 Wohnungen stehen sollen. Sobald die Kellerei Bozen dann 2018 in ihren neuen Sitz am ehemaligen Anraiterhof gegenüber dem Bozner Krankenhaus übersiedelt, werden weitere acht Blöcke folgen. Insgesamt sollen innerhalb 2020 für insgesamt 130 neue Wohnungen 11.000 Quadratmeter bzw. 35.000 Kubikmeter verbaut werden. Mit dem Verkauf wird zwar erst im Oktober begonnen: Dennoch nutzte man den medial zelebrierten Spatenstich gleich noch einmal, um die Werbetrommel zu rühren: Zentrale Lage mit allen damit verbundenen Bequemlichkeiten wie Schulen, Infrastrukturen und Nahversorgung – und dennoch hinter historisch gewachsenen Bestandsbauten vor dem Verkehr und Trubel des Platzes und der Moritzingerstraße geschützt, hieß es da zum Beispiel. Möglichen Interessenten stellte Hager am Donnerstag für Grieser Verhältnisse eher moderate Quadratmeterpreise von 4500 bis 4600 Euro pro Quadratmeter in Aussicht.

Progammierter Verkehrskollaps? 

Als Vorteil für alle BoznerInnen wurde am Rande des Baustelleneröffnung einmal mehr der geplante Radweg hervorgehoben, der ab 2020 zumindest für Radler den Engpass am Beginn der Vittorio-Venetostraße beseitigen soll. Stattdessen sollen Radfahrer dann durch die neue Wohnanlage von der Schmiedgasse direkt auf den Grieser Platz gelangen. Einer der Kompromisse mit der Gemeinde, mit denen die Signa wohl den lautesten Kritikern am Projekt ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen wollte. Wie dem Grieser Stadtviertelrat Rudi Benedikter, der dennoch bei seiner kritischen Haltung bleibt: Über 100 Wohnungen würden laut amtlichen Schätzungen einen zusätzlichen Verkehrsfluss von rund 300 PKW am Tag bringen, warnte er bereits wiederholt vor dem definitiven Verkehrskollaps auf der Bozner Westeinfahrt, gegen deren chronische Überlastung erst im Sommer ein Protestmarsch organisiert worden war. Noch dazu, nachdem die neue Riesen-Kellerei in Moritzing, in der auch Detailhandel betrieben kann, die Situation in der Vittorio-Veneto-Straße zusätzlich belasten werde, wie Benedikter fürchtet.

Heinz Peter Hager wischte am Donnerstag solch verkehrstechnische Bedenken mit einem Sager weg: „Einige Autos mehr, viele Fahrräder mehr und viele, viele Traktoren weniger“, werde das neue Dorf im Dorf bringen. Auch für Stadtrat Luis Walcher ändert das neue Projekt wenig am Grieser Dauerbrenner: „Der Verkehr hier am Platz ist und bleibt ein großes Thema, für das wir unabhängig von dieser Baustelle Lösungen brauchen“, sagt er. Natürlich werde es weiterhin auch kritische Stimmen gegenüber dem Grieser Benko-Projekt geben, antwortet er auf die Frage nach der Stimmung im seinem Stadtviertel. „Doch die Signa hat ein bestehendes Baurecht ausgenutzt - also nicht mehr oder weniger gemacht als all die anderen, die in den vergangenen Jahren in der Schmiedgasse oder Penegalstraße gebaut haben“, sagt der SVP-Stadtrat.

"Wenn ich Besitzer bin, darf ich nichts tun. Kommt der nächste, kann er alles tun.“ 

Interessant auch die Stellungnahme einer weiteren Schlüsselfigur der Operation  Gries’ Village: des Grieser Bauern Peter Trafoier, dessen Familie das Baugrundstück seit vier Generationen bewirtschaftete. Durch den Deal mit ihm, einen Mix aus Grundstücksverkauf und Kubaturtausch, wurde das Projekt in seiner heutigen großzügigen Form überhaupt möglich.  Zweifelsohne ein lohnendes Geschäft, das nebenbei auch noch der Vorteil brachte, den jahrelangen Kleinkrieg des Bauern mit der Kellerei zu beenden, wie Heinz Peter Hager hervorhob. „Heute haben wir es erstmals geschafft, wieder ein gemeinsames Foto von Kellerei-Obmann Bradlwarter und Trafoier zu schießen“, freute er sich.

Ganz so glücklich gab sich der Bauer als Millionär zumindest den Medien gegenüber nicht. „Ich habe mich sehr hart entschieden“, erklärte er. „Doch ich war fast gezwungen, das Grundstück herzugeben.“ Denn sämtliche Pläne, die er auf dem Grund verwirklichen wollte, seien ihm von der Gemeinde boykottiert worden – ob eine unterirdische Garage, ein überirdischer Parkplatz oder sein zuletzt verfolgtes Projekt, der Gemeinde in einem Raumordnungsvertrag im Tausch gegen ein Baurecht kostenlos Flächen für einen Kinderspielplatz zu überlassen. „Ich hätte den Grund sehr gerne behalten“, meinte Peter Trafoier auf Nachfrage von salto.bz. „Wenn wir ein Baurecht von 1000 oder 2000 Kubikmetern bekommen hätten, hätte wir hier unser Villale aufgestellt und alles wäre beim Alten geblieben.“ Doch Bozen sei eben Bozen, meint der Grieser Bauer. „Das ist hier so üblich – wenn ich Besitzer bin, darf ich nichts tun. Und kommt der nächste, kann er alles tun.“ 

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Ingrid Facchinelli Fr., 15.09.2017 - 10:39

Die Totengräber von Gries,
das ist meine erste Assoziation beim betrachten des Fotos und beim Lesen des Textes verhärtet sich die traurige Vermutung, Gries wird nicht mehr Gries sein.
Was die Herren da von sich geben ist schon beachtlich, Gries wird von diesem Monstereingriff so gut wie nichts mitbekommen, wir werden endlich von den Traktoren befreit!!!! ein paar Autos mehr machen hingegen nichts aus. Dass Gries schon jetzt völlig im Verkehr erstickt und keine Lösung in Sicht ist, wird unter den Tisch gekehrt. Da wird Tradition mit Füßen getreten, Gesetze ausser Kraft gesetzt. Wo heute "ehemals" Ensembelgeschützte Häuser stehen werden völlig anonyme Wohnblöcke aus dem Boden gestampft. Höher, moderner, größer .... wir haben ein großes Opfer zu beklagen: Gries ist nicht mehr Gries.

Fr., 15.09.2017 - 10:39 Permalink
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marisa bridi Fr., 15.09.2017 - 17:03

Antwort auf von Ingrid Facchinelli

Wie recht Sie haben Frau Facchinelli!!!
Die Gier und das Geltungsbedürfnis:
der Koloß vom Vöraner Bahndl, die Zerstörung der Grieser Auen, die Geisterstadt Firmian, der Blick der Grieser auf den aufgerissenen Guntschna Hügel, das Bauprojekt der Grieser Kellerei um nur einige zu nennen.
Immer mehr und immer größer.
Die Gier ist ein großes Laster!
Ethik und Nachhaltigkeit nur moderne Wörter??!!
Tradition und Gediegenheit und vor allem das Stadtbild werden rücksichtslos zerstört.

Fr., 15.09.2017 - 17:03 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 15.09.2017 - 11:34

Es ist auf jeden Fall gut wenn sich die Stadt ein wenig weiterentwickelt, auch im vornehmen Gries. Ob so mancher Grieser fürchtet seine Immobilie verliere an Wert, wenn es jetzt mehr und bessere Angebote gibt? Gut möglich!

Fr., 15.09.2017 - 11:34 Permalink
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alfred frei Fr., 15.09.2017 - 15:59

Das i st nur der erste Streich, der zweite folgt sogleich: Benko schenkt uns in Kürze die Virgl Erschließung mit einem Ufo-Seilbahnprojekt. Aber der Hammer kommt mit dem dritten Streich. Das Kaufhaus Walther Park eröffnet neue Chancen in der Preisdynamik der Bozner Handelsstadt (von der teuersten Stadt Italiens zu der am wenigsten billigen ?). Und das alles haben sich die Bürger mit ihrer Abstimmung in einer Volksbefragung redlich verdient. Kaum zu glauben, oder ?

Fr., 15.09.2017 - 15:59 Permalink
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Frei Erfunden Mo., 18.09.2017 - 12:13

Da kann doch keine Mehrheit was dagegen haben:
Gemeindewohnbau zur Mindestmiete.

Eine sinnvolle und nachhaltiges Investition für eine Gemeinde im Interesse Ihrer Bürger.
Eine Stadt gehört ihren Einwohnern und Wohnrecht ist ein Grundrecht eines Bewohners einer Stadt,
das sollte jedem mündigen Bürger bewusst gemacht werden.
Bozen hat geschätzt 3000 leerstehende Wohnungen aufgrund von Spekulationen.
Bürger erhebt euch!
Wohnungsspekulation ist übrigens auch gegen das Interesse des HGV (durch AiRBnB Aktivitäten mit Versteuerung der Gewinne im Ausland).

https://www.brandeins.de/archiv/2015/immobilien/wien-du-hast-es-besser/

Mo., 18.09.2017 - 12:13 Permalink