Kultur | Sprache

Der Reichtum der deutschen Sprache

Die deutsche Sprache verliert zunehmend an Wertschätzung. Die Initiative "Wortschatz Südtirol" macht auf die Vielfalt und Schönheit unseres Wortschatzes aufmerksam.
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Foto: Jukibuz

 

Ockergelb, Granatapfelrot, Blätterrauschen, Weinlese, Chrysanthemenblüte. Diese Wörter erinnern an die letzten sonnigen Tage im Jahr, bunte Blätter am Wegesrand, gemütliches Törggelen mit Freunden und Wanderungen durch den Kastanienwald. Kurz an den Herbst.

Schließlich ist es die Sprache, die uns Menschen auszeichnet. Wörter kosten nichts, sind für alle da und unbezahlbar wertvoll.

Welche wundervollen, originellen, ausgefallenen und reizvollen Wörter die Südtiroler verwenden, um den Herbst zu beschreiben, interessiert die Sprachstelle im Südtiroler Kulturinstitut und das Jukibuz. Die Initiative „Wortschatz Südtirol“ soll ein positives Bild auf die Sprache werfen und die Südtiroler auf eine bewusste Benutzung des Wortschatzes aufmerksam machen. „Wir wollen mit der Initiative die Südtiroler auf die Vielfältigkeit und den Reichtum des deutschen Wortschatzes hinweisen. Schließlich ist es die Sprache, die uns Menschen auszeichnet. Wörter kosten nichts, sind für alle da und unbezahlbar wertvoll“, erklärt Monika Obrist von der Sprachstelle im Südtiroler Kulturinstitut. In den vergangenen Jahren wurde vom Jukibuz das Wort und Unwort des Jahres gekürt. Dieses Jahr findet erstmals die Initiative „Wortschatz Südtirol“ statt. Das Projekt soll die Menschen in Südtirol anregen, über ihre Sprache und ihren Wortschatz nachzudenken.

Bis 22.November werden Jung und Alt aufgerufen, ihre schönsten Wörter für den Herbst einzusenden, entweder per E-Mail an [email protected] bzw. [email protected] oder per Post an das Südtiroler Kulturinstitut (Schlernstraße 1, 39100 Bozen). Die eindruckvollsten Wörter werden ausgewählt und bei einer Pressekonferenz präsentiert. Alle Teilnehmer haben die Chance, bei einer Verlosung, eines der fünf Exemplare des Spieles „Wordz“ aus dem Moses Verlag zu gewinnen.

„Das Leben ist zu kurz um Deutsch zu lernen.“ - Oscar Wilde

„Das Leben ist zu kurz um Deutsch zu lernen“, analysiert Oscar Wilde seinen Zugang zur deutschen Sprache. Die deutsche Sprache ist als sehr schwierig verschrien. Die komplexe Grammatik, die Groß- und Kleinschreibung und die sprachlichen Differenzierung macht Deutsch zu einer anspruchsvollen Sprache. Dennoch sprechen 103,5 Millionen Menschen Deutsch als Muttersprache und das macht die germanische Sprache zu einer der zehn stärksten Sprachen der Welt. Die deutsche Schriftsprache, die sich als Sprache der Philosophie, Wissenschaft und Weltliteratur einen Namen gemacht hat, hat sich zu einer Sprache mit einzigartigem Reichtum entwickelt. Ganze 5,4 Millionen Wörter bilden den deutschen Wortschatz, so ein Bericht aus dem Jahr 2013. Die fast unbegrenzte Kombinierbarkeit von Wörtern ist die Grundlage für die umfangreiche Fülle. Die deutsche Sprache verführt einen geradezu, neue Wörter aus den bereits Bestehenden zusammenzusetzen, so wie „Wutbürger“ und „postfaktisch“.

In den vorigen Jahrzehnten hat die deutsche Sprache einen Rückgang erlitten. Kritisiert wird die Vereinfachung des Sprachgebrauchs, eine stetige Zunahme von Anglizismen und der Untergang der deutschen Sprache als Sprache der Wissenschaft, Wirtschaft und Diplomatie. Andreas Hock, Autor des Buches „Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann? Über den Niedergang der deutschen Sprache“, verweist unter anderem auf  die Schlampigkeit im Gebrauch der deutschen Sprache, auf das langsame Verschwinden des Genitivs und auf unkorrekten Sprachgebrauch, der nicht nur in der Jugendsprache verwendet wird, sondern auch bei Moderatoren im TV beobachtbar ist. Laut Hock, zeigt sich die Vereinfachung der Sprache besonders gut beim Wort „geil“. So wird der Ausdruck kollektiv für alles benutzt und Ausdrücke für Gemütsbeschreibungen wie „glückselig“ oder „beschwingt“ hört man selten bis gar nicht mehr. In Frankreich schützt der Staat die Sprache, Deutsch wird sich selbst überlassen. Initiativen wie „Wortschatz Südtirol“ leisten einen Beitrag, den Menschen die Vielfalt und Schönheit der deutschen Sprache näher zu bringen, somit das Bewusstsein für ein korrektes Deutsch anzuregen und dem Niedergang Goethes Sprache entgegenzuwirken.

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Tom Rebhuhn Di., 26.09.2017 - 12:53

wieso wird Sprachwandel stets als Sprachverfall gedeutet? Die Sprache ändert sich doch ständig, und eine "reine" deutsche Sprache gab es ohnehin nie - im 18. Jahrhundert klagte man halt noch über die zahlreichen Gallizismen. Und: ein Lektorat täte dem Text ganz gut, in der hier präsentierten Form leistet er selbst einen ordentlichen Beitrag zum Niedergang des Deutschen!

Di., 26.09.2017 - 12:53 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 26.09.2017 - 14:23

Antwort auf von Tom Rebhuhn

Sprachwandel und Sprachverfall sind zwei verschiedene Sachen. Sprachwandel ist normal; er kann bedeuten, dass sich eine Sprache bereichert, neue Ausdrucksmöglichkeiten schafft, auch - so wie im Artikel erwähnt - neue Wörter bildet oder aus anderen Sprachen integriert. Sprachwandel kann aber auch bedeuten, dass auf Ausdrucksmöglichkeiten verzichtet wird, z. B. wenn ein neues Fremdwort fünf oder mehr bestehende deutsche Wörter nicht ergänzt, sondern ersetzt. Das kann man wohl mit voller Berechtigung als Sprachverfall bezeichnen. Sprachlicher Reichtum ist ja auch Voraussetzung für gedanklichen Reichtum. Da es bei den meisten gesellschaftlichen immer ein Auf und Ab gibt, kann man hoffen, dass es auch mit der Sprache wieder aufwärts geht.

Di., 26.09.2017 - 14:23 Permalink