Gesellschaft | Impfen

Hart auf hart

Die Positionen in der Impfdebatte verhärten sich weiter. Mehr als 1000 Kinder sind in deutschen Kindergärten ohne Impfnachweis.
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Foto: upi

„Jetzt impfen wir einmal 98 Prozent durch – und um die restlichen zwei Prozent kümmern wir uns danach“, hatte der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs Thomas Schael vor einem Monat bei der Vorstellung der aktuellen Impfoffensive erklärt. Zumindest laut bisheriger Bilanz scheint sein Vorhaben im deutschsprachigen Kindergarten nicht aufzugehen. Denn, wie Inspektorin Christa Messner am Samstag in der Tageszeitung Dolomiten erklärt, wurden dort 20 Tage nach der Frist für den Nachweis des Impfstatuts am 10. September für 1000 bis 1100 Kinder immer noch keine Bestätigungen abgeben. Damit ist fast jedes zehnte Kind im deutschsprachigen Kindergarten ohne Impfnachweis. In den italienischsprachigen Kindergärten fehle der Impfbrief dagegen gerade einmal bei fünf Kindern. Die Inspektorin für den deutschen Kindergarten zeigt sich zwar zuversichtlich, dass im Fall einiger Einwandererfamilien sowie von Kindern, die wegen des gestaffelten Eintritts später mit dem Kindergarten beginnen, noch gar einige Bestätigungen nachgereicht werden wird.

"Bei Ausschlüssen gibt es Massenproteste und Massenklagen gegen Politik und Verwaltung."

Aber auch dann scheint die Zahl der Impfverweigerer unter Südtirols Eltern größer zu sein als es Thomas Schael kalkuliert hat. Nachdem der Impfnachweis in Kitas und Kindergärten laut staatlichen Vorschriften Voraussetzung für einen Besuch der Betreuungseinrichtung ist, muss also laut derzeitigem Stand zumindest in mehreren hunderten Fällen mit einem Ausschluss von Kindern aus Strukturen gerechnet werden. In der Schule, wo die Impfnachweise erst bis Ende Oktober zu hinterlegen sind, wurde der ursprünglich ebenfalls geplante Ausschluss wegen fehlender Impfungen bekanntlich zurückgenommen. Dort wird die Verweigerung von Impfungen mit Geldstrafen sanktioniert – wenn auch diese kein Freibrief gegen Impfungen sind, wie von Seiten des Sanitätsbetriebes unterstrichen worden war.

Landtagsabgeordneter Andreas Pöder deutete die zahlreichen fehlenden Impfdokumentationen am Samstag jedenfalls bereits "als deutliches Zeichen des Protests gegen den Impfzwang und gegen die Verletzung der Privatsphäre der Kinder." Der impfkritische Landtagsabgeordnete warnt sowohl Landesregierung als auch Sanitätsbetrieb, Schulamt und Kindergartenverantwortliche vor Ausschlüssen von Kindern aus den Kindergärten: "Dann gibt es Massenproteste und Massenklagen gegen Politik und Verwaltung", droht Andreas Pöder. Er fordert auch umgehend eine Stellungnahme von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Schullandesrat Philipp Achammer. "Die Landesregierung soll jetzt endlich Verantwortung übernehmen und den Sanitätsbetrieb einbremsen sowie Eltern und Kinder schützen."

Andrang bei impfkritsichem Vortrag im Auditorium Haydn

Wie sehr das Thema nach wie vor polarisiert, zeigte sich auch am gestrigen Freitagnachmittag im Bozner Auditorium Haydn. Rund 600 Interessierte folgten dort laut der Organisation Ökokinderrechte Südtirol und  Andreas Pöder einem von ihnen organisierten Vortrag der impfkritischen Wissenschaftler Stefano Montanari und Antonietta Gatti über Inhalte von Impfstoffen. Nach den leeren Reihen bei den hochkarätig besetzten Informationsveranstaltungen des Sanitätsbetriebs dürften allein allen die Fotos aus dem Bozner Konzerthaus Thomas Schael & Co. Bauchschmerzen verursachen. „Bei allen Veranstaltungen des Sanitätsbetriebes zusammen waren nicht halb soviel Menschen wie beim  Montanari-Vortrag“, höhnte dann auch Andreas Pöder. Stefano Montanari und Antonietta Gatti sind bei ihren Forschungen auf verschiedenste Inhaltsstoffe in Impfstoffen gestoßen, von denen sie viele „vor allem für die Gesundheit von Kleinkindern als hochgefährlich bezeichnen“, wie Pöder nach der Informationsveranstaltung schreibt.

Beim Südtiroler Sanitätsbetrieb reagierte man prompt mit einer Gegendarstellung auf die Veranstaltung: „Die wissenschaftliche Fachwelt teilt Stefano Montanaros Ansichten nicht“, wurde in einer ausführlichen Stellungnahme unterstrichen. Entgegen den vielen irreführenden und angstmachenden Theorien, die in der Bevölkerung zirkulieren, würde die Herstellung von Impfstoffen streng kontrolliert und deren Wirkung ständig überwacht, heißt es darin. Das gelte auch für die von Montanari als Gefahr bezeichnete Nanopartikel, die unter anderem als Impfstoffverstärker verwendet werden. „In keinem technischen Bericht der Weltgesundheitsbehörde WHO und in keiner Richtlinie der europäischen Agentur für Arzneimittel EMA wurde jemals eine Problematik in Zusammenhang mit Nanopartikeln festgestellt“, zitiert der Sanitätsbetrieb in dem Zusammenhang das Oberste Gesundheitsinstitut Italiens (Istituto Superiore di Sanità). Auch hinsichtlich der Gefährlichkeit der Metallpartikel in mikroskopisch kleiner Form halte das Istituto Superiore di Sanità fest, dass die von Montanari in Interviews genannten Metalle wie Aluminium, Eisen, Natrium, Kupfer oder Chlor „die Toxizitätsgrenzwerte überschreiten müssten, um gefährlich zu sein. Aber auch diesbezüglich werden keine quantitative Angaben geliefert, um eine Aussage hinsichtlich Dosis und Reaktion feststellen zu können“.

Die Impfdebatte geht also weiter – mit immer verhärterteren Fronten. Und es sieht derzeit nicht danach aus, als würde eine der Seiten bereit sein, ihre Position aufzuweichen. 

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gorgias Sa., 30.09.2017 - 11:06

Wir leben in einer postfaktischen postaufklärerischen Welt. Hier werden zwei Seiten gegenübergestellt die nicht gleichwertig sind in ihrer Kompetenz und Information, aber so dargestellt werden. Hier wird debattiert ob die Erde flach oder rund ist.

Sa., 30.09.2017 - 11:06 Permalink
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19 amet So., 01.10.2017 - 21:25

Ich gehe mit Ihnen einig. Der Vorschlag die Impfgegner zur Verantwortung zu ziehen, ist richtig, aber dazu braucht es ein Gesetz und bei diesem Thema wird sowas in Rom gemacht. Da können die lokalen Verwalter nur die bestehenden Gesetze
anwenden. Gut finde ich, dass auch dem Pöder angedroht wird für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen zu werden.

So., 01.10.2017 - 21:25 Permalink
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Stefan T Mo., 02.10.2017 - 11:31

Sie haben vollkommen Recht, dass hier der Sanitätsbetrieb in jeder Diskussionsveranstaltung mit Kompetenz energisch entgegentreten muss! Man muss die Verweigerer dort abholen, wo man sie auch antreffen kann.
Ich teile auch Ihren Vorschlag, die Behandlungskosten dem Impfverweigernden umzuhängen. Menschen mit supprimiertem Immunsystem wird diese Maßnahme allerdings wenig trösten. In dieser Diskussion bezahlen Menschen für die Ignoranz von Impfgegnern mit ihrem Leben.

Mo., 02.10.2017 - 11:31 Permalink