Chronik | Justiz

Frei.Wild 0 : 3

Die Rockband Frei.Wild prozessiert seit Jahren gegen den Jugendarbeiter Armin Mutschlechner. Jetzt ist der Fall abgeschlossen. Mit einer Watschn für Philipp Burger & Co.
Freiwild
Foto: Frei.Wild
Das Archivierungsdekret trägt das Datum 23. August 2017 und wurde diese Woche den Parteien zugestellt. Richterin Alessandra Demetz beendet damit ein Verfahren, das seit fast vier Jahren läuft und für einige mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat.
Das Bozner Friedensgericht archiviert mit diesem Urteil endgültig eine Klage der Brixner Rockband Frei.Wild gegen den Jugendarbeiter und Künstler Armin Mutschlechner. Frei.Wild und ihr prominenter Anwalt Gerhard Brandstätter hatten alles getan, damit Mutschlechner wegen übler Nachrede verurteilt werde. Man versuchte es in Bozen, Rom und jetzt nochmals in Bozen.
Doch Richterin Alessandra Demetz hat das Verfahren endgültig archiviert, mit einer deutlichen Watschn für die Band und ihre Anwälte.
 

Der Vortrag

 
Anlass und Ausgangspunkt des Verfahrens ist ein Schultag in Bruneck. Am 16. November 2013 wird im Brunecker Gymnasium Nikolaus Cusanus der Film „Die Kriegerin“ über die deutsche Neonaziszene gezeigt. Im Anschluss findet eine Diskussion statt, zu der auch Armin Mutschlechner eingeladen wird. Der Mühlbacher Jugendarbeiter redet dabei nicht nur über den Film, sondern auch über die Südtiroler Jugend- und Musikszene. Im Kurzreferat kommt auch die Rechtsrock-Band Frei.Wild zum Handkuss. Armin Mutschlechner spricht offen die Skinhead-Vergangenheit einiger Bandmitglieder an. Zudem redet Mutschlechner über das verbotene internationale Neonazi-Netzwerk „Blood and Honour“ und deren Ausläufer in Südtirol.
Eine Schülerin schneidet das Kurzreferat mit. Die Aufnahme bekommen Frei.Wild, die sich vom Mühlbacher Jugendarbeiter verleumdet fühlen. Die Brixner Band wendet sich an eine der renommiertesten Rechtsanwaltskanzleien Südtirols: Gerhard Brandstätter & Partner.
 

Brief an Schulen

 
Gerhard Brandstätter reicht im Namen seiner Klienten am 14. Februar 2014 Klage wegen Rufschädigung gegen Armin Mutschlechner beim Landesgericht ein. Doch dem nicht genug: Bereits vorher, Mitte Jänner 2014, verschickt die Kanzlei Brandstätter an die Direktionen aller Südtiroler Oberschulen und Berufsschulen ein Schreiben. Der Brief, der auch an Schulamtsleiter Peter Höllrigl und an den Bildungslandesrat Philipp Achammer geht, ist ein Frontalangriff auf den – wie es im Schreiben heißt - „selbsternannten Rechtsextremismus-Experten“ Armin Mutschlechner.
 
In dem Brief verwehren sich Frei.Wild nicht nur dagegen, dass sie in die Nähe von „Blood and Honour“ gebracht werden, sondern das Schreiben ist auch eine recht unverblümte Warnung an die Direktoren. „Wir müssen Sie ersuchen, Vorkehrungen zu treffen, auf dass sich solche Vorfälle nicht mehr wiederholen“, heißt es in dem Schreiben.
Der Sinn dieser Worte ist klar. Den Schuldirektoren wird nahegelegt Armin Mutschlechner nicht mehr einzuladen.


Zweifache Archivierung

 
Nach der Anzeige ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Armin Mutschlechner. Mutschlechners Verteidiger Nicola Canestrini legt dem Gericht ein Gutachten eines österreichischen Experten zu den Frei.Wild-Texten vor und alte Fotos von Philipp Burger.
Am 16. März 2015 fordert Staatsanwalt Igor Secco die Archivierung des Verfahrens. Frei.Wild und ihre Anwälte legen Berufung gegen den Archivierungsantrag ein. Am 16. Juni 2015 entscheidet Friedensrichterin Mirta Pantozzi die Klage von Frei.Wild abzuweisen. Die kritischen Äußerungen seien durchaus legitim und nicht diffamierend und sie bewegten sich im Rahmen des Rechts auf freie Kritik und Berichterstattung.
Damit wäre der Gerichtsfall eigentlich beendet. Klar zu Gunsten von Armin Mutschlechner.
 
Doch Frei.Wild und die Kanzlei Brandstätter wollen nicht aufgeben.
Sie reichen am 17. Juli 2015 vor dem Kassationsgerichtshof eine 23 Seiten lange Berufungsklage gegen die Archivierung ein.
Im Spätsommer 2016 nimmt der oberste römische Gerichtshof diese Beschwerde der Band Frei.Wild und ihrer Anwälte an und kassiert die Bozner Archivierung. Die Begründung: Die Friedensrichterin hätte in ihrem Archivierungsdekret zum Widerspruch der geschädigten Partei nicht Stellung genommen und auch die von den Frei.Wild-Anwälten geforderten Zusatzermittlungen seien ohne Begründung abgewiesen worden.
Der Kassationsgerichtshof schickt die Akten und den Fall deshalb an das Friedensgericht nach Bozen zurück. Dort landet der Fall auf den Tisch von Richterin Alessandra Demetz.
Demetz rollt den Fall neu auf. Es kommt zu einem neuen Verfahren mit demselben Ausgang. Auch die neue Bozner Richterin archiviert jetzt die Anzeige gegen Armin Mutschlechner.
Zudem steht im Archivierungsdekret ein Passage, die man durchaus als Rüge der Richterin lesen kann. Der Hintergrund wirft ein bezeichnendes Bild auf Frei.Wild und ihre Rechtsvertretung.
 

Reinfall in Zürich

 
Frei.Wild und ihre Anwälte legen in diesem neuen Verfahren noch einmal nach.
Denn Frei.Wild hatten in der Schweiz einen Redakteur der Gratiszeitung „20 Minuten“ verklagt. Der Journalist hatte in der Online-Ausgabe des Mediums einen Artikel mit einer 18 Fotos umfassende Bildstrecke veröffentlicht. Ein Bild zeigte ein schwarzes Fan-T-Shirt von Frei.Wild mit dem Schriftzug „Frei.Wild Südtirol“.
Unter der Foto erschien die Bildunterschrift: „Eine rechtsextreme Überzeugung lässt sich auch versteckter transportieren, zum Beispiel durch T-Shirts von Bands wie Frei.Wild, Landser und Skrewdriver.“ Auch hier klagten Philipp Burger & Co, weil sie ins rechtsextreme Ecke gerückt wurden.
 
Im Oktober 2016 gab eine Einzelrichterin am Bezirksgericht Frei.Wild Recht und verurteilte den 43jährigen Redakteur wegen übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 180 Franken.
Im Februar 2017 hinterlegen Gerhard Brandstätter & Co dieses Urteil des Bezirksgerichts Zürich vor der Bozner Friedensrichterin. Es sollte ein entscheidender Trumpf im Verfahren gegen Armin Mutschlechner sein.
Was man dabei aber verschweigt: Der Schweizer Journalist geht in Berufung und das Obergericht Zürich spricht am 12. Mai 2017 den Redakteur frei. Die Kläger Frei.Wild müssen Anwaltsspesen in der Höhe von 16.000 Franken zahlen. An diesem Tag sind alle vier Bandmitglieder im Gerichtssaal in Zürich anwesend.
Nur im Bozner Verfahren „vergisst“ man selbstredend der Richterin diese Wendung mitzuteilen.
Deshalb schreibt Alessandra Demetz in ihrem Urteil:
 
Klarer kann man eine Watschn wohl kaum formulieren.

 

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Markus Lobis Di., 03.10.2017 - 08:43

Wird ein freier Mensch zur Plage,
greift man heute gern zur Klage.
Füttert fette Apfikaten,
die sonst nix zu beißen hatten.

Permafrust treibt bunte Blüten
möge uns der Herr behüten
vor gekränkten Leberwürsten
die gerichtlich Egos bürsten.

Doch manchmal läuft es richtig schlecht.
Und zur Geltung kommt das Recht.

Di., 03.10.2017 - 08:43 Permalink
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Martin Daniel Di., 03.10.2017 - 09:00

Dieses Insistieren im Anfechten richterlicher Entscheidungen dürfte dem Beschuldigten eine Stange Geld kosten, denn im Strafrecht werden auch dem entlasteten Angeklagten selten die Kosten für die eigene Verteidigung erstattet. (Hoffe, es war hier anders.) Auch ein Druckmittel gegenüber weniger betuchte Idealisten?

Di., 03.10.2017 - 09:00 Permalink