Umwelt | Second Hand

Berliner Echo

Der Südtiroler Pestizidstreit und die Klagen gegen die Kritiker sind jetzt in den deutschen Medien angekommen. Ein Beitrag aus der Berliner Tageszeitung TAZ.
taz.jpg
Foto: TAZ
Bedrückt geht der Biobauer Ägidius Wellenzohn durch die Reihen seines Apfelgartens in Glurns. Die Blätter seiner Bäume sind welk und braun, die Ernte vernichtet. Unbekannte zerstörten einen Teil seiner Anbaufläche mit Glyphosat. „Was will man damit erreichen?“, fragt er verzweifelt.
Der Ökopionier demons​trierte schon vor dreißig Jahren als Erster im pestizidintensiven Obstanbaugebiet Vinschgau, dass Apfelanbau sogar ohne Kupferspritzen möglich ist. Als Bioaktivist unterstützt er die benachbarte Gemeinde Mals. Diese macht seit 2014 internationale Schlagzeilen, seit sie sich in einer Volksabstimmung mit einer Mehrheit von 72 Prozent gegen Pestizide aussprach. Das rief Lobbyisten der mächtigen Agroindustrie auf den Plan, die immer wieder mit Drohungen und Klagen gegen die Anhänger einer giftfreien Region vorgingen.
Nun traf es auch den Biobauern. Bereits Anfang September mussten Unbekannte seine Apfelbäume in Glyphosat ertränkt haben.
Wellenzohn wunderte sich zuerst nur über verfärbtes Gras, aber eine routinemäßige Kontrolle der Biozertifizierungsstelle stellte das Gift fest. Die Bio-Zertifizierung ist für mindestens drei Jahre perdu, der Schaden enorm.
 
Das kurze Video, auf dem der Apfelbauer traurig durch seine verwelkten Bäume geht, stammt vom österreichischen Filmemacher
Alexander Schiebel – der in den letzten Tagen gleich zweifach attackiert wurde. Schiebel hatte sich so in das „gallische Dorf“ Mals verliebt, dass er sich dort niederließ und mehrere Filme sowie das Buch „Das Wunder von Mals“ produzierte. Mit dem Schriftzug „Pestizid​tirol“ machte er ironisch auf die Gefahren aufmerksam, die Gästen in der beliebten Touristenregion drohen. Die von der konservativen SVP geführte Südtiroler Regierung reagierte empört auf das Plakat, das zeitweise vom Münchner Umweltinstitut vertrieben wurde.
 

Attacke Nummer drei fast zeitgleich

 
Sechs Tage bevor eine Dokumentation von Schiebel am 21. September auf Arte lief, in der auch Pestizidbefürworter zu Wort kommen, schickte Landeshauptmann Arno Kompatscher einen dringlichen Brief per Kurier an die Arte-Redaktion nach Straßburg.
Die Gemeinde Mals sprach sich in einer Volksabstimmung mehrheitlich gegen Pestizide aus
Der Regierungschef interpretierte darin Stellen in Schiebels Buch so, dass Protestaktionen und „effektvolle Inszenierungen“ in Mals nur für den Film stattgefunden hätten. Wollte er per Ordnungsruf die Ausstrahlung verhindern?
Als das peinliche Schreiben jetzt öffentlich wurde, verteidigte sich der SVP- Politiker, er habe das nie beabsichtigt und den Sender nur warnen wollen.
Zufall oder nicht: Fast zeitgleich erfolgte Attacke Nummer drei. SVP-Landesrat Arnold Schuler, der Agrarminister Südtirols, erstattete Ende vergangener Woche Strafanzeige gegen Filmemacher Alexander Schiebel, das Münchner Umweltinstitut und gegen den Münchner oekom-Verlag, bei dem „Das Wunder von Mals“ erschienen war. Das Plakat „Pestizidtirol“ sei genauso rufschädigend wie der Vorwurf der „vorsätzlichen Tötung“ in dem Buch.
Eine Äußerung, die durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein dürfte, wenn die Südtiroler Justiz noch funktioniert.
Schiebel bezieht sich in der inkriminierten Buchpassage auf unzählige Studien, die belegen, dass Pestizide schwere Krankheiten verursachen können. Einen konkreten Täter benennt er nicht, aber er nennt das Giftspritzen „Tötung durch vorsätzliches Ignorieren der Gefahren“. Eine Äußerung, die durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein dürfte, wenn die Südtiroler Justiz noch funktioniert.
In einem Telefonat mit der taz fand Alexander Schiebel die unerwartete Werbung für Film und Buch gar nicht so schlecht: „Der Sache wird das dienlich sein. Die Pestizidgefahr vor Gericht zu diskutieren, darauf freue ich mich schon.“ Dennoch bleibt der Schaden, bleibt die Angst, wen es als Nächstes trifft. Die Grünen im Südtiroler Landtag haben Regierungschef Kompatscher deshalb aufgefordert, sich deutlich von der Giftattacke auf den Biobauern zu distanzieren. Reaktion: bisher keine. 
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Do., 05.10.2017 - 19:59

Wer hätte gedacht dass man mit einem Plakat soviel erreichen kann?
Kann sich jemand vorstellen man hätte es einfach hier ignoriert?
Der Prozess wird dann immer wieder Anlass geben darüber zu berichten. Was könnte man sich sonst noch wünschen?

Do., 05.10.2017 - 19:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Klaus Griesser
Klaus Griesser Do., 05.10.2017 - 21:57

Denunziert werden sollen Schiebel und Bär, die gemeldet haben was Sache ist. Gemeint sind aber die Malser. Es erhebt sich mir die Frage, warum haben die Landesämter es unterlassen, die seinerzeit eingereichten Malser Pestizidmessungen zu überprüfen? Warum hat die Landesregierung zwischen einem dagegen wütenden Bauernbund und einem 76%igen Beschluss der Wahlbevölkerung nicht ihren Wunsch unterstützt, eine Bioregion zu bilden und eine EU- Unterstützung anzubahnen?

Do., 05.10.2017 - 21:57 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Fr., 06.10.2017 - 09:20

Spricht nicht für den Autor des Artikels in der TAZ, dass er nur eine Seite der Angelegenheit anspricht. Seriöser Journalismus ist etwas anderes. Wenn man sich die Argumentation anschaut, versteht man auch gleich, wer hinter dem Artikel steckt.

Fr., 06.10.2017 - 09:20 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Elisabeth Ladinser
Elisabeth Ladinser Fr., 06.10.2017 - 11:23

Bravo, Bauernbund & Co.! Sie haben es geschafft, es über die Granzen Südtirols hinaus zu posaunen, dass der Großteil der Südtiroler Landwirte mit BIO nichts am Hut hat! mehr noch, dagegen schießend sogar vor Gerichte zieht! Sie haben leider nicht verstanden, dass BIO trendig ist und sehr, sehr viele Menschen auf diesen Zug aufsteiegen. Ihr Verhalten zeigt, dass Sie keine vernünftigen Argumente dagegen haben, wenn Menschen kundtun, dass sie möglichst gesunde Lebensmittel essen möchten. Mein Traum für die Südtiroler Landwirtschaft wäre: Kooperation statt Konfrontation! Diesbezüglich versagt leider auch die Politk. Keine Angst, so schnell verhungert kein "Konventioneller" - so giftig sind diese Äpfel auch wieder nicht!

Fr., 06.10.2017 - 11:23 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Klemens Kössler
Klemens Kössler So., 08.10.2017 - 20:25

Antwort auf von Elisabeth Ladinser

Frau Ladinser Ihre Wortmeldung ist zynisch und beschämend sind Sie doch selbst eine große Kraft bei der Hetze gegen Bauern aller Anbauarten. Ihr Fachwissen beschränkt sich auf Gesetze von Praxiserfahrungen haben Sie sich immer mit Erfolg erwehren können. Provokation in Form einseitiger Informationen ist auch Ihre Art sich wichtig zu machen. Ich bin von Ihrer Person schockiert wie einseitig und opportun Sie agieren ist schrecklich. Ihr Traum wird sich wohl eher auf den uneingeschränkten Konsum und Zutritt von Landschaft Landwirtschaft und Natur beschränken, Ihr Hass gegen die Landwirtschaft ist so stark dass man Ihnen Ihre Alibiaussagen Sie wollten Bio stärken absolut nicht glauben kann.

So., 08.10.2017 - 20:25 Permalink
Bild
Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Mo., 09.10.2017 - 11:53

Antwort auf von Elisabeth Ladinser

Die Bio Apostel sagen aber nie dass in ihrem hochgelobten Deutschland, wo diese Biopioniere ,die uns schlechtmachen, daheim sind, der Bio Anteil am Konsum von Lebensmitteln nur mickrige 5,6% beträgt. Also kaufen die, ach so gesundheitsbewussten, Bundesrepublikaner über 94% konventionelle Lebensmittel, die mit Konservierungsmitteln, Pestiziden, Farben, u.s.w. verseucht sind, wie die Bio Apostel das ganze Jahr über jammern. Da ist es wenig verwunderlich wenn sich dieser Filmemacher nicht mit seinen heimatlichen Giftfabriken, wie er sie fühlt, beschäftigt hat. 94% der Bevölkerung , die er für dumm hält, hätten sich für ihn und seine Filme sowieso nicht interessiert.

Mo., 09.10.2017 - 11:53 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Paul Stubenruss
Paul Stubenruss Fr., 06.10.2017 - 12:13

Ein Lehrstück für die Werbezunft wie man mit bescheidenen Mittel viel erreichen kann. Dumme die begleitet von Arroganz auf den Leim gehen gibt es genug.

Fr., 06.10.2017 - 12:13 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Klemens Kössler
Klemens Kössler So., 08.10.2017 - 20:31

Und weiter geht es, weiter ab vom Thema Pestiziden ab nun wird nur mehr diskutiert ob sich Landesrat und Landwirtschaftsvertreter sich erlauben dürfen Denunzianten und Brandstifter an zu klagen.
Wer bitte bringt die Diskussion zurück zum Thema welches meines Erachtens nur die Frage sein kann: "wie werden wir in Zukunft noch nachhaltiger in unserem Dasein als Mensch". Die Antwort "haut auf die Landwirtschaft drein" wird immer mehr von Menschen gemacht deren ökologischer Fußabdruck beschämend ist.

So., 08.10.2017 - 20:31 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Di., 10.10.2017 - 21:11

Eine Anhäufung von Generalisierungen und tendenziösen Aussagen die geradezu nach sachlicher Aufarbeitung schreien.
"im pestizidintensiven Obstanbaugebiet Vinschgau": im Verhältnis zu welchen anderen wichtigen Obstanbaugebieten? Wieso ist der Vinschgau intensiv?
"dass Apfelanbau sogar ohne Kupferspritzen möglich ist": welche Apfelsorten und das heisst für mich nicht das kein Spritzen mehr notwendig ist (Resistenz nur gegen eine Krankheit oder einen Schädling)?
"rief Lobbyisten der mächtigen Agroindustrie auf den Plan": welche sind dies? Südtiroler Lokalpolitiker und Verbandsvertreter? Naja...
"die Anhänger einer giftfreien Region": wo wahrscheinlich noch bis vor 30 Jahren überall in der Landwirtschaft hochtoxische Mittel eingesetzt wurden - scheint keine Relevanz zu haben, Hauptsache jetzt Bio-Zertifizierung.
"Schiebel bezieht sich in der inkriminierten Buchpassage auf unzählige Studien, die belegen, dass Pestizide schwere Krankheiten verursachen können. Einen konkreten Täter benennt er nicht, aber er nennt das Giftspritzen „Tötung durch vorsätzliches Ignorieren der Gefahren“.": Wurden auch Studien berücksichtigt, die die Giftigkeit der Planzenschutzmittel und Menge im Biolandbau vergleichend bewerten? Die Menge macht das Gift, auch von Wasser kann man sterben. Wollen Bauern massenhaft und vorsätzlich (d.h. im vollen Wissen) sich selbst töten, denn sie selbst nehmen sicher am meisten der eingesetzten Pestizide auf?

Wenngleich die Unabhängigkeit der Nachwuchsgruppe der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (DPG) e.V. für mich nicht einschätzbar ist, wirken einige Aussagen im Blogbeitrag von Sebastian Streit doch sehr interessant: http://www.blauer-schurz.it/2017/09/26/pestizidfreies-mals/
"dass, anders als in Deutschland, Rückstände von PSM auf Grünfutter zum sofortigen Entzug des Öko-Status führen." das finde ich empörend. Ich dachte die Bio-Regelung ist EU-weit gleich angewendet?
"stellt man überraschenderweise fest: Kupfersulfat als im Öko-Landbau zugelassenes Fungizid (LD50 = 300 mg/kg) besitzt eine nahezu 14-fach höhere letale Dosis als ein weit verbreiteter Wirkstoff aus der integrierten Produktion, Epoxiconazol (LD50= 4120 mg/kg). Und das ist kein zufälliger Einzelfall, im Gegenteil: 96 % aller zugelassenen Wirkstoffe gehören keiner Giftklasse mehr an, das heißt sie liegen toxikologisch im Bereich von Kochsalz oder besser." Ich glaube Herr Kripp hat mehrmals zu ähnlichen Thematiken Stellung genommen. Mir fehlt bisher der Vergleich im Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Menge, Toxizität) bei den unterschiedlichen Anbauarten bei vergleichbaren Anlagen (Sorten, Lage) und ähnlichen Erträgen (man könnte die Erntemenge oder aber den Auszahlungspreis hernehmen).

Di., 10.10.2017 - 21:11 Permalink