Politik | Zeitgeschichte

Zellers Villa

Michaela Biancofiore hat einen absurden Streit über das Haus von Karl Zeller vom Zaun gebrochen. Die FI-Politikerin zeigt dabei erstaunliche Geschichtslücken.
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Foto: Studio Zöggeler
Karl Zeller kann nur mehr lachen. „Die Frau Biancofiore braucht anscheinend etwas Nachhilfeunterricht“, sagt der SVP-Senator zu salto.bz. Anlass ist ein öffentlicher Schlagabtausch, den die Bozner Forza-Italia-Kammerabgeordnete Michaela Biancofiore vom Zaun gebrochen hat.
Biancofiore hat in den vergangenen Tagen die Südtiroler Sektion der Berlusconi-Partei wieder in die eigene Hand genommen und durchaus überraschend Giovanni Ivan Benussi zu ihrem Stellvertreter ernannt. Biancofiore versucht mit Blick auf die anstehenden Parlamentswahlen das italienische Südtiroler Mitte-Rechts-Lager zu sammeln. Ein mehr als schwieriges Unterfangen.
 
Biancofiores politische Schlagrichtung: Sie will Forza Italia wieder als Anti-SVP-Partei positionieren. Wobei die Berlusconi Amazone seit langem einen Lieblingsgegner hat: Den Meraner Senator Karl Zeller.
Weil Zeller die Vorgangsweise der neue und alten Südtiroler FI-Koordinatorin offen kritisiert, griff Biancofiore zu einer rhetorischen Frage. „Pare che Zeller viva in una villa di un ex gerarca fascista, ma per questo è fascista anche lui?“, schreibt die FI-Kammerabgeordnete in einer Presseaussendung.
 

Villa Cedri

 
Die Anspielung Biancofiores kommt nicht zufällig. Karl Zeller lebt und wohnt mit seiner Familie in Meran Obermais in der „Villa Cedri“. In einen Haus, das wie wenige die Geschichte dieses Landes widerspiegelt.
1893 erteilte Baron Eichhoff den Meraner Baumeistern Musch & Lun den Auftrag, in Obermais eine Villa im eklektischen Neorenaissance-Stil zu errichten. Heute ist von diesem ursprünglichen Herrenhaus nicht mehr viel zu sehen.
Denn im Jahr 1942 baute der Genueser Architekt Luigi Carlo Daneri, einer der bekanntesten Exponenten des italienischen Rationalismus die „Villa Eichoff“ um und verlieh ihr sein heutiges Erscheinungsbild. „Es ist ein typisch rationalistischer Bau“, sagt der heutige Besitzer Karl Zeller.
 
Zeller ließ die Villa 1995 vom Südtiroler Architektenduo Oswald Zöggeler/Marlen Inderst renovieren. Es war eine Generalsanierung und Modernisierung. Ein Jahr später wurde die Villa als „hervorragendes Beispiel rationalistischer Umbauarchitekturunter Denkmalschutz gestellt.
Seit langem kursiert in Südtirol das Gerücht, dass Karl Zellers in einem ehemaligen Haus der Mussolini-Geliebten Clara Petacci wohnt. „Das ist völliger Blödsinn“, sagt Zeller.
 

Falsche, politische Flagge

 
Dieses Gerücht und der rationalistische Bau dürften Michaela Biancofiore zum Sager über „die Villa eines ehemaligen hohen faschistischen Funktionärs“ bewogen haben.
Das Problem: Die FI-Politikerin liegt mehr als falsch.
Denn das Haus gehörte keinem faschistischen Würdenträger, sondern einem Gegner des Faschismus: Bruno De Angelis.
Bruno De Angelis 1906 in Rom geboren, studierte Rechtswissenschaften und heiratete 1931 die polnischstämmige Trudy Kierszkowski. Kierszkowskis Familie hat die Schweizer Staatsbürgerschaft, ihr Vater ist Vertreter von Meisen-Porzellan in Italien und zuhause spricht man Deutsch.
Die Kierszkowskis haben in Obermais ein Haus. Während des Krieges zieht auch Bruno De Angelis mit seiner Frau und seinen fünf Kindern nach Meran. Zuerst in die „Villa Beatrice“ und 1941 kauft man die „Villa Cedri“, die De Angelis ein Jahr später rationalistisch modern umbauen lässt.
 
In den letzten Kriegsjahren wird Bruno De Angelis, politisch ein Sozialist, der Vorsitzende des Südtiroler „Comitato di Liberazione Nazionale“ (CNL) und der Mailänder Partisan ist es auch, der im Auftrag der italienischen Regierung den Waffenstillstand mit der deutschen Wehrmachtsführung in Italien und die Übergabe Südtirols an Italien verhandelt. Als Respekt- und Vertrauensperson, sowohl der Alliierten wie auch der ersten Nachkriegsregierung wird De Angelis 1946 zum ersten Präfekten in Südtirol.
Sein Einsatz für Italien führt dazu, dass Bruno De Angelis auch heute noch in Südtirol kontrovers gesehen wird. Von der italienischen Geschichtsschreibung als Widerstandkämpfer verherrlicht, wird er von der (rechts)deutschen Geschichtsschreibung gerne als „Handlanger der Italianisierung“ dargestellt.
Sicher aber ist: De Angelis war alles andere als ein Faschist. Sein Frau und deren Familie waren Juden. Und De Angelis hat vielen jüdischen Familien geholfen.
 

Der Ausrutscher

 
Vor diesem historischen Hintergrund ist der Sager von Michaela Biancofiore ein peinlicher Ausrutscher.
Karl Zeller konterte deshalb umgehend: „Es ist nicht nur widerwärtig, dass Biancofiore einen Sozialisten und CLN-Exponenten mit einem hohen Faschistenführer verwechselt, sondern das zeugt auch von grundlegender Ignoranz".
 
Der SVP-Senator weiter: „Diese Verwirrtheit sagt einiges über ihre kulturelle Bildung aus und gereicht ihrer Rolle als Parlamentarierin nicht gerade zur Ehre. Ein Politiker sollte die Geschichte jenes Gebietes kenne, in dem er gewählt wurde. Oder wenigsten den Unterschied zwischen Faschismus und Widerstand."
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Mensch Ärgerdi… Di., 10.10.2017 - 19:16

Tja, nichts weiter als noch einen geschossenen Bock den sich Biancofiore an die Wand hängen kann. Unglaublich, dass so eine Person es immer noch in die Schlagzeilen schaft!

Di., 10.10.2017 - 19:16 Permalink