Politik | Interview

“Keine anti-italienische Aktion”

Paul Köllensperger hat für die doppelte Staatsbürgerschaft unterschrieben. Steht nun ein Schulterschluss mit der deutschsprachigen Rechten im Raum?
Paul Köllensperger
Foto: M5S Südtirol

salto.bz: Herr Köllensperger, ich bin vermutlich nicht die einzige, die bei Ihnen nachfragt…
Paul Köllensperger: Mein Gott, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es gar nicht erst gemacht. Etwas, was für mich vollkommen nebensächlich ist, kostet mich jetzt eindeutig zu viel Zeit…

Wir sprechen von dem Schreiben, mit dem 19 Landtagsabgeordnete die künftige österreichische Regierung auffordern, die doppelte Staatsbürgerschaft in ihr Koalitionsprogramm aufzunehmen. Die Initiative ging von der Süd-Tiroler Freiheit aus. Auch Freiheitliche, Bürgerunion und Teile der SVP haben ihre Unterschrift unter den Brief gesetzt – und Sie. Wie ist es dazu gekommen?
Ganz einfach: Während der letzten Regionalratssitzung ging Sven Knoll die Runde und fragte nach, wer die Initiative eventuell mitträgt. Ich habe dann festgestellt, dass der Antrag mittlerweile schon parteiübergreifend auf Anklang gestoßen war, bei der SVP und sogar bei Elena Artioli.

Da mussten Sie auch unterschreiben?
Die doppelte Staatsbürgerschaft ist bekanntlich nicht mein Thema. Das habe ich auch zu Sven Knoll gesagt. Es ist etwas, was ich für unrealistisch halte. Mit dem Landtag war ich einmal in Wien. Dort ist mir klar geworden, dass Österreich wohl keine große Absicht hat, den früheren Österreichern die Staatsbürgerschaft zu geben. Wahrscheinlich wohl auch, weil man sie dann den Ungarn und den Kroaten womöglich auch noch geben muss. Es gibt viele ehemalige Österreicher, die eventuell auch die Staatsbürgerschaft haben möchten.

Die politischen Vorzeichen haben sich seit Ihrem Besuch in Wien deutlich geändert. Alles deutet darauf hin, dass die FPÖ in Österreich künftig mitregieren wird. Und deren Haltung zur doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler ist deutlich positiver als jene des bisherigen ÖVP-Regierungspartners SPÖ.
Mein Gedankengang ist im Grunde ganz einfach: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Sollte die neue österreichische Regierung tatsächlich ihre Meinung ändern und den Südtirolern eine zusätzliche Staatsbürgerschaft ermöglichen, kann man das ja nicht von vornherein wegschmeißen.

Weil sich viele Südtiroler mit Österreich verbunden fühlen?
Eines ist natürlich der emotionale Aspekt, etwas ganz anderes der rechtliche. Es ist überhaupt nicht geklärt – und davon steht in dem Brief auch nichts –, wer genau die doppelte Staatsbürgerschaft erhalten würde. Nur die Deutschen und die Ladiner? Oder nur die, in deren Familie jemand die österreichisch-ungarische Staatsbürgerschaft gehabt hat? Und würde sie meine Tochter, die eine italienische Mutter hat, bekommen? Das ist alles erst noch zu klären. Aber auf all das wollte ich eigentlich gar nicht eingehen…

Doch Sie sagen Ja zum Doppelpass?
Wie gesagt, noch stehen viele Fragen im Raum. Aber sollte es zustande kommen, warum nicht? Sollte es tatsächlich so weit kommen, müssen die juridischen Aspekte geklärt werden, und es wird sich herausstellen, ob es überhaupt machbar ist. Danach können wir immer noch entscheiden, ob wir das wollen oder nicht wollen bzw. zu welchen Konditionen. Aber nachdem es so weit höchstwahrscheinlich nicht kommen wird, habe ich mir keine tiefer gehenden Gedanken gemacht.

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist für Sie kein “Herzensanliegen”, wie sie Landeshauptmann Arno Kompatscher für seine Partei, die SVP, definiert?
Das kann man so sagen. Es ist nicht mein Herzensanliegen, ich kümmere mich um ganz andere Themen. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist für mich ein völliger Nebenschauplatz.

Warum haben Sie den Brief dann unterschrieben?
Mit ein Grund war, dass Sven Knoll zuvor meinen Antrag zur Einsetzung einer Untersuchungskommission zur Südtiroler Sparkasse und den Misstrauensantrag gegen Landtagspräsident Roberto Bizzo mit unterschrieben hatte. Für mich war es eine Frage der “correttezza istituzionale”, des institutionellen Anstandes, ihm bei seinem Herzensanliegen entgegenzukommen, wenn er meines unterstützt.

Haben Sie bedacht, dass Sie einige Leute mit Ihrer Unterschrift vor den Kopf stoßen könnten? Etwa jene italienischsprachigen Bürger im Land, die Ihre Partei, den Movimento 5 Stelle, wählen? Haben Sie nicht Angst, mögliche Wähler zu verprellen?
Darüber habe ich ehrlich gesagt nicht lange genug nachgedacht. Aber es war in keinster Weise eine anti-italienische Aktion. Dass es von manchem Italiener so gesehen werden könnte – das hätte ich mir, im Nachhinein gesagt, wahrscheinlich besser überlegen sollen.

Aber momentan gibt es Wichtigeres als die doppelte Staatsbürgerschaft…
Absolut. Das habe ich Sven Knoll auch gesagt als ich unterschrieben habe.

…zum Beispiel den bevorstehenden Wahlkampf? Sie werden als heißer Kandidat für den Senatswahlkreis Bozen-Unterland gehandelt. Eine Allianz mit der italienischsprachigen Rechten, um SVP und PD den Sieg dort streitig zu machen, haben Sie bereits als “sehr unwahrscheinlich” ausgeschlagen. Was machen Sie, wenn nun die deutschsprachigen Rechtsparteien nach dem Brief nach Österreich erneut an Sie herantreten – mit dem Angebot, Sie als parteiübergreifenden Kandidaten für das Parlament zu unterstützen?
Diese Hypothese ist mir völlig neu. Aber wenn dem so wäre: Unterstützung nimmt man gerne an. Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass die wohl eher meiner liberalen Grundhaltung geschuldet wäre denn Themen wie Staatsbürgerschaft oder Freistaat.

Haben Sie weitere Aktionen gemeinsam mit der Süd-Tiroler Freiheit, Freiheitlichen oder Bürgerunion geplant?
Das können Sie ausschließen. Ich war mit diesen Parteien noch nie auf einer Linie. Hie und da gibt es ausnahmsweise einmal ein Sachthema, bei dem wir einer Meinung sind. Aber man braucht sich nur das Abstimmungsverhalten im Landtag anzusehen um zu verstehen, dass die Gemeinsamkeiten sehr spärlich gesät sind. Und ich werde auch keine weitere Zeit in das Thema doppelte Staatsbürgerschaft investieren.

Werden Sie bei den Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr antreten?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Wir müssen das erst intern in der 5-Sterne-Bewegung besprechen. Demnächst gib es ein Treffen in Rom und danach schauen wir weiter.

Bild
Profil für Benutzer kurt duschek
kurt duschek Mi., 22.11.2017 - 07:45

Bin an diesem Thema eigentlich nicht besonders interessiert. Sprachlich finde ich es eigenartig von einer "doppelten Staatsbürgerschaft" zu sprechen. Meiner Meinung nach müßte man von "zweiter Staatsbürgerschaft" ausgehen. Doppelt ist für mich immer noch zwei mal das Gleiche. Man ist ja auch nicht "doppelsprachig" sondern ganz einfach mehrsprachig.

Mi., 22.11.2017 - 07:45 Permalink
Bild
Profil für Benutzer alfred frei
alfred frei Mi., 22.11.2017 - 09:20

zuerst bis 100 zählen, bevor man so ein Ansuchen unterschreibt, Herr Köllensberger, auch um zu verhindern, einen schwindelerregenden Politslalom hinzulegen, der einer "doppelten" Mandatsausübung gleicht.

Mi., 22.11.2017 - 09:20 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Mi., 22.11.2017 - 10:51

Ich freu mich schon drauf, wie der Chefredakteur der ZEIT Giovanni di Lorenzo, bei den nächsten EU-Wahlen zweimal abstimmen zu können. :-D

Mi., 22.11.2017 - 10:51 Permalink
Bild
Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Mi., 22.11.2017 - 22:30

Ausserdem sollten in den letzten drei Generationen nur deutsche Schäferhunde in den Familien gehalten worden sein.

Mi., 22.11.2017 - 22:30 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Pasqualino Imbemba
Pasqualino Imbemba Do., 23.11.2017 - 13:59

@Ralph Kunze: Auch wenn Teile davon serbisch-nationalistisch waren? Versuchen Sie, nach vorn zu denken: Wir bräuchten eher eine europäische Staatsbürgerschaft, weniger nationale. Die Chance, vom schönen aber schlecht regierten Italien 'wegzukommen', liegt m. E. in einem europäischen Föderalismus, der ja durchaus regional organisiert sein kann.

Do., 23.11.2017 - 13:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Do., 23.11.2017 - 16:18

Und wieso müssen alle 4 Großeltern bzw. 8 Urgroßeltern als österreichische Staatsbürger auf die Welt gekommen sein.
Was wenn die Urgroßmutter mütterlicher Seits Münchnerin war? Da nicht? Das ist doch voll unfair!

Do., 23.11.2017 - 16:18 Permalink