Politik | SVP

Blockfreies Bauchweh

Philipp Achammer hat mit seiner blockfreien SVP den Landeshauptmann und die eigenen Parlamentarier arg in Verlegenheit gebracht. Steckt dahinter eine Strategie?
Philipp Achammer
Foto: Philipp Achammer
 
Arno Kompatscher nutzte die Bühne, und er setzte die Botschaft ganz an das Ende seiner Rede. Ein Politiker tut das, wenn er will, dass seine Ansprache bei den Zuhörern auch ankommt.
Der Südtiroler Landeshauptmann hielt am Mittwoch in seiner Funktion als Präsident der Region die Haushaltsrede im Regionalrat. Kompatscher schloss seine Ausführungen dabei mit einem parteipolitischen Ausblick.
Seine Worte:
 
„In den nächsten Monaten werden wir uns vor allem mit der politischen Entwicklung Italiens beschäftigen müssen, weil für die Überarbeitung des Statuts ein günstiges Klima ausschlaggebend ist. Die sich in ganz Italien durchsetzende Bestärkung zu einem differenzierten Regionalismus und die wiederkehrende Vorstellung eines Europas der Regionen wirken sich positiv auf unser Vorhaben aus. Also werden wir Bündnisse eingehen und als starker Ansprechpartner in Rom auftreten müssen, zur Unterstützung der Förderungen um mehr Autonomie. Es wird kein leichter Weg sein, der zweifelsohne zahlreiche Unwägbarkeiten birgt. Wir werden einen kleinen Schritt nach dem anderen machen, wie wenn wir einen steilen Berghang in Angriff nehmen. Wir werden nicht stehen bleiben, sondern beständig, wachsam und entschlossen unser Ziel verfolgen.“
 
Der alpin-politische Ausflug ist kein Zufall, sondern eine bewusste Kurskorrektur. Denn acht Tage zuvor war eine ganze andere Botschaft von Bozen nach Trient und vor allem nach Rom transportiert worden.
 

Achammers Schachzug

 
Die SVP zieht 2018 „blockfrei“ in die Parlamentswahl - das war die Schlagzeile, mit der SVP-Obmann Philipp Achammer  am  Dienstag letzter Woche an die Öffentlichkeit ging.
Achammer distanzierte sich damit deutlich vom traditionellen Bündnispartner PD. Seine Botschaft: Die SVP tritt bei der Parlamentswahl 2018 „blockfrei“ ohne gesamtstaatliches Bündnis an. Zumal das Wahlgesetz keinen Mehrheitsbonus mehr vorsieht, sei das weder nötig noch sinnvoll.
Philipp Achammer schränkte aber ein: Die SVP werde ein territoriales Abkommen anstreben, um autonomiefreundliche Kräfte nach Rom zu bringen. Und dann äußerte der SVP-Obmann einen Satz, der auf den Südtiroler PD wie das rote Tuch auf einen Stier wirken muss. „Dies könnte sogar dazu führen, dass die SVP-Wähler im Wahlkreis Bozen/Unterland nicht wie seit Jahren üblich Italiener wählen müssen“, meinte Achammer.
 
Das Tagblatt der Südtiroler wusste zudem zu berichten, dass Achammers Vorschlag, 2018 ohne gesamtstaatliches Bündnis in die Wahl zu ziehen, in der SVP-Leitung mit Erleichterung aufgenommen und mit Applaus einstimmig abgesegnet wurde.
 

Zuschauer Zeller

 
Einer hat aber nicht mitgeklatscht: SVP-Vizeobmann Karl Zeller. Der SVP-Senator und Sprecher der Autonomiefraktion im Senat saß zu diesem Zeitpunkt täglich bis 4 Uhr früh im Haushaltsausschuss in Rom, um wichtige Abänderungsanträge für Südtirol durchzubringen. Am Ende ging es gut: die Vergabe der Konzessionen für Großkraftwerke, eine vorteilhafte Steuerregelung, der Durchbruch bei der Autobahnkonzession, das Weihnachtsgeschenk für die Südtiroler Staatsräte und einige weitere Gustostückerln, die sich schön verpackt im Haushaltsgesetz finden und die man lieber nicht an die große Glocke hängt. Es war ein Ringen und ein Kampf, der zehn Tage gedauert hat und dessen Ergebnis sich durchaus sehen lassen kann.
Ausgerechnet auf der Zielgeraden aber schlug dieser Marschflugkörper aus der Bozner Brennerstraße in Rom ein. Achammers Ode an die Blockfreiheit war für Zeller & Co. wie ein Schlag in die Magengrube. Da hatte man in Rom der PD-Regierungsmehrheit gerade große Zugeständnisse abgerungen, und der Dank aus Bozen: eine klare politische Distanzierung des SVP-Obmannes.
Achammers Ode an die Blockfreiheit war für Zeller & Co wie ein Schlag in die Magengrube.
Es scheint mir, dass gewisse Herren ihren Blick auch unter die Salurner Klause richten sollten“, reagiert Karl Zeller im privaten Kreis auf dieses Sperrfeuer des SVP-Obmannes. Wer den Meraner Politiker kennt, weiß, dass er es nicht goutiert, wenn man ihm gewissermaßen dazwischenfunkt.
 

Achammers Schwenk?

 
Die große Frage, die man sich jetzt aber unterm Edelweiss stellt: War Philipp Achammers politisches Outing nur ein unvorsichtiger Betriebsunfall, oder steckt weit mehr dahinter?
Der SVP-Obmann ist zu intelligent und politisch zu versiert, um eine solche politische Botschaft aus Versehen oder unüberlegt zu lancieren. In Wirklichkeit dürfte Achammer einen bewussten strategischen Schachzug  gewählt haben.
Die angemahnte Blockfreiheit ist ein Schwenk der SVP nach rechts. Es könnte im Großen das sein, was die SVP im Kleinen in den Gemeinden Leifers und Branzoll gemacht hat: Man bereitet den Frontenwechsel auch auf nationaler Ebene vor.
 
Zudem geht es um die in 11 Monaten anstehenden Landtagswahlen. Die SVP hat eine Heidenangst vor der Südtiroler Rechten. Unterm Edelweiß weiß man nur zu gut, dass man auf der rechten Flanke sehr alt aussieht. Gerade hier lauert mit den Freiheitlichen, der Süd-Tiroler Freiheit und Andreas Pöder aber die schärfste politische Konkurrenz. Dass die SVP gerade jetzt das Langzeitthema Doppelpass aufgreift (es gibt einen Parteibeschluss aus dem Jahr 2012) ist alles andere als ein Zufall. Die Volkspartei will zeigen, wer die echten, strammen Tiroler sind.
Unter diesem Gesichtspunkt kann man auch Achammers plötzliche Blockfreiheit sehen. Der SVP-Obmann weiß, dass weite Teile der SVP sich genau diese Positionierung wünschen. Etwa das Pustertal und der dortige neue SVP-Senator in spe Meinhard Durnwalder.
 

Die Feuerwehr

 
Philipp Achammer emanzipiert sich mit dieser politischen Positionierung bewusst und geschickt von Landeshauptmann Arno Kompatscher und dem SVP-Schattenobmann Karl Zeller. Schlägt der SVP-Obmann damit jenen Weg ein, den sein Freund Sebastian Kurz in Österreich vorgemacht hat?
Man weiß, dass hinter Achammer mit der Athesia ein großer Südtiroler Medienkonzern steht, der nur allzu gern dem amtierenden Landeshauptmann Arno Kompatscher am Zeug flickt. Die Frage ist: Getraut sich der junge SVP-Obmann, den Königsmörder zu spielen?
 
 
Schlägt der SVP-Obmann damit jenen Weg ein, den sein Freund Sebastian Kurz in Österreich gemacht hat?
Wohl kaum. Wie beim Fechten täuscht Achammer erst einmal an.
Arno Kompatscher, Karl Zeller & Co. müssen dann die Scherben aufsammeln. Der Landeshauptmann versucht deshalb, öffentlich dagegenzusteuern. Und Karl Zeller veröffentlicht in der Tageszeitung seine Erfolgsbilanz mit dieser Regierung und diesem Bündnis.
Alles kein Zufall. Sondern beginnender Wahlkampf unterm Edelweiss.
Man wird sehen, wie weit das noch gehen wird.
 
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Karl Trojer Do., 07.12.2017 - 17:18

... und da besingen wir in zig Liedern die "tiroler Treue" ... es erscheint mir nicht nur ethisch fraglich, sondern auch als politisch unklug, zu meinen, man müsste die Populisten populistisch überholen, um nicht von ihnen überholt zu werden... Nur wer auch in harten Zeiten fair bleibt, wirkt nachhaltig glaubwürdig. Wäre eine "Blockfreiheit" der SVP dem PD gegenüber fair ? Kann die Lega eines Salvini für die SVP, die Südtiroler Volkspartei, ein Partner sein ?

Do., 07.12.2017 - 17:18 Permalink