Politik | Geschlossener Hof

Vaters Schuld

Der Direktor des Südtiroler Bauernbundes Siegfried Rinner hat uns folgende Stellungnahme zum Salto-Beitrag „Ums Erbe betrogen“ zukommen lassen.
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Foto: Suedtirolfoto.com/Helmuth Rier
Das, was im Beitrag „Ums Erbe betrogen“ beschrieben wird, hat nichts mit dem Geschlossenen Hof an sich zu tun. Es ist die Entscheidung des Erblassers (Vaters), wem er sein Eigentum gibt und in welcher Form. Der Vater hat wohl ganz bewusst den Hof geschlossen, um ihn nicht teilen zu müssen.
Der Geschlossene Hof, um den Südtirol von vielen Bergregionen beneidet wird, hat eine ganz besondere Aufgabe: Die Zerstückelung von Höfen zu verhindern. Wenn Höfe mehrmals hintereinander aufgeteilt werden und nur mehr Klein- und Kleinsthöfe übrigbleiben, werden die Höfe früher oder später aufgegeben und die landwirtschaftliche Tätigkeit an den Nagel gehängt. Beispiele aus anderen Regionen belegen das.
Der Geschlossene Hof sichert hingegen das Überleben der Höfe und der Landwirtschaft.
Im konkreten Fall von Frau Maria ist nicht dem „Instrument“ des Geschlossenen Hofes ein Vorwurf zu machen, sondern einzig und alleine dem Erblasser (Vater).
Im konkreten Fall von Frau Maria ist nicht dem „Instrument“ des Geschlossenen Hofes ein Vorwurf zu machen, sondern einzig und alleine dem Erblasser (Vater). Er hatte alle Möglichkeiten der Welt, eine andere, für die Tochter akzeptablere Erbregelung zu finden. In der Tat stellt sich die Frage, was den Vater dazu bewogen hat, den Sohn so zu bevorzugen. Eine Antwort darauf kann wohl nur die Familie geben.
Im Höfegesetz jedenfalls gibt es keine Benachteiligung der Frau. Der Anspruch auf den Pflichtteil des Erbes bleibt auch beim Geschlossenen Hof bestehen. So leer wie im Beitrag dargestellt, wird Frau Maria somit wohl hoffentlich nicht ausgehen.
 
Noch einige Worte zum Ertragswert. Dieser ist im Höfegesetz festgelegt und wird von einem Schätzer definiert. Das können Agronomen sein, die Abteilung Betriebsberatung im Südtiroler Bauernbund oder jeder andere befähigte Freiberufler. Der Ertragswert entspricht jenem Ertrag, den der Hof im Stande ist, in 20 Jahren abzuwerfen. Das heißt, der Ertrag von 20 Jahren (abzüglich der eigenen Arbeitskosten) wird auf die Erben aufgeteilt.
Müsste der Marktwert ausbezahlt werden, so würden wohl die meisten Höfe verkauft werden. Kaum ein Hofübernehmer wäre in der Lage, so viel Geld aufbringen.
Dazu ein Beispiel: In Südtirol liegt der Ertrag weit unter dem Marktwert der Grundstücke. Eine Obstwiese von 1 ha hat, sagen wir, einen Marktwert von 500.000 Euro. Bei einem Hof von 3 ha und 3 Kindern müssten der Hofübernehmer den beiden weichenden Geschwistern insgesamt eine Million Euro auszahlen.
Das würde also bedeuten, dass der Hofübernehmer 40 Jahre lang ausschließlich für die Auszahlung der weichenden Geschwister arbeiten müsste. Von was soll er und seine Familie leben? Und wie soll er nötige Investitionen finanzieren?
Bei unserem Beispielhof mit drei Hektar liegt der Ertragswert also bei 270.000 Euro, der an die weichenden Geschwister ausgezahlt wird.
Zurück zum Ertragswert. Der Ertragswert beläuft sich bei einem Obstbaubetrieb mit Anlagen in einem normalen Zustand auf 80.000 Euro bis 100.000 Euro. Nehmen wir der Einfachheit halber 90.000 Euro als Durchschnitt.
Sollten Gebäude, die über das zulässige Volumen des Geschlossenen Hofes hinausgehen, oder auch Baugründe vorhanden sein, dann werden diese mit dem Marktwert berücksichtigt, da sie für die Führung und Bewirtschaftung des Geschlossenen Hofes nicht notwendig sind. Bei unserem Beispielhof mit drei Hektar liegt der Ertragswert also bei 270.000 Euro, der an die weichenden Geschwister ausgezahlt wird. Diese Summe kann der Hofübernehmer in etwa 15 Jahren erarbeiten.
Was zudem nicht zu vergessen ist: Meist übernimmt der Hofübernehmer auch die Pflege und den Unterhalt der Eltern.
Die Erbschaftsregelung zum geschlossenen Hof garantiert also:
Die Unteilbarkeit des Hofes und damit den Erhalt seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
Die Überlebensfähigkeit des Hofes durch einen vernünftigen Ausgleich (Ertragswert) zwischen Übergeber (erhält im Regelfall Wohnung, Unterstützung und Pflege), dem Übernehmer und den Weichenden.
Was der Fall von Frau Maria mit dem Geschlossenen Hof zu tun hat, ist mir schleierhaft. Frauen sind bei der Hofübergabe gleichberechtigt.
Zusammengefasst: Was der Fall von Frau Maria mit dem Geschlossenen Hof zu tun hat, ist mir schleierhaft. Frauen sind bei der Hofübergabe gleichberechtigt. Der Vater könnte dem Sohn genauso zwei Hotels oder fünf Wohnungen überlassen und der Tochter oder einem anderen Sohn – bis auf dem Pflichtteil – nichts vererben.
Der Wille des Erblassers ist im Rahmen des vom Zivilgesetzbuch Möglichen zu respektieren!
Zudem halten sich die Streitfälle bei Hofübergaben auch von Geschlossenen Höfen in Grenzen, was auch zeigt, dass die Weichenden sehr wohl wissen, was machbar ist und was nicht.
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Hans Obermair Mo., 15.01.2018 - 13:35

Ha, das finde ich aber lustig: Der Vater soll schuld sein.... Ja, eh! Aber das Südtiroler mittelalterliche Höferecht macht diese Diskriminierung erst möglich, das ist der springende Punkt! Den Vater werden wir wahrscheinlich nicht mehr ändern, aber vielleicht das Höfegesetz?

Mo., 15.01.2018 - 13:35 Permalink
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magda baur Mo., 15.01.2018 - 15:46

Also hängt alles von der Gutmütigkeit des Erblassers ab. In keinem anderem Erbgesetz in Europa hat der Erblasser so viel Macht und Spielraum wie im Höfegesetz. Deshalb muss es endlich abgeschafft werden.

Mo., 15.01.2018 - 15:46 Permalink
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Hans Obermair Mo., 15.01.2018 - 21:00

"Der Wille des Erblassers ist im Rahmen des vom Zivilgesetzbuch Möglichen zu respektieren!" (mit Rufezeichen!). Das Zivilgesetzbuch sieht einen Pflichtteil vor, der am Marktwert zu berechnen ist und nicht an einem "Ertragswert" (Vorsicht: Fehlbezeichnung - der "Ertragswert" des Höfegesetzes hat mit einem "Ertragswert" im Sinne dieses Wortes nichts zu tun - es ist de facto ein Pappenstiel).

Der Wille des Erblasser kennt klare Grenzen: deshalb gibt es auch ein Erbrecht, deshalb gibt es einen Pflichtteilanspruch. Das gilt italienweit, das gilt europaweit und das sollte auch in Südtirol für den geschlossenen Hof gelten.

Wenn ich mir diesen Fall anschaue, dann wird der Bruder schon nicht am Hungertuch nagen müssen, wenn er der Schwester den bescheidenen Pflichtteilsanspruch von einem Viertel des elterlichen Hofes auszahlt. Er hat ja offenkundig Millionen (Euro!) auf der hohen Kante um ganze Ländereien in der Poebene zu kaufen!

Mo., 15.01.2018 - 21:00 Permalink
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Erich Frene Mo., 15.01.2018 - 21:22

Wie kommt eigentlich ein 51jähriger Bauer im Burgengrafenamt zu Millionenbeträgen? So ganz nebenbei? Seine Arbeitszeit hat er ja ganz für den Hof seines Vaters aufgewendet. Deshalb hat er ja von diesen mehrere ha mit entlohnender Schenkung ("donazione remuneratoria") übertragen erhalten. Die weiteren Millionen hat er dann in seiner Freizeit verdient?

Mo., 15.01.2018 - 21:22 Permalink
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Sell Woll Di., 16.01.2018 - 08:40

Die Tatsache dass Rinner den erwirtschaftbaren Ertrag pro Hektar OBSTfläche, denn davon ist hier die Rede, mit 6.000 Euro pro Jahr beziffert (270.000:3 Ha.:15 Jahre) sagt alles. Es ist davon auszugehen dass die Marktpreise der Grundstücke viel eher den wirklichen Ertrag widerspiegeln und die liegen in den besten Lagen bei über 1 Mio. pro Hektar. Stimmte der von den Schätzungen festgelegte Ertragswert so müsste ein Bauer 60-70 Jahre arbeiten um den Kaufpreis abzuzahlen was niemand täte. Aber die Käufe zu diesen Preise finden statt, also muss der Ertrag viel höher sein und die Auszahlungen an die Geschwister sind ein Pantsch. Übrigens auch die Einkommenssteuer die auf diese fiktiven Mikroerträge berechnet wird...

Di., 16.01.2018 - 08:40 Permalink
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Sigmund Kripp Di., 16.01.2018 - 17:28

Antwort auf von Erich Frene

Also die Bauern sind nicht daran Schuld, dass die Grundstückspreise so astronomisch hoch liegen! Die gesamte Gesellschaft Südtirols verbraucht den knappen Grund und das führt - nach den Marktgesetzen - zu dessen Verteuerung. Dass dieser Effekt bei Erbschaften auch mühsam ist (eben wegen der erträumbaren Summen) macht die Sache nicht unbedingt leichter. Die Lösung mit dem Ertragswert ist auch in anderen Ländern Sitte, die Unteilbarkeit des Hofes hat auch ihre Berechtigung. Es ist immer eine Frage des Maßes. Sowohl bei der Teilungsgrenze wie bei Frist zur Nachteilungspflicht.

Di., 16.01.2018 - 17:28 Permalink
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Sigmund Kripp Di., 16.01.2018 - 17:23

Antwort auf von Sell Woll

Grundstückskäufe im Obst- und Weinbau (ca. 60 - 80 €/m²) werden durch Landwirte fast immer aus Enteignungen bezahlt, wo auch 250 - 400 €/m² abfallen können. Oder aus betriebsfremden Einkommen, wie z.B. aus Industriebetrieben etc., wenn ein Unternehmer seinen Kindern Höfe zusammenkauft. Die 6.000 €/ha entsprechen dem Reinertrag eines Jahres. Denn die Kosten pro ha betragen ja auch etwa 18.000 €. 24.000 € ist ein realistischer Umsatz in guten (!) Jahren. Wie a.a.O. geschrieben, wäre ich für längere Nachteilungsfristen und die Möglichkeit, Höfe zu teilen, wenn sie mehr als 2 x so groß wie die Mindestgröße sind. Aus dem Reinertrag einer Obstwiese ist diese also unmöglich zu bezahlen. Das ist - wohlgemerkt - auch durchaus ein Problem in der Südtiroler Obstwirtschaft.....

Di., 16.01.2018 - 17:23 Permalink