Umwelt | Protest

Marsch gegen Pestizide

Auf den Protestmarsch gegen den Verkehr folgt nun der Marsch gegen Pestizide. In einer überregionalen Initiative, die in Südtirol rund um den Kalterer See führen soll.
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Foto: marciastoppesticidi

„Wir müssen auf die Straße gehen“, sagten erst vor zwei Wochen Bozner BürgerInnen als Antwort auf die anhaltende Verkehrsbelastung in der Landeshauptstadt. Auch bei einem weiteren Dauerbrenner wird nun auf das gute alte Protestmittel der 68-erzurückgegriffen: Marcia Stop Pesticidi – unter diesem Slogan rufen rund 100 Organisationen in Trentino-Südtirol, in Verona und in Treviso „Einwohner, Vereine, Bewegungen, Ausschüsse und Gruppen“ dazu auf, „vereint für die Verteidigung unserer Landschaft und der öffentlichen Gesundheit zu marschieren“, wie es in der Einladung heißt. 

Drei synchrone Protestmärsche, die nach dem Erfolg ähnlicher Initiativen im Vorjahr am 13. Mai durch traditionelle Wein- und Apfelanbaubaugebiete führen werden. In Follina in der Provinz Treviso, in San Pietro im Herzen des Valpolicella-Gebietes und am Kalterer See, den die Pestizidgegner in einer Wanderung umrunden wollen. Herz des lokalen Protestkomitees ist der WWF Bozen. Unterstützt wird er von Ambiente e salute Bolzano, dem Promotorenkomitee von Mals, der solidarischen Einkaufsgenossenschaft GASlein aus Meran, der Initiativgruppe Unterland, Italia Nostra Bolzano, Legambiente Bolzano, PAN Italia und der Umweltschutzgruppe Vinschgau.

„Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation verursachen Pestizide jährlich etwa 200.000 Tote weltweit und nach Erhebungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit enthalten 45% der von uns verbrauchten Lebensmittel Spuren von Pestiziden“, heißt es in der Begründung der Protestmärsche. Darin listet das Komitee noch einmal alle Gefahren auf, die mit chemisch-synthetischem Pflanzenschutz verbunden werden: Von verschiedenen Krebserkrankungen und Modifizierungen des endokrinen Systems über die langfristigen Schäden für die Produktivität der bebauten Gründe, die Qualität der Ernten und die  Biovielfalt bis hin zu Luftverschmutzung, Verschmutzung des Bodens und Grundwassers sowie der Gefährdung einer Vielzahl von Lebewesen. „Die auf Chemieeinsatz basierende intensive Monokultur führt zu einer schrittweisen Verarmung und Auslaugung der wertvollen kulturellen Ressource Landschaft“, schreiben die PromotorInnen der Märsche. 

 

Allein in Südtirol seien durch den industriellen Apfelanbau rund 1100 Tierarten vom Aussterben bedroht, sagen sie. Als konkretes Beispiel dafür wird das Bienensterben genannt, das nicht nur mit Pestiziden und Fungiziden, sondern auch mit dem Verschwinden ihres Habitats, also blühenden Wiesen, in Zusammenhang stehe. „Trentino-Südtirol hält den traurigen Rekord, die Region mit dem größten Pestizidverbrauch pro Fläche zu sein: 45,02 kg pro Hektar, mehr als sechs mal so viel wie der nationale Mittelwert von 6,66 kg/ha“, werden ISTAT-Daten aus dem Jahr 2014 zitiert. 

Verbindlichen Pestizid-Einsatz festlegen

Marschiert wird jedoch nicht nur gegen ein Modell, sondern für seine Alternative. Konkret: „Landwirtschaftliche Praktiken, wie die Biodistrikte und die kurzen Produktionsketten, die in den vergangenen Jahren bewiesen haben, dass der Schutz der Gesundheit und der Umwelt mit der Herstellung gesunder Lebensmittel und Schaffung von Arbeitsplätzen vereinbar ist, wodurch auch die Vielfalt der lokalen Erzeugnisse gefördert wird“, heißt es.

Von der Europäischen Kommission fordern die Promotoren des Marsches, die kürzlich verlängerte Zulassung von Glyphosat zu überdenken und allgemein die Zulassungsprozeduren von Pestiziden zu überarbeiten sowie auf EU-Ebene gemeinsame Ziele zur verbindlichen Verminderung von deren Einsatz festzulegen. Mindestens ebenso einschneidende Maßnahmen werden Regierungen auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene abverlangt: Unter dem Stichwort „Einhaltung des Vorsichtsprinzips“ treten die Promotoren der Protestmärsche für Pestizidverbote ein, beginnend  mit dem „permanenten Verbot der Substanzen, die Ausnahmeregelungen unterliegen“. Verstärkte Kontrollen und Sanktionen, eine Einstellung der Förderung von intensiver Landwirtschaft und Monokulturen und die Förderung einer biologischen Landschaft sowie die Gründung von Biodistrikten stehen weiters auf dem Forderungskatalog. 

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Sigmund Kripp Do., 03.05.2018 - 19:59

Ach, ach, ach! Wieder die 45 kg/ha! Wenns nur die Menge wäre! Wir Biobauern benötigen viel mehr KILOGRAMM Pflanzenschutzmittel, als in der chemisch-synthetischen Landwirtschaft! Einfach, weil unsere Mittel so schwach wirksam sind! Wenn also in Südtirol mehr kg/ha verbraucht werden, als staatsweit, könnte das auch heissen, dass bei uns mehr Bio angebaut wird.... (obwohl es immer noch gar nicht genug ist!)

Do., 03.05.2018 - 19:59 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 04.05.2018 - 12:56

Ich möchte mal eine detaillierte Liste der 1100 Tierarten sehen, welche in Südtirol durch den konventionellen Obstanbau von Aussterben bedroht werden.

Fr., 04.05.2018 - 12:56 Permalink
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Ludwig Thoma Fr., 04.05.2018 - 14:43

Als Südtiroler Imker ist es unmöglich, von den Bienen gesammelten Pollen zum menschlichen Verzehr in Umlauf zu bringen.
Man riskiert wegen der Rückstände von Pestiziden hohe Strafen. Ein mir bekannter Imkerkollege hatte letztes Jahr eine Pollenwabe untersuchen lassen. Über 30 verschiedene chemisch-synthetische Substanzen konnten nachgewiesen werden.
Das Märchen von "nicht-bienengefährlichen" Pestiziden, zu denen die Fungizide gezählt werden, hält sich hartnäckig. Fungizide sind zwar für die lebende Biene nicht letal. Allerdings kann der gesammelte Pollen im Stock nicht mehr fermentieren. Darunter leidet die Bienenbrut, die mit hochwertigem Pollen aufgezogen wird. Im Ergebnis sind die Völker schwächer und anfälliger für andere Faktoren, wie z.B. die Varroamilbe. Es wird dann oft so getan, als hätte der Imker es verabsäumt eine wirksame Varroabekämpfung durchzuführen und somit allein Schuld an der Misere sei.
Bei Aussprachen mit dem Beratungsring wird nicht ohne Arroganz darauf hingewiesen, dass die Mittel einem Zulassungsverfahren unterworfen seien, ausgebracht werden dürften und man sich an strenge Richtlinien halte. Warum es dann überhaupt zu Vergiftungen kommt, fragt man sich da. Hier findet die Pestizidlobby sofort eine Schuldige: Die Hausfrau die auf der Rosenstaude Läuse bekämpfen möchte, die hat ja nichtmal einen Giftpass und muss somit für die 45,02 kg pro Hektar herhalten.

Fr., 04.05.2018 - 14:43 Permalink
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rotaderga Fr., 04.05.2018 - 20:18
Fr., 04.05.2018 - 20:18 Permalink
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Peter Gasser Mo., 07.05.2018 - 07:18

„Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation verursachen Pestizide jährlich etwa 200.000 Tote weltweit und nach Erhebungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit enthalten 45% der von uns verbrauchten Lebensmittel Spuren von Pestiziden“, heißt es in der Begründung der Protestmärsche”...
... und ohne Pflanzenschutzmittel (nicht “Pestizide”, sonst müssten wir Medikamente für Tier und Mensch auch als Pestizide” bezeichnen) wären es 10 bis 100 Mal soviele Hungertote auf Erden. Man muss schon immer den ganzen sachlichen Bereich darstellen, und nicht herauspicken, was grad nützlich erscheint...
Zudem kann man davon ausgehen, dass bei den Protestmärschen Konsumenten von preisgünstigem Tabak, Duftstoffen, Tee, Kaffee, Baumwolle mitmarschieren, und all diese Artikel der Konzerne kommentarlos preisgünstigst konsumieren, ohne Protest, und zudem billige Bananen, Orangen, Ananas u.a. kaufen - was bedeutet dann ein Protestmarsch gegen die heimischen Bauern?
ein persönliches Alibi?

Mo., 07.05.2018 - 07:18 Permalink
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Ludwig Thoma Mo., 07.05.2018 - 09:41

Antwort auf von Peter Gasser

Herr Gasser,
wessen Ernährungssicherheit wird durch den massiven Einsatz von Agrargiften in Südtirol gewährleistet? Warum muss ich Rückstände davon in meinen Bienenstöcken dulden?
Der Konsument wäre sicher bereit lokal und bio zu kaufen. Aber wenn er, der Konsument, sich dann in den örtlichen Bioladen begibt, wird er feststellen, dass er in einem Land lebt, in dem scheinbar außer Äpfeln und Erdäpfeln nichts gedeiht. Alles andere kommt nämlich von auswärts (soviel zur Ernährungssicherheit).

Mo., 07.05.2018 - 09:41 Permalink
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Peter Gasser Mo., 07.05.2018 - 19:15

Antwort auf von Ludwig Thoma

Sie sagen also, dass in Südtirol im Vergleich zu anderen Anbaugebieten unverhältnismäßig “massiver Einsatz von Agrargiften” stattfindet im Vergleich zum weltweiten Getreide-, Tabak-, Südfrüchte-, Tee-, Genuß- und Baumwolleanbau, also von Produkten, die Sie auch konsumieren?
Der Südtiroler Bauer als der gewissenlose massiver Sünder, weltweit das Negativbeispiel?
Wenn “lokal” und “bio” die Weltbevölkerung ernähren könnte, braucht der Staat/die EU ja nur die Produktion der Pflanzenschutzmittel verbieten, nichts einfacher als das!!
Ich kaufe, wenn es geht, auch lokal und bio ein, ich benutze in meinem Garten auch fast keine Pflanzenschutzmittel (ohne geht es leideer nicht, da verrecken mir bereits im Mai durch Läuse und Zikaden alle Bäume - ist nun mal Fakt), aber geht dieser Luxus auch weltseit? Nein, nicht nur, dass es dann zu wenig Nahrungsmittel für alle gäbe, sie wären auch so teuer, dass die gesamte Tourismus- und Eventindustrie zusammenbrechen würde, dadurch auch die Handwerksbetriebe... ob dies der Grund ist, dass die Produktion der Pflanzenschutzmittel nicht verboten wird?
Mal runter mit der Weltbevölkerung auf 3 Milliarden (Stand von 1960!), dann reden wir weiter... übrigens hätte sich dann wohl auch der CO2-Ausstoß erledigt, der korreliert nämlich seit dem vorletzten Jahrhundert perfekt mit dem Anstieg der Weltbevölkerung. Ist halt a Tabu-Thema.

Mo., 07.05.2018 - 19:15 Permalink
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Ludwig Thoma Mo., 07.05.2018 - 19:50

Antwort auf von Peter Gasser

Bei mir verreckt auch ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel im Garten nichts. Aber das mag daran liegen, dass ich nicht mitten in der Apfelmonokultur lebe.
Zum Rest sollten Sie sich mal den Weltagrarbericht zu Gemüte führen, anstatt irgendwo aufgeschnapptes zum Besten zu geben.

Mo., 07.05.2018 - 19:50 Permalink
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Peter Gasser Di., 08.05.2018 - 07:14

Antwort auf von Ludwig Thoma

Natürlich. Es ist nun mal so, dass die Kurve des CO2-Anstieges mit der Kurve des Bevölkerungsanstieges seit über 100 Jahren nahezu deckungsgleich ist. Was ja durchaus Sinn ergibt.
Ist halt a unbequeme Tatsache.
Und nochmal natürlich: es gab auf der Erde in alten Zeiten schon höhere CO2-Werte - ganz ohne Menschen.
Dass wir zur Zeit in einer Eiszeit leben ist auch ein Fakt. Unbequem & verschwiegen wie ersteres.

Di., 08.05.2018 - 07:14 Permalink
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Hermann Rochholz Di., 08.05.2018 - 23:43

eieiei- mit Gutmenschen kann man nicht diskutieren. Sie sind moralisch überlegen.
Sie haben den Vorteil, dass das NIE umgesetzt wird, was sie fordern.

Selbst wenn die 2000000 Toten stimmen- bestimmt 20 000 000 überleben dadurch -
die Gegenstatistik lässt man sang- und klanglos unter den Tisch fallen.

Gegen Schädlinge setzen selbst die Pflanzen selbst Gift ein. Das Bekannteste ist übrigens das Koffein.
Ein Fraßgift.

"... Landwirtschaftsmodell nach, das zur Herstellung von Lebensmitteln mehr Kalorien verbraucht als es herstellt ..."
Sehr lustig hier!

Di., 08.05.2018 - 23:43 Permalink
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Profil für Benutzer G. M.
G. M. Fr., 11.05.2018 - 16:23

Antwort auf von Ludwig Thoma

Das EU-Parlament mitsamt Kommissionen wird nahezu Täglich von Lobbyisten beeinflusst, bzw. es wird versucht zu beeinflussen. Ein so offensichtlicher Lobbyeismus wäre im Bundestag oder in Rom nie denkbar, aber die EU ist weit weg und niemand scheint sich so richtig zu interessieren. Schade!

Fr., 11.05.2018 - 16:23 Permalink
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Profil für Benutzer Ludwig Thoma
Ludwig Thoma Mi., 09.05.2018 - 21:10

Antwort auf von Hermann Rochholz

Die von Ihnen zitierten, pflanzeneigenen Gifte: Kann man die auch in Pollenwaben (30 verschiedene!), im Bier, in der Muttermilch, im Urin und im arktischen Eis nachweisen? Das würde mich mal interessieren.
Und wenn wir anscheinend Pestizide brauchen um 20 Millionen Menschen zu ernähren (da bin ich mal gespannt auf die Statistik, bitte den Link dazu). Wäre es da nicht einfacher wir würden einfach keine Plastiktüten aus Mais, Treibstoff aus Raps usw. mehr machen, oder die Überproduktion von Masttieren etwas zurückschrauben?

Mi., 09.05.2018 - 21:10 Permalink