Politik | Absurde Steuerreform

Die falschen Versprechen der Flat Tax

Das Wahlversprechen der Lega birgt viele Tücken und kann in der konkreten Anwendung ungerechte, abstruse und leistungshemmende Auswirkungen zeitigen.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Flat tax
Foto: upi

Eine Regierung zwischen 5-Sterne-Bewegung und Lega scheint nach den letzten turbulenten Tagen in greifbare Nähe gerückt. Im Rahmen der programmatischen Verhandlungen nimmt ein Hauptpunkt, der den Alltag aller erwerbstätigen Bürger treffen wird, nämlich die geplante Einkommensteuerreform, langsam Konturen an. Was sich da abzeichnet, lässt aus vielen Gründen nichts Gutes erahnen.

Blenden wir für einmal den vorrangigen Aspekt der Finanzierbarkeit und der Folgen für den Staatshaushalt, das für die Staatsschuld fällige Zinsniveau und den Verbleib Italiens in der Eurozone aus und richten das Augenmerk auf die „technischen“ Merkmale des Reformvorhabens: Was bringt die Einführung einer Flat Tax hinsichtlich Verteilungsgerechtigkeit, Familienfreundlichkeit und Anreizen für die Leistungsbereitschaft der Bevölkerung mit sich?

Flat taxes werden üblicherweise von liberalen Kreisen propagiert, weil sie Gutverdiener von der Belastung durch eine progressive Gestaltung der Steuersätze befreien. Die italienische Verfassung schreibt für das Steuersystem das Prinzip der Progression vor, um einen Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Schichten zu erreichen. Dementsprechend erfahren die Bezieher hoher und sehr hoher Einkommen die weitaus größten Entlastungen durch die Einführung eines einzigen Steuertarifs. So spart sich jemand, der 100.000 Euro jährlich bezieht, gut 16.000 Euro an Einkommenssteuern, während Bezieher von 15.000 Euro so gut wie gar nichts einsparen. Krasser könnte die regressive Wirkung der Flat tax nicht zum Ausdruck kommen.

Die Unterschiede sind jedoch auch innerhalb derselben Einkommensstufen eklatant. Die eben bekannt gewordene Version der Steuerreform, über welche die beiden Parteien einen Konsens gefunden haben sollen, sieht eine Einteilung der Steuerzahler in zwei Kategorien vor, für die zwei unterschiedliche Steuersätze gelten sollen. Einkommen bis zu 80.000 € pro Jahr sollen mit 15%, jene darüber mit 20% besteuert werden. Dabei sollen nicht mehr die Einkommen von Einzelpersonen, sondern die Familieneinkommen berücksichtigt werden. Konkret bedeutet dies, dass die Einkommen beider Elternteile oder Partner zusammengezählt und zur Gänze mit 15% oder 20% besteuert werden. Vom bisherigen Stufentarif würde somit auf den Klassentarif umgestiegen, d.h. wer die 80.000-er Schwelle um auch nur 1 Euro überschreitet, rutscht mit dem gesamten Einkommen in die höhere Steuerklasse. Was das für die Leistungsbereitschaft der Bürger bedeutet, kann man sich ausmalen. Jeder der kann dürfte versucht sein, sein Einkommen möglichst unter diese Schwelle zu drücken, was auf zweierlei Weise erreichbar ist: Entweder wird das Arbeits- und Einkommenspensum zurückgefahren oder versucht, Teile davon in die Schwarzarbeit zu verschieben. Das reduziert nicht nur die Steuereinnahmen, sondern auch die volkswirtschaftliche Produktion und letztlich den Wohlstand.

Da die Einkommen beider Elternteile/Partner zusammengezählt werden, kann man sich vorstellen, wer von den beiden in den meisten Fällen auf Teilzeit umsatteln bzw. diese weiter reduzieren wird. Und was dies für die Renten der Frauen bedeutet. Viele Grüße zum Muttertag!
Aus Sicht der Familienpolitik hätte das Reformvorhaben für Einkommensbezieher um die 40.000 € pro Jahr kontraproduktive Auswirkungen mit der Signalwirkung: bleibt Single, macht bloß keine Kinder! Ab 50.000 Euro Familieneinkommen werden die Absetzmöglichkeiten für Kinder/Kleinkinder komplett gestrichen und damit das Nettogehalt jenem der Single angeglichen. Dem nicht genug, sollen die beiden Einkommen der Eltern zusammengezählt werden, wodurch zwei lohnabhängige Durchschnittsverdiener die 80.000 Euro-Marke knacken und in der Folge auf ihr gesamtes gemeinsames Einkommen um 5% höhere Steuern zahlen müssen als der alleinstehende Kollege. Ein einfaches Beispiel könnte so aussehen:

5 Kollegen arbeiten im selben Betrieb und verdienen alle 40.000 Euro Brutto im Jahr. A ist Single, zahlt künftig 6.000 Euro an IRPEF und spart sich durch die Reform knapp 5.000 Euro oder 45%. B und C sind ein Paar, haben jeweils eine Erstwohnung im Eigentum, in der sie ihre getrennten Hauptwohnsitze haben. Ihre Einkommen werden separat voneinander besteuert und sie bezahlen bzw. sparen sich durch die Reform gleich viel ein wie Single A. D und E sind ebenfalls ein Paar, aber verheiratet oder zusammenlebend mit demselben Wohnsitz. Sie werden als ein Steuersubjekt betrachtet und ihre Einkommen addiert. Dadurch kommen sie auf 80.000 Euro Gesamteinkommen und werden mit 20% besteuert. Zusammen bezahlen sie 16.000 Euro an IRPEF. Macht pro Kopf 8.000 Euro, also 2.000 Euro mehr als ihre Kollegen mit demselben Gehalt. Nicht nur wird die Bevorzugung von Familien abgeschafft, sondern eine regelrechte Diskriminierung von offiziellen Lebensgemeinschaften eingeführt. Kollegen A bleiben 2.000 Euro Netto mehr im Jahr, obwohl er keine Ausgaben für Kinder zu schultern hat; gleiches gilt für B und C, obwohl beide eine Wohnung besitzen und bei gleichem Einkommen tendenziell besser dastehen als D und E. Wer heiratet oder durch Kinder eine Familiengemeinschaft gründet ist hingegen der Gelackmeierte. Das dürfte der darbenden Geburtenrate in Italien kaum zuträglich sein.

Der Vorschlag erscheint auch vom Standpunkt der Logik und der Gerechtigkeit her absurd. Nehmen wir an, zwei Arbeitskolleginnen verdienen mit 40.000 Euro genau gleich viel, der Partner der einen weist ein Einkommen von 41.000 Euro auf, jener der anderen von 39.000. Das Einkommen der Ersten wird mit 20% besteuert, jenes der Zweiten mit 15%, wodurch ihr im Jahr Netto 2.000 Euro mehr bleiben als ihrer Kollegin. Wer sagt aber, dass der Partner der Ersten mehr zu den Familienausgaben beträgt, als jener der zweiten Frau? Angenommen in beiden Beziehungen steuern Mann und Frau jeweils zu gleichen Teilen zu den gemeinsamen Spesen bei, während der Rest individuell gespart wird – wie rechtfertigt sich diese unterschiedliche Behandlung?

Was auf alle Fälle bleibt, ist die absehbare Wirkung einer solchen Art von Flat Tax auf die Erwerbstätigkeit der Frauen und deren Rente, auf die Familiengründungen und auf die wundersame Zunahme von Einpersonen-Haushalten.

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Manfred Klotz Mo., 14.05.2018 - 19:03

Gut analysiert Daniel. Das sagen Fachleute schon seit Monaten, aber die Mehrzahl der Wähler ist einfach zu dumm um das zu verstehen. Es ist wohl leider so, dass wir - absurderweise - hoffen müssen, dass Lega und M5S den Karren an die Wand fahren, damit ihr Denkfehler offensichtlich wird.

Mo., 14.05.2018 - 19:03 Permalink
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Martin Daniel Mo., 14.05.2018 - 21:11

In der heutigen Zeit der Individualisierung die Familieneinkommen zusammenzuzählen und dadurch auch noch Singles steuerlich zu bevorzugen, ist einfach ungeheuerlich!

Mo., 14.05.2018 - 21:11 Permalink
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gorgias Di., 15.05.2018 - 09:24

Erstaunlich was für strunzdumme Vorschläge politisch überhaupt als diskussionswürdig angesehen werden. Die progressive Einkommenssteuer war eines der letzten großen Ideen, die die Nationalökonomie hervorgebracht hat. Dass in Marktökonomien Einkommen nicht direkt die eigenen Leistung wiederspiegeln , sollte man auch verstehen. So kann jemand für das selbe Produkt in das er eine entsprechende Arbeit gesteckt hat, davon abhängig wie gerade die Marktlage ist, unterschiedliche Preise erzielen.
Dass man ein Klassensteuersystem anstatt eines Stufensteuersystem überhaupt als Vorschlag hochkommen lässt (und sei es auch als nicht endgültiger), ist ein Zeichen, dass sich hier Stümper ans Werk gemacht haben.

Di., 15.05.2018 - 09:24 Permalink
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Johannes Friedemann Fr., 18.05.2018 - 18:09

Der Autor verbreitet Halb- und Unwahrheiten.
Zur Erinnerung zudem: von ca. 40.000.000 Steuerpflichtigen in Italien haben ca. 30.000.000 eine durchschnittliche Steuerbelastung von weniger als 15%. 13 Mio zahlen überhaupt keine Einkommensteuern.

Im Einzelnen zu den Behauptungen von Herrn Daniel:
Durch die Anwendung von Freibeträgen und Abzugsbeträgen für Familienmitglieder bleibt auch bei der Flat Tax die Progression in der Besteuerung der Einkommen gewährleistet.
Bezieher von Einkommen von 15.000 Euro zahlen bei einer Flat Tax von 15% und der auch weiterhin bestehenden No Tax Area 36% weniger IRPEF (im Detail Euro 686 pro Jahr) und nicht "so gut wie gar nichts".
Dass die Einkommen beider Elternteile in Zukunft zusammengezählt und zur GÄNZE mit der Flat Tax besteuert würden, ist blanker Nonsens. Pro Familienmitglied werden nämlich Euro 3.000 an Freibetrag festgelegt und zudem die No Tax Area berücksichtigt.
Von einer Besteuerung des gesamten Einkommens mit dem höheren Tarif der Flat Tax bei Überschreiten der Grenze von 80.000 ist im Koalitionsabkommen und im beschreibenden Dokument der Lega keine Rede. Vielmehr ist davon auszugehen, dass nur der überschüssige Betrag der höheren Flat Tax Rate zu unterwerfen ist.
Die Rechenbeispiele sind allesamt unvollständig oder falsch: Ein Ehepaar mit zusammen 80.000 Euro Einkommen erhält 6.000 Euro an Freibetrag. Dadurch beläuft sich das Familieneinkommen auf 74.000 und wird mit 15% oder 11.100 besteuert. Die derzeitige Besteuerung wäre übrigens knapp 22.000 Euro.
Das Beispiel der zwei Arbeitskolleginnen mit einem Einkommen von 40.000 Euro und mit Partnern, die jeweils 41.000 bzw. 39.000 ist ebenso falsch. Lediglich der Überschussbetrag über 80.000 (also 1.000 Euro) wird mit 20% besteuert und nicht das gesamte Einkommen.

Die grundsätzliche Ersparnis der Flat Tax sieht nach tatsächlichen Berechnungen wie folgt aus: (das Beispiel zeigt, dass Familien nicht benachteiligt werden)

Singles:
Einkommen von 100.000 Ersparnis bei Flat Tax 46%
Einkommen von 50.000 Ersparnis bei Flat Tax 53%
Einkommen von 30.000 Ersparnis bei Flat Tax 49%
Einkommen von 30.000 Ersparnis bei Flat Tax 36%

Paar mit Ehegatten und einem Kind, beide nicht berufstätig
Einkommen von 100.000 Ersparnis bei Flat Tax 50%
Einkommen von 50.000 Ersparnis bei Flat Tax 57%
Einkommen von 30.000 Ersparnis bei Flat Tax 53%
Einkommen von 15.000 Ersparnis bei Flat Tax 24%

Paar beide berufstätig und einem Kind

Einkommen von 100.000 Ersparnis bei Flat Tax 51%
Einkommen von 50.000 Ersparnis bei Flat Tax 36%
Einkommen von 30.000 Ersparnis bei Flat Tax 41%
Einkommen von 15.000 Ersparnis bei Flat Tax 34%

Die Ersparnis bei geringen Einkommen beläuft sich auf Euro 686 pro Jahr für Singles mit 15.000 Euro Einkommen; auf 7.900 Euro bei einem Paar mit Kind und mit nur einem Arbeitstätigen mit Einkommen von 50.000; 6.729 Pro Jahr bei einem Paar mit zwei berufstätigen Eltern eines Kindes und einem Einkommen von jeweils 30.000.

Die Tücken liegen nicht in den Versprechen der Lega, sondern im mangelnden Sachverständnis des Autors.

Fr., 18.05.2018 - 18:09 Permalink
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Martin Daniel Sa., 19.05.2018 - 11:49

Antwort auf von Johannes Friedemann

Sehr geehrter Hr. Friedemann, nichts würde mich mehr freuen, als mich in der Sache zu täuschen. Leider ist es so, dass:
*die Abzugsbeträge für Fam.mitglieder nur bis zu einem Fam.einkommen von 35.000 bzw. für zu Lasten lebende Mitglieder bis zu 50.000 p.a. gelten sollen
* die Einkommen in der Familie sehr wohl zusammengezählt werden sollen
* das Fam.einkommen > 80.000 laut Entwurf zur Gänze mit 20% besteuert werden soll u. nicht bloß wie bisher die Teile über einer bestimmten Schwelle
* die geplante no tax area greift für Einkommen ab einer best. Schwelle nicht mehr, siehe Grafik ab 60.000 €!
Es stimmt, diese Details stehen nicht im Regierungsvertrag geschrieben, entstammen aber einem konkreten Entwurf der Koalitionäre der am 12.5. öffentlich wurde (am 13.5. wurde der von Ihnen kommentierte Artikel verfasst) und diesem Artikel des Sole24ore (beachten Sie die Grafiken, dann sehen Sie u.a. was sich für 15.000-Verdiener änderte) entnommen werden kann:
http://www.ilsole24ore.com/art/notizie/2018-05-11/flat-tax-lega-m5s-pre…
Um die Grafiken anzuzeigen, muss man die Desktopversion wählen.

Sa., 19.05.2018 - 11:49 Permalink
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Johannes Friedemann Mi., 23.05.2018 - 16:59

Antwort auf von Martin Daniel

Zu Ihren weiteren Äußerungen, Herr Daniel:
*die Abzugsbeträge für Fam.mitglieder nur bis zu einem Fam.einkommen von 35.000 bzw. für zu Lasten lebende Mitglieder bis zu 50.000 p.a. gelten sollen
Haben Sie hier Einsicht in das entsprechende (noch nicht einmal im Entwurf bestehende) Gesetz? Zudem erwähnen Sie nicht die sogenannte No Tax Area, die in ihrer Höhe noch gar nicht festgelegt, jedoch kaum unter 7.000 Euro liegen wird und dass im Entwurf der Lega Steuerabsetzbeträge für bestimmte Lasten festgeschrieben sind, die die Progressivität garantieren sollen?
* die Einkommen in der Familie sehr wohl zusammengezählt werden sollen
Das habe ich nicht bestritten. Falsch ist, dass das gesamte Einkommen bei Überschreiten der Marke von 80.000 der Besteuerung von 20% unterliegt;
* das Fam.einkommen > 80.000 laut Entwurf zur Gänze mit 20% besteuert werden soll u. nicht bloß wie bisher die Teile über einer bestimmten Schwelle
Diese Aussage ist falsch. Alle Berechnungen gehen bislang davon aus, dass es ein Stufentarif sein wird.
* die geplante no tax area greift für Einkommen ab einer best. Schwelle nicht mehr, siehe Grafik ab 60.000 €!
Das ist auch gut so, wie wäre sonst die Progressivität gewährleistet? Für Einkommensbezieher in dieser Größenordnung ist bei einer Flat Tax keine No Tax Area notwendig.
Sie sollten zudem berücksichtigen, dass Sie hier von Einkommensklassen reden (über 50.000), die derzeit nur marginal vorkommen. Von etwa 40.000.000 Steuerpflichtigen haben 34,5 Mio ein besteuerbares Einkommen von unter 35.000 (Daten 2016).
Zudem sollten Sie zumindest den Versuch unternehmen, die positiven Seiten der Vereinfachung der Besteuerung hervorzuheben.
Abschließend dürften Sie mit mir einig sein, dass das derzeitige italienischen Steuersystem mit seinen tausenden Ausnahmeregelungen und seine "Progressivität" dazu geführt hat, dass gerade mal 34.000 Italiener ein Einkommen von mehr als 300.000 Brutto erklären und dass etwa 7,2 Mrd Euro an Steuerabsetzbeträgen gar nicht in Anspruch genommen werden (aus Gründen fehlender Kenntnis oder fehlender Einkommensteuer).
Gerne verweise ich auch auf den Umstand, dass wir in Italien bereits mehrere Flat Taxes haben, die oft und gerne vergessen werden. Die Pauschalbesteuerung auf Mieteinkünfte hat in den Jahren seit Einführung eine Erhöhung des Steueraufkommens auf diese Einkünfte mit sich gebracht. Gleiches gilt für die Einkünfte aus Kapital. Hier besteht ebenfalls seit 2018 eine Flat Tax von 26%, die gemessen an den Vorjahren weiter ausbaut wurde.
Ich wünschte mir eine etwas differenziertere Betrachtungsweise der Sachlage, vielleicht auch etwas später, sobald konkrete Gesetzesvorlagen vorgelegt werden.

Mi., 23.05.2018 - 16:59 Permalink
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Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Fr., 18.05.2018 - 22:28

Die Tücken liegen in den mangelnden Kenntnissen dieser Politiker. Wie sie diese Wahlversprechen finanzieren wollen ist ihr Geheimnis.Es sei denn die Leute glauben wirklich dass die Italiener nun den Staat nicht mehr betrügen werden, weil er plötzlich nur mehr die Hälfte der Steuern verlangt. Die Lega äfft ja nur den Trump nach. In einem Jahr, wenn die Steuereinnahmen fehlen wird der Staat zahlungsunfähig sein, d.h.mehr als schon heute, wo man auf seine Guthaben gegenüber dem Staat ja jahrelang warten muss.

Fr., 18.05.2018 - 22:28 Permalink
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Profil für Benutzer Thomas Benedikter
Thomas Benedikter Mo., 21.05.2018 - 18:11

Sehr gute Analyse, Martin, vielen Dank. Auch die Einwände des Herrn Friedemann hast du entkräftet. Abgesehen von der unsinnigen und familienfeindlichen Bevorteilung von Singles durch diese Art von Flat Tax, wird sich diese IRPEF-Reform in zweierlei Hinsicht fatal auf Italien auswirken, wie du zu Beginn deines Beitrags herausstreichst:
1. eine Flat Tax mit einer quasi-Abschaffung der Progression der Einkommensbesteuerung ist zutiefst ungerecht und vermutlich im Kern verfassungswidrig (Art. 53 "Das Steuersystem richtet sich nach den Grundsätzen der Progressivität"). Lega und M5S versuchen dieses Grundprinzip mit dem Trick zu umgehen, dass eben zwei Steuersätze vorgesehen werden. Alles dreht sich dann, wie du schreibst, darum, die 80.000-Euro Einkommensgrenze nicht zu überschreiten, mit fragwürdigen Methoden. LA STAMPA hat nachgerechnet und herausgefunden, dass die Flat Tax die 60% Höherverdienenden begünstigen wird, und das in einem Land, das heute schon in Europa zu jenen mit größerer Ungleichheit gehört.
2. die Kosten einer solchen Reform sind für ein Land mit 130% Staatsschuldenquote (im April 2018 laut Banca d'Italia 2.300 Mrd Euro) Gift für die öffentlichen Finanzen. La Stampa geht davon aus, dass die steuer- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen der grün-gelben Koalition insgesamt 65 Mrd. Euro an Mehrkosten mit sich bringen, vor allem als Mindereinnahmen des Staats. Italien kann sich das schlicht und einfach nicht leisten. Es wird dieses Experiment mit nhöherem Risikoaufschlag auf die Staatstitel zahlen müssen. Dies bedeutet wiederum einen weit höheren Aufwand für den Zinsendienst (2017: über 60 Mrd. Euro). Das bringt Italien mehr Instabilität und Zusatzkosten.
Schade und unverständlich, dass der M5S bei diesem wesentlichen Punkt - wie auch bei anderen - eingeknickt ist.

Mo., 21.05.2018 - 18:11 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Daniel
Martin Daniel Di., 22.05.2018 - 14:17

Antwort auf von Thomas Benedikter

Du nennst einen springenden Punkt: Italien erneuert jährlich Staatsschulden im Wert von etwa 400 Mrd. Euro. Eine Erhöhung der Risikoprämie um auch nur 1% lässt die Zinsbelastung jedes Jahr um zusätzliche 4 Mrd ansteigen. Wenn die gesamte Schuld erneuert ist, macht das per anno 24 Mrd. an Mehrausgaben nur für den Zinsdienst. Bei 3% höheren Zinsen das Dreifache davon. Es scheint, die Lega hat sich beim Programm großteils durchgesetzt als Preis für die Überlassung des Premiers an fen M5S...

Di., 22.05.2018 - 14:17 Permalink
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Profil für Benutzer Johannes Friedemann
Johannes Friedemann Mi., 23.05.2018 - 17:05

Antwort auf von Thomas Benedikter

Herrn Benedikter ist hoffentlich schon klar, dass die Staatsverschuldung seit 2012 - also in den Jahren der sogenannten Professoren, Sanierer und verantwortlichen Sparer an der Regierung - um sagenhafte 300 Mrd Euro angestiegen ist? Und dies NACH Berücksichtigung der Tatsache, dass in diesen Jahren die geschätzten Einkommen aus Waffenhandel, Prostitution und Drogenhandel mit in die Berechnung des Bruttoinlandsproduktes einbezogen wurden? Wer hat unter Monti & Co. nach der finanziellen Deckung der Mehrausgaben gefragt?

Mi., 23.05.2018 - 17:05 Permalink
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Profil für Benutzer Christian Mair
Christian Mair Sa., 09.06.2018 - 18:35

Kapitaleinkommen und Erbschaften sind leistungslose Einkommen, die also ohne Gemeinwohl für die Gesellschaft erworben werden. Wachsende Ungleichheiten sind eine Gefahr für die Demokratie. Diese Frage wird auch durch das Grundeinkommen ausgelassen. Ganz davon abgesehen, dass viele Menschen Ihre Identität aus der Arbeit schöpfen.
Die USA waren historisch Vorreiter darin, durch hohe Steuern unanständige Ungleichheiten zu beseitigen ohne Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum.
https://awblog.at/piketty-warum-eine-globale-vermoegenssteuer-hilft-die…

Sa., 09.06.2018 - 18:35 Permalink