Politik | Doppelstaatsbürgerschaft

Nein aus Wien

Der österreichische Nationalrat hat mit großer Mehrheit einen Antrag zur doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler abgelehnt.

Die Doppelstaatsbürgerschaft geisterte seit einigen Wochen wieder verstärkt durch die politische Landschaft Südtirols. Hintergrund war die anstehende Überarbeitung des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes und damit verbunden die fast einmalige Chance, die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler gesetzlich zu verankern. Allerdings, bevor der hiesige Wahlkampf erst richtig Fahrt aufnimmt, kommt schon das vorläufige Aus für den Traum vom Doppelpass.

Am Donnerstag wurde im Nationalrat in Wien abgestimmt und der Antrag, der die dopplete Staatsbürgerschaft für Südtioler ins Gesetz einfügen sollte, wurde mit breiter Mehrheit von SPÖ, ÖVP und Grünen abgelehnt. Eingebracht hatte ihn der Südtirol-Sprecher der FPÖ, Werner Neubauer. Seiner flammenden Rede folgten die Parlamentarier sichtlich gelangweilt, Applaus gab es nur aus den eigenen Reihen.

Hier der Mitschnitt der Wortmeldung von Werner Neubauer.

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Klaus Egger Sa., 06.07.2013 - 18:23

Ich hadere mit mir selbst; nehmen wir mal an, man würde mir die doppelte Staatsbürgerschaft anbieten. Wäre ich ein "schlechterer" Südtiroler wenn ich sie nicht annehmen würde? Oder gar schon assimiliert? Oje, oje, welch wichtige Fragen in Zeiten wie diesen...

Sa., 06.07.2013 - 18:23 Permalink
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Sylvia Rier So., 07.07.2013 - 08:10

Antwort auf von Klaus Egger

eine schlechte Südtirolerin, denn ich wüsste nicht, was ich mit einer österreichischen Staatsbürgerschaft anfangen sollte. Ziehe ich bei Passkontrollen von Fall zu Fall jenen Pass, der in dem Land, in das ich gerne einreisen würde, lieber gesehen wird? Oder bekomme ich z. B. in österreichischen Hotels bessere Preise, wenn ich den Österreicherin-Status vorweisen kann? Muss ich in Österreich wählen? In einem Land, das eh an meinem Leben vorbeiregiert wird? Von mir persönlich zumal ist Österreich genauso weit weg bzw. genauso nah wie Deutschland, die Schweiz, Frankreich usw. usf. Ich würde mir wünschen, dass das aufhört, dass man aus mir eine Österreicherin machen will, und sei es nur eine halbe.

So., 07.07.2013 - 08:10 Permalink
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gorgias So., 07.07.2013 - 00:14

Wen überrascht hier das Ergebnis? Die Promotoren dieser Idee in Südtirol, allen voran die STF, kennen wohl nicht die politische Lage in Österreich, sonst würden sie da nicht so einen Hype veranstalten. Wahltechnisch ist es für die STF nun ungeschickt, dass die Abstimmung kurz nach den Wahlen stattgefunden hat.
Aber da mache ich mir nicht wirklich Sorgen für die STF, denn seit Sie gegründet wurde und mit dem Schild am Brenner angefangen hat, ist die PR-Trommel nicht mehr still gestanden. Kurz vor die Wahlen werden sie sicher etwas aus der Schulblade ziehen.

P.S.
Die SVP als Schwersterpartei der ÖVP? Hat der Südtirolsprecher der FPÖ noch nie was vom Konzept der Sammelpartei gehört? :-)

So., 07.07.2013 - 00:14 Permalink
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Alfonse Zanardi So., 07.07.2013 - 11:14

Ich denke die doppelte Staatsbürgerschaft hat schon aus rein parteitaktischen Gründen in Wien niemals eine Chance: die Aussicht 400.000 mehrheitlich konservativ oder rechtsauslegende Wähler einzubürgern wird von einigen Parteien (namentlich SPÖ und Grüne) sicher stets zu einer Ablehnung solcher Überlegungen führen.
Mir soll's recht sein :-).

So., 07.07.2013 - 11:14 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 07.07.2013 - 16:33

Erstaunlich ist vor allem das Nein der Grünen, die sich immer grundsätzlich für die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen haben, zumal ja auch Wiens grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou die doppelte Staatsbürgerschaft (österreichisch-griechisch) hat. Konsequenterweise müsste sie jetzt eine der beiden abgeben.

So., 07.07.2013 - 16:33 Permalink
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Klaus Egger So., 07.07.2013 - 16:58

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Historisch und gesellschaftlich wird es doch noch ein paar Unterschiede mehr geben zwischen einer unbelasteten Doppelstaatsbürgerschaft wie von Frau Vassilakou (nehme ich mal an) und einem Anstreben der Doppelstaatsbürgerschaft von uns Südtirolern mit Österreich. Jeder kann dazu seine Meinung haben, dieser Vergleich hinkt aber von mir aus gesehen.

So., 07.07.2013 - 16:58 Permalink
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Harald Knoflach So., 07.07.2013 - 22:08

1. der herr neubauer würde wohl bei den von der fpö geforderten deutschtests für zuwanderer mit wehenden fahnen untergehen. der ist ja fast so super wie sein parteikollege, der herr schwab. http://www.youtube.com/watch?v=9P2F79ofbAI

2. "Seiner flammenden Rede folgten die Parlamentarier sichtlich gelangweilt, Applaus gab es nur aus den eigenen Reihen." Also für österreichische nationalratsverhältnisse kamen mir die herren und damen noch ziemlich wach vor. wer die geschehnisse im hohen haus hin und wieder verfolgt, weiß, dass das normalität ist - auch das klatschen ausschließlich bei den wortmeldungen der eigenen.

3. womit wir bei punkt drei wären: ein antrag, der von der fpö eingebracht wird, wird von den koalitionsparteien und den grünen immer niedergestimmt werden. selbst wenn övp und spö ähnliche ansichten hätten, würden sie den antrag zunächst abschmettern um ihn dann in leicht abgeänderter form selbst zu beschließen. macht die svp in südtirol ja auch immer. wiederum nix besonderes also.

4. dennoch lustig ist, dass eine volkspartei eine andere volkspartei so nett abblitzen lässt. würde alfons zanardis these stimmen, wäre die övp doch wohl froh über die 400.000 konservativen. wobei ich das mit den 400.000 konservativen nicht recht glaube, da die südtiroler parteienlandschaft ob der zugehörigkeit des landes zu italien eine anomalie darstellt. das ethnische cleavage überlagert das ideologische und daher sind ideologische zuordnungen nicht zielsicher.

5. ich halte die initiative für die doppelstaatsbürgerschaft weder für vordringlich noch für zielführend. warum das aber so konfliktreich diskutiert wird und sich manche hier beinahe freuen, dass einigen menschen diese möglichkeit verwehrt wird, versteh ich auch nicht ganz. wenn jetzt die ganzen bozner, deren vorfahren aus istrien vertrieben wurden, auch die kroatische staatsbürgerschaft erhielten, wäre das mir - und ich nehme an den meisten anderen im lande - so was von wurscht. das ist ja alles optional und nicht verpflichtend. ich finde es extrem geschmacklos und fast schon diktaturverharmlosend, dass von vielen in südtirol eine "optionsfrage" wie in den 30er-jahren daraus konstruiert wird. sorry klaus, aber du vergleichst auch äpfel mit birnen (mit faulen noch dazu).

So., 07.07.2013 - 22:08 Permalink
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Harald Knoflach Mo., 08.07.2013 - 07:04

... und nochwas herr neubauer: tirol ging noch nie von kufstein bis salurn ... sondern viel weiter. die gefürstete grafschaft war ein mehrsprachiges gebiet.

Mo., 08.07.2013 - 07:04 Permalink
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gorgias Mo., 08.07.2013 - 07:20

Antwort auf von Harald Knoflach

Wenn Herr Neubauer von Tirol spricht, dann meint der Deutsch-Tirol und nicht das historische Tirol. Hier kann man sehen, dass so wie von dieser Seite die Abspaltung Südtirol von Italiens und in die Eingliederung in eine nationalstaatliche Realität betrieben wird, es nicht in einem europäischen Geist stattfindet.
Ich glaube hier liegt das Paradox in der "Selbstbestimmungslandschaft" Südtirols, dass hier sich zwei Strömungen vermischen. Am besten sieht man es an der STF selbst, wo man zwar keine Probleme hat die Carta der EFA zu unterschreiben die sich gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit richtet, Che Guevara Bilder in der Parteizentrale aufzuhängen und den katalanischen Links-Patriotismus positiv zu erwähnen und andererseits keine Kontaktscheue zur FPÖ und zu Burscherschaften zu haben. Ein bestimmter Exponent der STF pflegt sogar Privatkontakte zu einem wohl bekannten Rechtsradikalen.

Mo., 08.07.2013 - 07:20 Permalink
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Harald Knoflach Mo., 08.07.2013 - 09:10

Antwort auf von Harald Knoflach

das ist in der tat paradox. damit beweisen diese leute, dass sie in genau jenen bahnen denken, die tirol viel leid beschert haben.
wobei die "selbstbestimmungslandschaft" glücklicherweise etwas bunter ist als die stf und hoffentlich noch viel bunter wird.

Mo., 08.07.2013 - 09:10 Permalink
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Harald Knoflach Mo., 08.07.2013 - 09:11

Antwort auf von Harald Knoflach

das ist in der tat paradox. damit beweisen diese leute, dass sie in genau jenen bahnen denken, die tirol viel leid beschert haben.
wobei die "selbstbestimmungslandschaft" glücklicherweise etwas bunter ist als die stf und hoffentlich noch viel bunter wird.

Mo., 08.07.2013 - 09:11 Permalink
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Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Mo., 08.07.2013 - 09:14

Antwort auf von Harald Knoflach

Genau genommen ist auch der Begriff "Südtirol" ein deutschnationaler, in einer Zeit für das Brenner-Salurn-Gebiet uminterpretiert, in der auch die Kriegsverlierer der Nationaldenke erlegen waren. Dem heutigen Trentino hatte der Begriff wohl nie geschmeichelt. Wenn wir fast 100 Jahre lang so einen Begriff liebevoll verwenden, dann können wir doch von einem FPÖler nicht den Durchblick erwarten.
Manchmal muss ich schmunzeln, wenn Bayern und andere bundesdeutsche Touristen glauben, Südtirol reiche bis zum Gardasee. Historisch gesehen haben sie aber mehr recht, als wir mit unserer zweifelhaften Eigendefinition, die wir südlich von Salurn höchstens noch "welsches" zulassen.
Mögen wir dieses bitte erst für uns klären, bevor wir den Zeigefinger nach Ö richten.

Mo., 08.07.2013 - 09:14 Permalink