Wirtschaft | Gastbeitrag

Die Reform abschaffen

Die beiden 5-Sterne-Politiker Riccardo Fraccaro und Paul Köllensperger über die Absicht der neuen Regierung, die Reform der Raiffeisenkassen auf Eis zu legen.
Das Gesetzesdekret 18/2016 hat die Genossenschaftsbanken gezwungen, sich in Aktiengesellschaften  umzuwandeln oder sich einer Holding  - wiederum einer Aktiengesellschaft - zu unterwerfen, die mit invasiver Kontrollbefugnis über die beteiligten Kassen ausgestattet ist. Diese Reform hat erhebliche Auswirkungen auf die zahlreichen kleinen Banken in unserem Land und damit auch auf ihre typischen Kunden, Familien sowie kleine und mittlere Unternehmen. Die genossenschaftlichen Kreditbanken sind ein wichtiger Motor für die territoriale Entwicklung: Sie sammeln die Ersparnisse der Gebiete und müssen das in ihrem Territorium gesammelte Kapital auch dort wieder zum Einsatz bringen, im Geiste der genossenschaftlichen Zusammenarbeit.
Erklärtes Ziel der von Renzi gewollten Reform ist es, das genossenschaftliche Kreditwesen kapitalstärker zu machen. Doch dieses Ziel könnte man auf andere Art verfolgen, und dazu würde ein Blick Richtung Deutschland ausreichen. Dort wird zur Absicherung der einzelnen Kassen ein Mechanismus des gegenseitigen Vermögensschutzes zwischen den Banken eingerichtet, eine zentrale Sicherungseinheit in Form eines institutionellen Fonds, der im Krisenfall auf der Grundlage der gegenseitigen Hilfe schnell und zielgenau eingesetzt werden kann, sogenannte Ips (Institutional Protections Schemes). Deutschland hat auf diese Weise einen großen Teil seines Systems von Genossenschaftsbankenaus der Aufsicht der EZB herausgehalten.
Erklärtes Ziel der von Renzi gewollten Reform ist es, das genossenschaftliche Kreditwesen kapitalstärker zu machen. Doch dieses Ziel könnte man auf andere Art verfolgen, und dazu würde ein Blick Richtung Deutschland ausreichen.
Diese Sicherungseinrichtung sieht vor, dass sich kleine und mittlere Banken nicht zu einer einzigen Gruppe zusammenschließen, sondern gegenseitige Garantien und gegenseitige Unterstützung bei finanziellen und kapitalmäßigen Schwierigkeiten bieten. Warum führen wir in Italien keine solche Regelung ein?
Die Reform der PD in Italien hingegen ist unter mehreren Gesichtspunkten kontraproduktiv. Sie beeinträchtigt die Vergabe der lokalen Genossenschaftskredite, da die Verwaltungsautonomie der kleinen Raikas stark limitiert wird, ohne dass es aber mit der Reform gelingt, dem Sektor eine europäische Wettbewerbsdimension zu verleihen. Nach der Reform werden der Holdings Iccrea und die Cassa Centrale Banca, wegen ihrer neuen Größe, zwangsläufig der europäischen Bankenaufsicht durch die EZB unterliegen, mit der Verpflichtung, die Parameter für die faulen Kredite (npl) und Stresstests einzuhalten. Schon sehr bald wird die daher die Notwendigkeit entstehen, neues Kapital zu beschaffen – de facto von ausländischem Kapital "erobert" zu werden. Die Folge wird wohl sein, dass internationale Finanzkonzerne in die neuen Bcc-Holdings einsteigen, um einen Teil des reichen norditalienischen Finanzmarktes zu erobern, um danach mit den Spielregeln der Finanzmärkte zu agieren und ohne sich der Unterstützung von lokalen Unternehmen und Haushalten verpflichtet zu fühlen.
 
Die neue Regierung denkt deshalb zu Recht an ein Moratorium um die Umsetzung dieser Reform auf Eis zu legen. Zu viele und zu schwerwiegend sind die kritischen Aspekte. Erstens ist der Geist der Genossenschaften,  der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe nicht mit den kapitalistischen Zielen einer AG vereinbar. Erklärtes Ziel der Reform ist es Fremdkapital anzuziehen, was die Genossenschaftsbanken dem realen Risiko ausländischer Aufkäufe aussetzt. Der Zugang zu Krediten für KMU und Haushalte dürfte schwieriger werden. Der Übergang zur Marktlogik wird Kunden mit geringeren Margen hart treffen, die als potentielle Kreditnehmer der Raikas morgen nicht mehr in Frage kommen. Das im Laufe der Jahre akkumulierte Kapital der einzelnen Kassen würde durch die Konsolidierung und den Garantievertrag bei der Muttergesellschaft landen. 
In Südtirol haben wir zum Teil den Kopf aus der Schlinge gezogen , mit der Einrichtung einer Zentralbank, die zumindest auf dem Territorium verbleibt und nicht unter die Kontrolle der EZB fällt.
Die Konzentration und folgliche Schließung vieler Niederlassungen wird zum Verlust hochwertiger Arbeitsplätze auf dem Territorium führen. Die Kontrolle des genossenschaftlichen Kreditwesens geht, zumindest außerhalb Südtirols, von der Bankitalia auf die EZB über. Und schließlich sind wir der Überzeugung, dass die Reform von Renzi im Kontrast zu Artikel 45 der Verfassung steht, der die Genossenschaften schützt. 
In Südtirol haben wir zum Teil den Kopf aus der Schlinge gezogen, mit der Einrichtung einer Zentralbank, die zumindest auf dem Territorium verbleibt und nicht unter die Kontrolle der EZB fällt, das eigentliche Damoklesschwert hängt aber über dem Kopf des Trentiner Genossenschaftskreditwesens und des restlichen Italiens. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Reform abgeschafft oder zumindest gründlich umgeschrieben werden sollte.
Im Sinne des M5S muss der Genossenschaftskredit (der in Südtirol sehr gut funktioniert) den lokalen Betrieben und den Familien dienen: wir wollen das Modell der kleinen Banken fördern, die ihrem Einzugsgebiet und ihren Bürgern dient. In diesem Sinne werden wir handeln.

 
Riccardo Fraccaro ist seit wenigen Tagen Mitglied der italienischen Regierung und Minister für die Beziehungen zum Parlament.
Paul Köllensperger ist Landtagsabgeordneter der 5-Sterne-Bewegung.
 
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19 amet Mo., 11.06.2018 - 23:12

Ist das jetzt eine Pressemitteilung der beiden Herren ? Oder ist es ein Artikel der Redaktion?

Mo., 11.06.2018 - 23:12 Permalink