Politik | Sanitätsbetrieb

“Wie kann so etwas passieren?”

Wegen einer auslaufenden Versicherungspolizze gerät die Führungsspitze des Sanitätsbetriebs zunehmend unter Beschuss. Der Landeshauptmann stellt Konsequenzen in Aussicht.
Notausgang
Foto: Pixabay

In so manchen Redaktionen hatte man sich schon auf das berüchtigte Sommerloch eingestellt. Doch die Nachricht, die Anfang der Woche bekannt wird, ist keine leichte Kost. “Der bisher größte Skandal”, wie es aus Medizinerkreisen heißt, erschüttert den Südtiroler Sanitätsbetrieb – und könnte im Wahljahr zur Feuerprobe für die Landesregierung werden.

 

Ab 1. Juli ohne Schutz

Mit einem Rundschreiben informiert der Sanitätsbetrieb am Montag Ärzte, und Pflegepersonal, dass sie ab 1. Juli nicht mehr gegen grobe Fahrlässigkeit versichert sind. Denn die Versicherungspolizze, die der Betrieb mit der österreichischen Versicherungsanstalt UNIQA bislang laufen hatte – und an die sich die Angestellten, die sich seit einigen Jahren auf eigene Kosten gegen grobe Fahrlässigkeit versichern müssen, drangehängt hatten –, läuft am 30. Juni aus. Daher “ist es unsere Pflicht, Sie darüber zu informieren, dass jeder Bedienstete, der bisher über UNIQA für grobe Fahrlässigkeit versichert war, selbst für die Abdeckung dieses Risikos sorgen muss, heißt es in dem Schreiben, das von Sabes-Generaldirektor Thomas Schael unterzeichnet ist.

Sprich, an die 7.000 Angestellten sollen sich in weniger als einer Woche individuell eine Versicherungsanstalt suchen, die sie weiterhin gegen grobe Fahrlässigkeit versichert. Ein Ding der Unmöglichkeit.  “Das ist, wie wenn man einem Mieter sagt, dass er in drei Tagen ausziehen muss”, zieht Ivano Simeoni, Chef der Ärzte-Gewerkschaft BSK/VSK einen Vergleich.

 

Alle Glocken schrillen

“Dilettantismus” und “Versagen” werfen die Gewerkschaften dem Sanitätsbetrieb vor. “Völlig unkorrekt” sei die Führungsspitze des Betriebs vorgegangen und habe sich ein “unverständliches Versäumnis” zu Schulden kommen lassen. Mit der Folge, dass ab 1. Juli nur mehr dringende Eingriffe vorgenommen werden. “Ab Montag werden wir nur mehr Notfälle behandeln, denn dazu sind wir ethisch gezwungen”, sagt der Chef der Primargewerkschaft ANPO in den Dolomiten. “Aber die Leute müssen auch wissen, dass sie sich in die Hände von Leuten begeben, die nicht versichert sind.”

In einer Krisensitzung hat Generaldirektor Schael am Dienstag Abend die Lage mit den Gewerkschaftsvertretern besprochen. Dabei erklärte er, dass es mit der österreichischen Versicherungsanstalt UNIQA, über die Betrieb und Angestellte bislang versichert waren, Verhandlungen um Verlängerung gegeben habe. Dabei hätte UNIQA einen 30-prozentigen Aufschlag verlangt. “Für vier Monate wären das 600.000 Euro. Das konnten wir nicht akzeptieren”, so Schael. Zugleich teilte der Generaldirektor mit, dass die Leitung des Sanitätsbetriebs am Dienstag per Beschluss eine “Übergangslösung” ab 1. Juli und für die kommenden vier Monate in die Wege geleitet habe. “Insgesamt fünf Versicherungsunternehmen wurden eingeladen, umgehend ein Angebot zu unterbreiten”, teilt der Sanitätsbetrieb mit. Damit soll eine Weiterführungen aller Dienstleistungen gesichert werden. Ende Oktober sei dann mit dem Auftragszuschlag an eine neue Versicherung zu rechnen.
Ende Oktober finden auch die Landtagswahlen statt – und beim Landeshauptmann schrillen die Alarmglocken.

Als die Journalisten Arno Kompatscher nach der Sitzung der Landesregierung am Dienstag Mittag auf das Eklat im Sanitätsbetrieb ansprechen, verdunkelt sich sein Gesicht. Wie er den Bürgern die neuerlichen Probleme, die nun im Gesundheitssystem drohen, erkläre, wird Kompatscher gefragt. “Ich erkläre hier gar nichts”, stellt der Landeshauptmann klar – und spielt den Ball weiter. Erklärungsbedarf sehe er zunächst beim Sanitätsbetrieb. Dessen Leitung habe er umgehend zum Rapport gebeten. “Es ist ein detaillierter Bericht vorzulegen”, dann könne er ein Urteil fällen, meint Kompatscher. Doch steht für ihn fest: “Es ist absolut nicht nachvollziehbar, dass so etwas passieren kann.”

Dann wird der Landeshauptmann deutlicher: “Sollte es Verantwortlichkeiten oder Versäumnisse im Sanitätsbetrieb geben, dann wird das auch Konsequenzen haben.” Zunächst gelte es allerdings, “alles zu tun, um Nachteile für Patienten, Bürger, aber auch das diensthabende Personal abzuwenden”. “Das muss schleunigst gelöst werden”, drängt Kompatscher – und wiederholt: “Dabei wollen wir es aber nicht belassen.”

Sind die Tage von Thomas Schael gezählt? Am Dienstag entschuldigte sich der Generaldirektor bei den Mitarbeitern des Sanitätsbetriebes “für die entstandene Situation” und die “späte Information”. Doch nicht nur die Worte des Landeshauptmannes zeigen: Damit wird es nie und nimmer getan sein. “Herr Schael, es ist Zeit zu gehen!”, legt die Süd-Tiroler Freiheit dem Generaldirektor nahe. Und auch Andreas Pöder (Bürgerunion) meint: Hätte die Führung des Sanitätsbetriebs die Angestellten vorzeitig vorgewarnt, hätten diese rechtzeitig die Suche nach einer neuen Versicherungspolizze aufnehmen – und der Schlamassel verhindert werden können. In dieselbe Kerbe schlägt Ulli Mair von den Freiheitlichen: Der untragbare Umstand, dass beim Auslaufen der bestehenden Versicherung für grobe Fahrlässigkeit keine neue Option für das Personal erschlossen wurde, muss das Management des Sanitätsbetriebes verantworten.” Sowohl Mair als auch Pöder wollen den Landtag kommende Woche mit der Sache befassen.

 

++ Update (11.35 Uhr) ++

Mit einer kurzen Pressemitteilung hat sich am Mittwoch Vormittag auch Gesundheitslandesrätin Martha Stocker zu Wort gemeldet: Sie teile mit, dass auf Intervention von Landeshauptmann Arno Kompatscher nun ein neuer Vorschlag zum Versicherungsschutz vorliegt. Der Südtiroler Sanitätsbetrieb ist angewiesen, das für ein Jahr gültige Angebot anzufordern.

Des Weiteren habe sie die Landesabteilung Gesundheit angewiesen, im Sanitätsbetrieb die vollständige Dokumentation sowie die gesamte Korrespondenz anzufordern, die im letzten Jahr zu diesem Thema vorliegen und die Abläufe und Verantwortlichkeiten festzustellen, so Stocker. Nur so ist es möglich, transparent aufzuklären und konsequent alle weiteren Schritte zu setzen.”

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Paul Stubenruss Mi., 27.06.2018 - 14:03

Interessant wäre zu erfahren in welchen Fällen in den letzten Jahren die Versicherung zur Kasse gebeten wurde und um welche Beträge es ging. Auch was die Versicherung jährlich gekostet hat.

Mi., 27.06.2018 - 14:03 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 27.06.2018 - 15:26

Antwort auf von Paul Stubenruss

Genau Paul, hier wollte ich auch einhacken: Ich frage, warum kommt kein/e Journalist/in auf die Idee eine diesbezügliche Hintergrundfrage zu stellen? Und auch die Oppositionspolitiker/innen bleiben bei der oberflächlichen Skandalmeldung hängen!
„7.000 Angestellten sollen sich in weniger als einer Woche individuell eine Versicherungsanstalt suchen, die sie weiterhin gegen grobe Fahrlässigkeit versichert“ – Was sind grobe Fahrlässigkeiten bei Primaren, bei Ärzten, bei Krankenpflegern. Wer stellt diese fest? Wer fordert Schadenersatz? Wer entscheidet, ob dieser Forderung statt gegeben wird? Wie viele fallen jährlich an?
„Mit der Folge, dass ab 1. Juli nur mehr dringende Eingriffe vorgenommen werden.“ Heißt das, dass Menschen, die seit Monaten, ja sogar Jahren auf eine Operation warten, nun diese nicht mehr erhalten? Müssen die dann wieder Monate und Jahre auf den nächsten Termin warten?
„Ab Montag werden wir nur mehr Notfälle behandeln, denn dazu sind wir ethisch gezwungen”, sagt der Chef der Primargewerkschaft ANPO.... “Aber die Leute müssen auch wissen, dass sie sich in die Hände von Leuten begeben, die nicht versichert sind.” Heißt das, dass Primare, die mehr verdienen als z. B. der Landeshauptmann, gar nicht persönlich für seine groben Fahrlässigkeiten haften muss?

Mi., 27.06.2018 - 15:26 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Mi., 27.06.2018 - 17:07

Ich erkläre hier gar nichts-erbärmliches Verhalten von einem Landeshauptmann,sind sie noch zu retten,bei so einem wirklich prekären Problem sich so zu verhalten???? Alles gute für die Herbstwahlen,spätestens jetzt sollte dem Wähler auffallen,dass sie UNFÄHIG sind als Landeshauptmann!!!!

Mi., 27.06.2018 - 17:07 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 27.06.2018 - 20:48

Antwort auf von Günther Alois …

Den Passus ".. gar nichts-erbärmliches Verhalten von einem Landeshauptmann.." kann ich nicht ganz verstehen, Herr Raffeiner. Sie gehen unseren LH ja ganz barsch an wo er doch so viel geleistet hat: Steuererleichterung für die Bürger (meint er da die Wirtschaft, ich habe noch nichts gespürt), er braucht nur nach Rom zu fahren und schon hat er eine neue Durchführungsbetimmung, er braucht sich nur mit den Leuten der österreichischen Versicherungsanstalt UNIQA zusammen zu setzen und schon ist das Problem gelöst und der Skandal annulliert Bleibt nur zu hoffen, dass er in der nächsten Legislatur die Agenda Sanität und Soziales übernimmt und die große Mehrheit der Südtiroler Bürger - auch die einfachen und weniger-verdienenden - brauchen keine Sorgen mehr zu haben. Wenn der LH - so wie im Trentino - direkt gewählt würde, wäre der Arno sicher auch der Kandidat des freiheitlichen Generalsekretärs Florian von Ach, der die Steigerung der Geburtenrate fordert , damit das Südtiroler Volk überlebt, und Kompatscher ist diesbezüglich das prominenteste Vorbild.

Mi., 27.06.2018 - 20:48 Permalink