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Ratlos in Europa

Ministerpräsident Conte spricht vor dem Treffen des Europäischen Rates im Parlament zur EU-Migrationspolitik. Die SVP-Kammerabgeordneten enthalten sich der Stimme.
EU-Flagge
Foto: Pixabay

Eigentlich steht schon vor dem Gipfeltreffen fest: Eine “europäische Lösung” in der Migrationspolitik wird es auch dieses Mal nicht geben. “Leider”, meinte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag. Doch die Standpunkte der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sind zu gegensätzlich, um beim in wenigen Stunden beginnenden Treffen des Europäischen Rates eine gemeinsame Position zu kommen. Merkel selbst drängt seit Langem darauf, in der Flüchtlings- und Migrationsfrage europäisch zu handeln und fordert von allen Mitgliedstaaten Solidarität ein, etwa bei der Verteilung von Asylsuchenden. Dagegen stemmen sich Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei – und auch Österreich ist zuletzt auf diesen Kurs eingeschwenkt als der deutsche Innenminister Horst Seehofer den Vorschlag auf den Tisch brachte, dass Asylsuchende schon an der deutschen Grenzen von jenen Ländern zurückgenommen werden, in denen sie zuerst registriert wurden. Das würde das Dublin-System eigentlich vorsehen, laut dem das Asylverfahren in jenem EU-Land, in das ein Asylsuchender einreist, durchgeführt werden muss.

Davon, Asylsuchende zurückzunehmen, will Innenminister Matteo Salvini nichts wissen. Abgeben statt weitere Flüchtlinge aufnehmen lautet seine Losung. Salvini versucht, Ministerpräsident Giuseppe Conte die Linie für Brüssel zu diktieren – mit gewohnt brachialen Worten: “Se andiamo a Buxelles per avere il compitino già scritto da Francia e Germania, se pensano di mandarci altri migranti invece di aiutarci, allora non andiamo nemmeno, risparmiamo i soldi del viaggio. Spero che Conte vada a far valere le nostre ragioni, ma l'Italia non è più scontata, il popolo italiano non è più in vendita”, meinte Salvini jüngst bei Porta a Porta.

In Brüssel kommen am Donnerstag und Freitag die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Ganz oben auf der Tagesordnung des Europäischen Rates steht das Thema Migration. In der Abgeordnetenkammer sprach Conte gestern (Mittwoch, 27. Juni) über das anstehende Treffen. Das Dublin-Reglement müsse “überholt” werden, so der Premier. Denn: Wer in Italien – oder sonst einem Ersteinreiseland der EU – ankomme, komme in Europa an. “Se davvero esiste un'Europa, l'Europa di Schengen, fondata sul binomio responsabilità-solidarietà, come dicono tutti a parole, allora questo criterio del 'Paese di primo arrivo' va superato”, betonte Conte im Palazzo Montecitorio.

“Die italienischen Küsten sind europäische Küsten”, stimmt Renate Gebhard Conte zu. Als SVP/PATT-Fraktionssprecherin äußerte sich Gebhard in der Stimmabgabeerklärung zu einer Resolution der Parlamentsmehrheit, mit der Conte nach Brüssel aufbrechen will. “Verantwortung, Solidarität und Menschlichkeit sind Voraussetzungen, um die anstehenden Herausforderungen in Europa gemeinsam zu meistern”, pflichtet Gebhard dem Ministerpräsidenten weiter bei. “Es liegt an Europa, eine gemeinsame Antwort auf ein europäisches Problem zu finden – dafür braucht es jedoch auch vonseiten Italiens eine konstruktive Haltung und Dialogbereitschaft.” Und diese vermissen Gebhard und ihre Fraktionskollegen im Kabinett Conte. Die Aussagen des Ministerpräsidenten teile man “zu einem guten Teil”, so Gebhard. Was man allerdings nicht teile, seien “die Polemiken, die Vertreter derselben Regierung tagtäglich schüren”, erklärte die Kammerabgeordnete auch im Namen von Albrecht Plangger, Elena Rossini und Manfred Schullian. Aus diesem Grund werde man sich bei der Abstimmung über die Mehrheitsresolution der Stimme enthalten, erklärte Gebhard – und mahnte an: “Für eine Regierung, die eine wichtige Rolle in Europa spielen will, ist es unerlässlich, mit einer einheitlichen Stimme zu sprechen.”

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Karl Trojer Do., 28.06.2018 - 17:27

Stärker wird, wer Unterstütung erhält. Durch Stimmenthaltung einen Conte abstrafen, weil in seinen Reihen auch nationale Fanatiker sitzen, schwächt diesen und stärkt damit die Fanatiker.

Do., 28.06.2018 - 17:27 Permalink
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Karl Trojer Fr., 29.06.2018 - 08:23

Ich hoffe, dass die Merkel durchhält, einen Seehofer politisch überlebt und zusaammen mit Macron, und ev. Conte, Europa weiterbringt ! Wie kann eine Partei sich "christlich-sozial" nennen und das Gegenteil tun ?

Fr., 29.06.2018 - 08:23 Permalink