Gesellschaft | Pflege

Auf die schauen, die auf uns schauen

Pflegekräfte in Seniorenwohnheimen sind wertvoll. Zugleich grassieren Erschöpfung und Ausgebrannt-Sein. Wie können die Belastungen verringert werden?
Seniorin
Foto: Pixabay

Es ist eine bedenkliche Entwicklung, die am Montag Vormittag bei einer Tagung im Landhaus 2 aufgezeigt wird. “Pflegekräfte in Seniorenwohnheimen sind mit Leib und Seele bei der Sache, aber im Hintergrund lauert das Gespenst der Erschöpfung und des Ausgelaugt-Seins in diesem anspruchsvollen Beruf, den unsere Gesellschaft immer notwendiger braucht.” So die Erkenntnis aus einer Studie, die in großem Rahmen präsentiert wurde.

Erstmals sind die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte in den Südtiroler Seniorenwohnheimen unter arbeitspsychologischen Gesichtspunkten untersucht worden. Am Arbeitsförderungsinstitut AFI hat der Forscher und Praktiker Wilhelm Kuntner im Mai 2017 begonnen, in Zusammenarbeit mit der Sozialabteilung des Landes und dem Verband der Seniorenwohnheime (VdS) eine landesweite Erhebung dazu durchzuführen. “Untersucht wurden die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte in den Südtiroler Senioren- und Pflegeheimen mit dem Ziel, herauszufinden, welche Bedingungen eine gute, professionelle, nachhaltig empathische und stabile Pflege ermöglichen”, erklärt Kuntner.

 

Was die Pflegekräfte sagen

Laut der Erhebung sind 60 Prozent der Pflegekräfte stolz auf die eigene Arbeit und haben das Gefühl, sich verwirklichen zu können und Hilfsbedürftige zu unterstützen. Hoch schätzen die Pflegekräfte ihre eigenen beruflichen Kompetenzen ein und beurteilen ihr Arbeitsklima als ein weitgehend gutes.

Das größte Risiko für Pflegende allgemein ist die Erschöpfung bzw. das Ausgebrannt-Sein (“Burn-out”) infolge ihrer hingebungsvollen Aufgabe.
So etwa weisen 32 Prozent der Pflegekräfte erhöhte Erschöpfungswerte und 16 Prozent erhöhte körperliche Stress-Symptome auf.
Von den Unter-30-Jährigen geben 37 Prozent an, dass sie gerne Beruf wechseln würden. Bei älteren Pflegekräften ab 50 Jahren sind Erschöpfungszustände weniger häufig als bei jüngeren, ebenso bei Pflegekräften mit ausgeprägten beruflichen Kompetenzen. Wenn Belastungen aus dem Privatleben mitwirken, sind die Erschöpfungswerte groß. Eine zusätzliche Belastung bilden Arbeitsmenge und Zeitdruck: 40 Prozent der Pflegekräfte empfinden diese als hoch. Vergleichsdaten zeigen allerdings, dass Pflegekräfte in Deutschland und in Österreich unter einem noch höheren Arbeitsdruck stehen.

 

Was die Fachleute sagen

Wenn es um Verbesserungsmöglichkeiten der Arbeitsbedingungen in Seniorenwohnheimen geht, führen Fachpersonen folgende Bereiche ins Feld: Handlungsspielraum, abwechselnde Arbeitsaufgaben, die Art der Weitergabe von Informationen im Betrieb und die Planbarkeit von Arbeits- und Freizeit. Wesentlich sei eine erholsame Freizeitgestaltung – Sport, Freunde, Ausgehen –, um Erschöpfungszuständen vorzubeugen, sagen die Experten. In der Praxis würden organisatorische und verwaltungstechnische Gründe den korrekten Einsatz des vom Gesetz vorgesehenen psychophysischen Erholungsurlaubes erschweren. Insgesamt müssten die unterschiedlichen Formen von Urlaub und Warteständen so eingesetzt werden, dass sie zur Erholung beitragen.

Nachdem die AFI-Studie präsentiert war, wurden am Montag mit Fachleuten, Führungskräften und Gewerkschaftsvertretern Verbesserungsvorschläge diskutiert.

 

Wie kann professionelle und gute Pflege gelingen?

“Die Qualität der Pflege steht und fällt mit den Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte”, geht AFI-Direktor Stefan Perini auf den Kern der Erhebung ein. Es brauche mehr Personal und weniger Bürokratie, ist Perini überzeugt, “denn gute Pflege ist davon abhängig, wieviel Zeit eine Pflegekraft ‘am Mensch’ verbringen kann”.

In diesem Sinne sei der Personalschlüssel an neue Gegebenheiten wie z. B. ältere Menschen mit mehreren Krankheitsbildern anzupassen. Zudem müsse man die Gründe für den häufigen Wunsch nach einem Berufswechsel bei den jungen Fachkräften besser verstehen, um adäquat gegensteuern zu können.

In Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels werde für die Heime auch die Fachkräftesicherung immer wichtiger. Dazu sollten die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte im Hinblick auf selbstbestimmtes Arbeiten, Ausbau der persönlichen Kompetenzen, Aufgabenvielseitigkeit und einer noch besseren Abstimmung von Arbeitszeit und Privatleben optimiert werden, kommen die Experten der AFI-Studie zu Schluss.

“Für den Verband der Seniorenwohnheime ist diese Studie von großer Bedeutung”, meint VdS-Präsident Moritz Schwienbacher. Man werde die Ergebnisse “genau studieren und analysieren, um mit gezielten Maßnahmen auf die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen einzugehen”. In Soziallandesrätin Martha Stocker findet Schwienbacher eine Verbündete: “Der wahre Goldschatz für den gesamten Pflegebereich sind die Menschen, die täglich so viel Wertvolles leisten. Gute, professionelle Pflegekräfte, die ihre Arbeit mit Hingabe und Kompetenz erfüllen, sind eine enorm wichtige Ressource für unsere alternde Gesellschaft. Wir müssen alles daran setzen, dass sie zugleich auch imstande sind, auf sich selbst zu schauen. Um ihre Arbeitsbedingungen optimal zu gestalten, müssen Abläufe und Prozesse genau beobachtet und immer wieder den sich rasch ändernden Anforderungen angepasst werden. Dazu müssen wir sowohl in ihre Aus- und Weiterbildung als auch in Organisationsentwicklung in den Strukturen investieren.” Nach dem Motto “gute Arbeitsbedingungen = gute Pflege”.

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Frei Erfunden Di., 10.07.2018 - 10:30

lösung parat: profisportler, funktionäre, verwaltungspersonal in höheren Positionen und finanzjongleure in vielen bereichen sollten weniger (gehalt und Wertschätzung) kriegen und sozial wertvolle berufe sollten finanziell und gesellschaftlich aufgewertet werden, i bin dabei!
Ein Applaus den Alten- und Krankenpfleger, den Sozialarbeitern und Behindertenbetreuern .
Realität ist aber , dass sich der Raubtierkapitalismus nicht aufhalten lassen wird bis er sich nicht selbst auffrisst.

Di., 10.07.2018 - 10:30 Permalink