Gesellschaft | WM 2018

JENSEITS DES NATIONALISMUS IM SPORT

Es ist aus, vorbei. Der Schlusspfiff ist gefallen. Frankreich hat den WM-Pokal abgeräumt.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
imm016_28x.jpg
Foto: Lorenz Zenleser

Ich sitze mit Freunden vor dem Fernseher. Auf dem Flachbildschirm laufen kleine Männchen auf einem grünen Rasen einem Ball hinterher und versuchen ihn mit einem gekonnten Schuss in das gegnerische Tor zu verfrachten. In der rechten Oberen Ecke stehen die Abkürzungen KOR und GER. Deutschland spielt gegen Südkorea. Neben mir sitzen meine Freunde. Sie sind deutsch, wie fast alle meine Freunde hier an meinem Studienort. Sie fiebern mit "ihrem" Team mit, Minute für Minute. Und ich merke, wie ich langsam aber immer fester auch mitfiebre, aber nicht für Deutschland, sondern für Südkorea. Jedes Tor das der Fußball-Erzfeind Italiens, bekommt ist eine Genugtuung, Balsam auf der Seele. Jede Sekunde die verstreicht und Deutschland näher an das WM-Aus treibt, ist ein Fels in einem Meer voll Unsicherheiten und emotionalen Strudeln. Ich sitz da und schweife vom Spiel ab. Ich stelle mir eine Frage, wieder und wieder: Warum wünsche ich meinen Freunden etwas schlechtes, vor allem bei etwas (Fußball), das mir ansonsten eigentlich komplett egal ist? Ich finde keine Antwort, wenigstens keine außer Nationalismus. Es kann sein, dass es nur eine Eigenart der Südtiroler ist, vielleicht auch eine aller anderen Volksgruppen die nicht wirklich einer Nation angehören, beim Fußball eine bestimmte Nation zu hassen, um sich so seine eigene Identität zu konstruieren. Was man aber sehr einfach feststellen kann ist, dass während der WM (und allen anderen internationalen Sportveranstaltungen), die Zuschauer IHRE NATION unterstützen wollen. Dazu gehören nicht nur rechtsextreme Nationalisten, sondern Personen aus jeder Farbe des politischen Spektrums. Sie tragen aber stolz die Farben ihres Nationalstaates auf der Brust und feuern ihre Mannschaft an. Ich stelle mir dann oft die Frage: Warum ist das deine Mannschaft? Warum spricht du von euren Sieg? Hast du jemals mit der Mannschaft Fußball gespielt? Aber während solchen Sportereignissen scheint der kleine Nationalist in unserem Kopf und unserem Herzen überhand zu nehmen. Und genau dies ist das Besorgniserregende bei dem Sportspektakel, der Kampf der Nationen. Nation kämpft gegen Nation. Fast wie im Krieg versucht ein Team das andere zu besiegen, zu vernichten, um schlussendlich selbst als triumphierender Sieger auf dem Podest zu stehen und Millionen von Zuschauern fiebern in den Stadien und zuhause vor den Bildschirmen mit. Und das nährt den Nationalisten in uns, Stück für Stück. Es ist eine unsichtbare Gefahr die uns unterbewusst in Nationen und Nationalstaaten abgrenzt. Aber die romantische Vorstellung einer souveränen Nation bzw. Staatsnation, wie sie zu Zeiten der Französischen Revolution aufkam und in den Folgejahren von mehreren Staaten übernommen wurde, ist tot. Die heutigen Nationalstaaten sind ein Konglomerat aus unterschiedlichsten Kulturen, Sprachen und Traditionen. Die Behauptung eine Nation hätte die selbe Kultur, Sprache und Tradition ist eine absolute Lüge. Ich beziehe mich hier nicht nur auf Südtirol, sondern auf jede einzelne Region eines Nationalstaates mit allen ihren kulturellen und sprachlichen Eigenarten. Ist es noch zeitgemäß in einem Europa der Nationen zu leben? Wäre ein Europa der Regionen gefragt?

Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Mi., 18.07.2018 - 16:54

>Ich finde keine Antwort, wenigstens keine außer Nationalismus.<
Das Selbe gilt doch auch für den Club-Fußball. Was ist denn da die Antwort?

Mi., 18.07.2018 - 16:54 Permalink