Wirtschaft | 10 Jahre Airbnb

Geisterhotels und Steuervermeidung

Airbnb gibt es erst seit 10 Jahren, aber die Vermietungsplattform hat den Tourismus verändert. In Barcelona eskaliert die Sache. Joël Foramitti hat dazu geforscht.
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Foto: CC0 - Michal Jarmoluk
Die Privatzimmervermietungsplattform Airbnb feiert ihren 10. Geburtstag. Und für viele Nutzer ist sie aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken – als Touristen auf der Suche nach einer günstigen und sympathischen Unterkunft, als Besitzer einer ungenutzten Immobilie als einfache Möglichkeit, sich nebenbei Geld zu verdienen. Aber Airbnb wird auch heftig kritisiert: Weil die Vermieter keine Steuern zahlen, weil sie den traditionellen Gastbetrieben Konkurrenz machen, weil sich die Zahl an Nächtigungen gar nicht mehr kontrollieren lässt.
In Barcelona beschäftigt die Frage inzwischen auch die Stadtverwaltung. Aber gegen Airbnb vorzugehen, ist schwer. Joël Foramitti hat dort studiert und für seine Masterarbeit zum Thema Airbnb geforscht.
 
salto.bz: Herr Foramitti, verändern sich Städte durch Airbnb?
 
Joël Foramitti: Lange gab es dazu keine wissenschaftlichen Analysen, weil Airbnb die Daten nicht hergeben will. Für den Fall New York haben nun Wissenschaftler geschafft, über längere Zeit Daten der Seite zu sammeln und zu zeigen: Was man Schlechtes über Airbnb geahnt hatte, stimmt. Zum Beispiel werden viele Wohnungen an lokalen Regelungen vorbei illegal vermietet.
 
Was man Schlechtes über Airbnb geahnt hatte, stimmt.
 
Kontrolliert Airbnb nicht, ob die Vermietung legal erfolgt?
 
Nein, die Plattform sieht sich allein als Vermittlerin. Ähnlich wie Youtube nicht den Inhalt aller Videos vor dem Hochladen prüfen kann, und deshalb keine Verantwortung übernehmen will, sagt Airbnb, dass sich die Vermieter um Steuern und Tourismusabgaben kümmern sollen – das tun aber sehr viele nicht.
 
Was gibt es sonst noch für Auswirkungen?
 
Die Daten zeigen ganz klar einen Gentrifizierungseffekt: An Touristen verdient man besser als an normalen Mietern, deshalb gibt es immer weniger Wohnungen am Markt, und wo Airbnb besonders aktiv ist, steigen die Mietpreise.
 
Die nette Geschichte von Privatpersonen, die sich das Gehalt aufbessern wollen, indem sie ihr Zimmer teilen, stimmt also nicht wirklich?
 
Diese Geschichte ist meistens ein Märchen. Im Großteil der Fälle wird die Vermietung kommerziell betrieben – es geht um mehr als ein Nebeneinkommen. Die Vermieter besitzen oft ganze Häuser, aus denen sie „Geister-Hotels“ machen: In allen Zimmern wohnen Touristen, aber es gibt kein Personal, keiner ist angemeldet und keine Steuern werden gezahlt. Und Airbnb lobbyiert auf EU-Ebene aktiv dagegen, dass sich Städte wehren und die Privatvermietung regulieren.
 
Spürt Barcelona die Veränderung durch Airbnb?
 
Auf jeden Fall. Die Mieten sind stark gestiegen und Vermieter versuchen, Mieter mit alten, besseren Verträgen loszuwerden – was im spanischen Mietrecht auch recht einfach geht. In Kombination mit Billigflügen macht Airbnb kurze Städtetrips sehr billig. Und Barcelona ist besonders im Sommer so von Touristen überrannt, dass es sein Gesicht verändert.
 
Zum Beispiel?
 
Es gibt immer mehr Ramschläden für Souvenirs, während Marktstände und traditionelle Geschäfte für die Einwohner verschwinden. In den protestfreudigeren Schichten Barcelonas hat sich auch schon eine „Tourists go home!“-Bewegung gebildet, die Touristen offen anfeindet. Wer aufmerksam ist, sieht diesen Spruch in Barcelona als Plakat an vielen Fenstern, als Sticker in Bars, an Hauswänden. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – aber durch Airbnb ist die Flut an Menschen noch schwerer zu kontrollieren.
 
Haben die Proteste Erfolg?
 
In Barcelona braucht man inzwischen eine Plakette der Stadt, um vermieten zu dürfen. Noch interessanter ist der Blick nach Mallorca: Dort ist Airbnb dieses Jahr verboten worden. Wir werden sehen, ob das Gesetz auch umsetzbar und vereinbar mit der EU-Gesetzgebung ist. In jedem Fall ist es ein wichtiger Präzedenzfall.
 
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Sylvia Rier Di., 07.08.2018 - 13:29

... der Staat verlangt von allen anderen, die ihre Betten an Gäste vermieten, (Exta-)"Gebühren" - sie alle zahlen auch schon "genug Steuern für Immobilien", und auch deren Gäste "konsumieren im Land und zahlen Mehrwertsteuer", - warum sollte er sie von Airbnb-Teilnehmern nicht verlangen (dürfen)?

Di., 07.08.2018 - 13:29 Permalink
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Martin Daniel Mi., 08.08.2018 - 08:17

Als deklarierter Liberaler weißt du, dass der Markt Wettbewerbsregeln braucht, um die Konkurrenz aufrechtzuerhalten u. zu funktionieren. Es kann nicht sein, dass jemand Einnahmen aus einer Tätigkeit nicht versteuern muss, alle anderen hingegen schon. Es ist wettbewerbsverzerrend, wenn die Privatvermietung im kommerziellen Stil betrieben wird u. in vielen Ländern keine Brandschutz- u. Hygieneauflagen sowie bürokratischen Obliegenheiten (Lizenzen, Buchführung, etc.) erfüllt werden müssen. Es gilt zu unterscheiden, ob jemand seine Wohnung, in der er lebt, zeitweise vermietet oder eine ganze Reihe nicht ständig besetzter Immobilien professionell über AirBnb vermittelt. Habe selbst solche Fälle gesehen bzw. wenn man genau auf der Plattform sucht, sieht man häufig, dass ein Vermieter mehrere oder sehr viele Objekte anbietet. Das sind Rentiers, die die Steuerlücke knallhart ausnutzen. Warum soll ich dann noch Einkommenssteuer auf mein Gehalt zahlen?

Mi., 08.08.2018 - 08:17 Permalink
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Martin Daniel Mi., 08.08.2018 - 10:14

Du hast mich nicht verstanden: ich spreche nicht von sozialer Gerechtigkeit, sondern von Gleichbehandlung u. fairem Wettbewerb. Und ich will nichts abschaffen, sondern auf die wirklich private (nicht gewerbliche) Vermietung beschränken. Wär ja noch schöner, morgen sogar den Wohnungstausch zu besteuern oder verbieten! Es ist nicht ausschlaggebend, wieviele Multiimmobilienbesitzer du kennst, wer airbnb benutzt, sieht beim Suchen, dass ein gewisser Marc oder eine bestimmte Corinna 7, 8, 10 mal als Anbieter verschiedener Objekte in derselben Stadt aufscheinen. AirBnb weist dann groß die Mwst. des Gastlandes auf: Aber nur auf die 3%ige Servicegebühr, die es selbst einstreicht. Der Protektionismus alteingesessener Lobbies ist im Übrigen auch mir schon lange ein Dorn im Auge und ich bin auch Uber u. Flixbus gegenüber grundsätzlich offen. Uber könnte bspw. dazu beitragen, den anscheinend inakzeptablen Taxidienst in Rom (teuer, rar, ewige wartezeiten, nachts nicht zu finden, geschlossene kaste) auf Vordermann zu bringen

Mi., 08.08.2018 - 10:14 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 08.08.2018 - 16:11

Antwort auf von Martin Daniel

übrigens - zwar offtopic, aber zu interessant, wie ich finde, um nicht erzählt zu werden - zu "inakzeptabler
Taxidienst in Rom (...)": dort könnte man mal nach Afrika (Kigali, Ruanda) schauen, und sich inspirieren, am Moto-Taxidienst, mit App für zertifizierte Motorrad-Taxis: "Safe Motos" (ab 25:25 im Beitrag). Wär' doch eine schöne Alternative zu den alten Taxis, für überfüllte Städte, vor allem im (wärmeren) Süden!

Mi., 08.08.2018 - 16:11 Permalink
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Christoph Moar Mi., 08.08.2018 - 13:44

Es ist eigentlich nicht schwierig zu sagen, ab wann eine Vermietung gewerblich ist. Frag dein Finanzamt oder Steuerberater, die Regeln sind juristisch ziemlich klar. Und sie haben nichts, aber auch wirklich gar nichts, damit zu tun, ob du eine andere Arbeit hast, wieviel Stunden du damit verbringst und was sie dir einbringt.

Mi., 08.08.2018 - 13:44 Permalink
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Christoph Moar Mi., 08.08.2018 - 14:42

Google ist dein Freund (z.b. "ab wann ist eine vermietung gewerblich"), oder Finanzbeamter oder Steuerberater.
Beispiele? Es hat zunächst einmal definitiv nichts damit zu tun, was du sonst für Einnahmen oder Anstellungen hast, und auch nicht viewiel Umsatz du damit erwirtschaftest. Auch hat es nicht linear damit zu tun, wieviel Immobilien du insgesamt besitzt und vermietest.

Du kannst auch mit sehr vielen Immobilien und "regulären" Vermietungen immer noch im Bereich der reinen Vermögensverwaltung tätig sein, und ganz normale (zu besteuernde) Mieteinnahmen erwirtschaften. Wenn du aber - beispielsweise - regelmäßige Serviceleistungen wie Frühstück, Reinigung oder Wäscheservice anbietest, oder Aufwand in Personen oder Ressourcen für die kontinuierliche kurzfristige Vermarktung der Immobilien betreibst, wenn die Nächtigungsdauern und -abfolgen einer hotelmäßigen Nutzung vergleichbar sind oder die Vermietung nach Art einer Fremdenpension erfolgt, dann erfolgt die Vermietung in einem gewerblichen Umfeld, für den andere Spielregeln gelten, und in dem andere Marktbegleiter zurecht z.b. zahlreiche Sicherheits-, Sanitäts- und Qualitätsregelungen einhalten müssen.

Die verschiedenen Indikatoren für eine gewerbliche Vermietung sind wirklich nicht schwer zu erkennen, und werden auch (siehe Rechtssprechung) für den Vermieter durchaus entgegenkommend gewichtet, du verortest völlig zu Unrecht eine Neiddebatte. Gewerbe- und Finanzämter sind in aller Regel fachlich auch so gut aufgestellt, dass sie aufkommende Fragen der Immobilienbesitzer kompetent und umfangreich beantworten können.

Mi., 08.08.2018 - 14:42 Permalink
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19 amet Mi., 08.08.2018 - 18:37

Jetzt spielt er schon wieder die beleidigte Leberwurst. Antworten Sie doch auf die Argumente. Warum sollen alle anderen extra Steuern bezahlen fürs vermieten, nur Sie nicht ?

Mi., 08.08.2018 - 18:37 Permalink
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19 amet Mi., 08.08.2018 - 18:42

Wenn sie in Paris ein kleines Zimmer mieten, dann soll der Vermieter für das Geld das er bekommt auch die entsprechende Steuer zahlen. So einfach ist das. Steurhinterziehung ist Betrug an den anderen Steuerzahlern.
Da können Sie herumreden so lange Sie wollen.

Mi., 08.08.2018 - 18:42 Permalink
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Michael Bockhorni Do., 09.08.2018 - 12:02

Viele Jahre habe ich airbnb gerne genutzt und die andere Qualität gegenüber den herkömmlichen Unterkünften geschätzt, interessante Leute kennengelernt, etwas von der Stadt erfahren usw. Aber dann bin ich in Wien ein mal in diese oben erwähnten Geisterhotels gekommen. Seitdem bin ich vorsichtig geworden und nehm mir doch lieber ein Low (bzw. Middle) Budget Hotel. Schade um eine gute Idee, airbnb könnte doch verlangen, dass die Wohnung vom Vermieter bewohnt ist bzw. betreut wird, dann hören sich die Geisterhotels auf und die neg. Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt würden sich verringern.

Do., 09.08.2018 - 12:02 Permalink
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Martin Daniel Do., 09.08.2018 - 12:24

AirBnb nutzt die Vorteile des freien Marktes und wird von diesem wohl auch gezähmt werden. Die Preise vieler Angebote dieser mittlerweile großteils möchte-gern-share economy haben in den interessanten Orten stark angezogen sodass ein klassische Unterkunft ohne selber Saubermachen und Müll runter bringen vermehrt wieder interessant wird.

Do., 09.08.2018 - 12:24 Permalink
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Franco Blue Sa., 11.08.2018 - 19:01

In den letzten zwei Jahren sind die ohnehin schon hohen Mieten in Bozen explodiert, um 25-50% gestiegen. gleichzeitig ist die Anzahl der Mietwohnungen extrem gesunken, bei gleicher Nachfrage. Im gleichen Zeitraum sin die angebotenen Zimmer bei AirBnB für den Bereich Bozen um ein vielfaches gestiegen. Da liegt es wohl nahe, das viele Mietwohnungen dem Markt entzogen werden, und am Kurzzeitgäste vermietet werden. Da kann man den Vermietern keinen Vorwurf machen. Die Gäste zahlen im voraus, die Einnahmen sind deutlich höher, als in einem klassischen Mietverhältnis, und ich habe keine Sorgen mit Mietschulden, usw. Die Vermieter nutzen zu Ihrem Vorteil eine Grauzone im Gesetz. Aber, da es scheinbar auf Kosten der Familien geht, die keine bezahlbaren Mietwohnung mehr finden können, ist hier eine Regelung dringend notwendig.

Sa., 11.08.2018 - 19:01 Permalink
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Profil für Benutzer Paul Berger
Paul Berger Mo., 13.08.2018 - 13:47

Martin Daniel geb ich vollkommen recht und teile seine Meinung! AirBnB ist unlauterer Wettbewerb! Hier muss endlich eine Regelung geschaffen werden!

Mo., 13.08.2018 - 13:47 Permalink