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Diplom statt Doppelpass

Die Geschichte eines Hürdenlaufs zur Anerkennung des Deutschen Uni Diplom und warum der Doppelpass nur ein weiterer Grund wäre nach dem Studium in Österreich zu bleiben
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Der Doppelpass
Foto: Tiroler Tageszeitung

Ich habe nichts gegen den Doppelpass. Im Gegenteil, ich habe selbst zwei Pässe, einen Italienischen und einen Deutschen - und bin froh darum.

Wenn alle in Österreich lebenden Südtiroler die Chance bekommen sollen in einem Aufnahmeprozess den Doppelpass zu erhalten, also auch die Südtiroler italienischer Muttersprache, können wir gern darüber reden. Stattdessen treibt man einen weiteren Keil in die Gesellschaft bei diesem heiklen Thema.

Was hat man denn konkret von zwei Pässen? Die Wahl von zwei Parlamenten, die Wahl zwischen zwei Armeen, dann hört es fast schon auf, für den Rest gibt es Europa.

Tatsächlich sollte man dort einfacher mitbestimmen dürfen wo man lebt oder geboren ist, wo es um die eigenen Lebensbedingungen geht.

Ja zum Ius Soli, Ja zur Verkürzung der "Wartezeit" für Italiener in Südtirol um vom eigenen Wahlrecht gebrauch zu machen von 4 Jahren auf ein Jahr - wie im Trentino. Europa könnte außerdem weitere Verbesserungen bringen für Europäer im Ausland.

Sollen die Südtiroler es also lediglich noch einfacher haben nach Österreich auszuwandern dank dem Doppelpass? Wie sagte es Christian Kern so schön: Für das Selbstbewusstsein brauchen die Südtiroler den Doppelpass nicht.

Was wäre denn stattdessen für die Südtiroler in Südtirol wichtig?

Und da kommt mein Anliegen: Die Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland für die Teilnahme an öffentlichen Wettbewerben und für die Eintragung in Ranglisten, zumindest einmal aus dem deutschsprachigen Ausland.

Mehr als die Hälfte der südtiroler Studenten studiert dort. Viele in Österreich, einige aber auch in Deutschland. Es locken gute, renommierte Unis ohne Studiengebühren und gute Arbeitsperspektiven. Arbeitsperspektiven auch im öffentlichen Dienst zuhause in Südtirol?

Die Anerkennung des Abschlusses für den öffentlichen Dienst bleibt oft ein schwer überwindbares Hindernis:

Oft hieß es zu mir von den Unwissenden, eine Anerkennung eines deutschen Uni Abschlusses sollte doch kein Problem sein. Geh zur Uni Bozen, geht ganz schnell. Die Wahrheit ist, dass dies nur für einige Fachbereiche gilt, für die es Abkommen mit Universitäten in Österreich gibt.

In meinem Fall, einem deutschen "Diplom Ingenieur" Abschluss an der Uni Stuttgart der Fachrichtung "Umweltschutztechnik", müsste ich für eine fachliche Anerkennung eine Uni in Italien finden, die den genau gleichen Lehrplan anbietet und meine Kurse anerkennt. Unmöglich ohne ein halbes Studium nachzuholen inklusive Studiengebühren, Aufnahmelisten etc.

Bleibt die Möglichkeit bei jeder einzelnen Eintragung in Ranglisten oder Teilnahme an öffentlichen Wettbewerben jedes Mal neu um Einzel- Anerkennung anzusuchen, bei gleich zwei Ministerien in Rom. Dazu braucht es:

  • Eine "Dichiarazione di valore" vom italienischen Konsulat in Deutschland

  • Übersetzungen eines vereidigten Übersetzers

  • beglaubigte Kopien und eine Menge teurer Stempelmarken und Einschreiben

Vor allem aber braucht Die Einzel- Anerkennung viel Zeit, viele Monate, fast Jahre - zu viel

Inzwischen habe ich mehrere Angebote der Provinzverwaltung und der Stadt Meran dankend abgelehnt, die ich ohne Anerkennung nicht oder nur schwerlich (unter Vorbehalt) hätte annehmen können. Ein ganzer Stapel meiner längst überholten Anträge verstopft weiter die überforderten Ministerien. Dabei habe ich jetzt einen Job in einer "privat" geführten In House Gesellschaft der Provinz.

Was lernen wir daraus? Den Nachwuchsmangel an qualifizierten Fachkräften in öffentlicher Verwaltung und Sanität, der durch die Verrentung der "Baby Boomer" Generation bald noch verschärft wird, bekämpft man so nicht. Wenig attraktive Bezüge im öffentliche Sektor, jedenfalls unterhalb der Führungsebenen, helfen da auch nicht weiter.

Dafür wird es mit Doppelpass vielleicht bald noch attraktiver nach dem Studium nach Österreich zu gehen oder gleich dort zu bleiben. Es locken bessere Gehälter, bessere Sanitätsleistungen und mehr sozialer Wohnungsbau - sowie vielleicht bald das Wahlrecht. Wien ist nicht ohne Grund gerade zur Stadt der höchsten Lebensqualität der Welt gewählt worden. Dies aus Sicht von Mitarbeitern, die ins Ausland entsand wurden. Auch München, Zürich, Düsseldorf oder Frankfurt sind ganz oben dabei.

Ich selbst müsste einfach auf meinen sizilianischen Vater hören: "Junge komm heim nach Deutschland, was willst du in Italien?". Ich antworte gern, dass Südtirol nicht ganz gleich Italien ist. Doch Südtirol ist was einige harte Kriterien angeht (schon wieder das Lohnniveau im Vergleich zu den Lebenskosten und die Leistungen der Sanität, die schwache Prävention, die Wartezeiten) auch nicht wesentlich besser. Wenn ich mich hier nicht so sau wohl fühlen würde (*Stöhn).

Vielleicht kann man ja in der Politik etwas Verbesserungen erreichen?

Wenn ich schon den Landtag und damit die für mich richtigen Vertreter meiner Anliegen nicht wählen darf - mir fehlt ein halbes Jahr Wohnsitz, auch wenn ich schon 5 Jahre in Südtirol lebe - so kann ich mich doch sofort selbst zur Wahl aufstellen lassen (kurios!).

Und so bleibe ich und versuche das politische System von unten etwas aufzumischen. Zurück nach Deutschland geht notfalls immer.

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Max Benedikter So., 19.08.2018 - 12:47

Bravo!
Wenn wir in Südtirol gerade den Bereich der Studientitelanerkennung in Italien intensiv betreuen würden, dann wären wir in unserer Brückenfunktion sehr attraktiv.
Hingegen muss sich ein de/aut/sz Arzt vor einem Wettbewerb (also ohne Sicherheit) in der Ärztekammer einschreiben und auch noch die it. Stempelmark für die Einschreibung am Wettbewerb im jeweiligen italienischen Konsulat selbst organisieren.

So., 19.08.2018 - 12:47 Permalink
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△rtim post Mi., 22.08.2018 - 03:53

Was bitte hat das Thema "Anerkennung bundesdeutscher Studientitel" jetzt mit dem Thema "Doppelpass für Südtiroler-innen" zu tun?
Wenn Sie uns diesen Zusammenhang (wissenschaftlich) nachvollziehbar darlegen können, schaffen Sie auch noch ein paar Zusatzprüfungen in Italien.

Mi., 22.08.2018 - 03:53 Permalink
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Pascal Vullo Mi., 22.08.2018 - 13:55

Vielen Dank für die Kommentare! Es geht ein bisschen darum welche Prioritäten politische Themen haben und meiner Meinung nach haben sollten. Ich habe mich mit den beiden Themen "Doppelpass" und "Anerkennung von ausländischen Studientiteln" kritisch auseinandergesetzt und sie gegenübergestellt. Beide Themen betreffen mich persönlich. Es geht mir dabei aber nicht darum die beiden Themen gegeneinender auszuspielen. Leider ist das Thema Anerkennung so gut wie kein politisches Thema. Man redet lieber über emotionsgeladene Themen wie Wolf, Immigration oder eben den Doppelpass. Und so ist der - ein wenig provokante - Titel "Diplom statt Doppelpass" auch ein stilistisches Mittel um das Thema Anerkennung in den Fokus rücken. Das ist nicht Wissenschaft, sondern Politik. Aber scheinbar funktioniert es. Beste Grüße

Mi., 22.08.2018 - 13:55 Permalink