Gesellschaft | vergiftetes Klima

Unter keinem guten Stern

Furcht vor einer “islamischen Invasion” scheint Badia/Abtei zu lähmen. Ein Pfarrgemeinderat sagt Nein zu Flüchtlingen – was einen jungen Priester fassungslos macht.
La Ila/Stern
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Für den jungen Priester ist es “eine unglaubliche Schande”. 33 Jahre ist Don Paolo Zambaldi alt. Seit 1. September leitet er zwei Pfarreien in Bozen. Zuvor war Don Zambaldi unter anderem als Kaplan im Bozner Dom tätig, der auf den Namen Maria Himmelfahrt geweiht ist.
Denselben Namen trägt auch die Pfarrei, in der sich jenes Ereignis zugetragen hat, das Don Zambaldi fassungslos macht – und wohl nicht nur ihn: Der Pfarrgemeinderat von La Ila/Stern hat sich gegen die Aufnahme einer Flüchtlingsfamilie im alten Widum ausgesprochen. Unter anderem, weil sich einige Mitglieder offenbar vor einer “islamischen Invasion” fürchten.
Eine irrationale Angst, die vor allem im Netz geschürt wird.

 

(Noch) Kein Happy End

Es hätte eigentlich das gute Ende einer Geschichte sein können, die weniger gut begonnen hat. Im April dieses Jahres gibt der Gemeinderat von Badia/Abtei grünes Licht: Er stimmt dafür, dass sich die Gadertaler Gemeinde am SPRAR-Programm beteiligt und Flüchtlinge, die Südtirol über die staatliche Quote zugewiesen werden, aufnimmt. Zwei Mal hatten die Gemeinderäte zuvor dagegen gestimmt.
Die Bedingung, an die das (knappe) Ja des Gemeinderates im April geknüpft wird: Nur Familien werden aufgenommen.

Zwei sollen es werden. Für die eine Flüchtlingsfamilie findet die Gemeindeverwaltung eine Unterkunft im ehemalige Bibliotheksgebäude. Die andere soll in einem Teilgebäude des alten Widums in der Fraktion La Ila/Stern unterkommen. Die Gemeindeverwaltung stellt eine entsprechende Anfrage an die dortige Pfarrei Maria Himmelfahrt. Die sagt Ende August: Nein. Beziehungsweise sind es der Pfarrgemeinde- und der Verwaltungsrat, die bei einer gemeinsamen Sitzung mehrheitlich dagegen stimmen, die Flüchtlingsfamilie zu beherbergen. Und das, obwohl sich die Präsidentin des Pfarrgemeinderates Giusi Gius Fistill und auch Dekan Iaco Willeit dafür aussprechen.

Trotz langer Debatte sei es nicht möglich gewesen, Pfarrgemeinde- und Verwaltungsrat umzustimmen, meint Giusi Gius Fistill bitter. Fast alle der acht Anwesenden hätten die Angst vor einer “islamischen Invasion” unterstrichen – und davor, dass sich Mitbürger möglicherweise rächen könnten, wenn man der Aufnahme der Flüchtlingsfamilie zustimme, so die Pfarrgemeinderatspräsidentin.

“Solche Standpunkte in einem reichen Land zu vernehmen, in dem die Aufnahme (zum Glück und dank dem Einsatz vieler: Gläubige und Nichtgläubige, Priester, Laien und Sozialarbeiter) funktioniert, widert mich an… und mit mir viele Priester, Gläubige und Bürger. Eine unglaubliche Schande!”
(Don Zambaldi)

 

Keine Herberge für eine Familie

Angst vor einer “islamischen Invasion”? Angst vor möglichen Vergeltungsakten? Eine aberwitzige Vorstellung in einer Gemeinde, die vom Tourismus – und somit von einem Alltag, aus dem Fremde nicht wegzudenken sind – lebt und gerade einmal zwei Flüchtlingsfamilien unterbringen soll.

Mehrmals hat Bischof Ivo Muser in der jüngsten Vergangenheit Menschen und Pfarreien im Land aufgerufen, ihrer christlichen Mission nachzukommen und bei der Aufnahme von Flüchtlingen mitzuwirken. “Die biblische Haltung der Gastfreundschaft ist nicht zu beschränken auf finanzstarke Touristen”, so Muser etwa im September 2017. Zuletzt zeigt der Bischof im Hirtenbrief vor nicht einmal einem Monat mit dem Finger auf “die Verrohung der Sprache, die Angstmacherei, das Übertreiben, die demagogischen Argumentationen”: “Hier wird sprachlich einer radikalen Entsolidarisierung mit Menschen in der Not der Weg bereitet. Es braucht verantwortete Lösungsansätze und nicht populistische und zynische Parolen. Es braucht Sachlichkeit und nicht das Schüren von Emotionen.”

 

Bessones “Bravi!”

Doch die schriftlichen Appelle – auch die Seelsorgeeinheit “Unité pastorala Val Badia” hat den Pfarreien Unterstützung in der Flüchtlingsaufnahme angeboten – und mehrmalige bischöfliche Besuche im Gadertal scheinen zumindest in La Ila/Stern nichts bewirkt zu haben.
Woher aber kommt diese irrationale Angst vor Einwanderern, vor Flüchtlingen, ja gar vor einer “Invasion”, mit der die Pfarrei ihr Nein zur Flüchtlingsfamilie begründet? Der Bürgermeister der Gemeinde Badia/Abtei, Giacomo Frenademetz zeigt sich von der Entscheidung überrascht. Für ihn steht fest: “In der Bevölkerung gibt es diese Angst nicht. Jemand schürt sie.”
Tatsächlich wird vor allem in sozialen Netzwerken seit Längerem systematisch gezündelt. Zum Beispiel über die Facebook-Seite “ValBadia Dolomites” mit 18.700 “Gefällt Mir”.

Dort kommentiert man die Entscheidung in La Ila/Stern so: “PRIMA LA GENTE DEL POSTO. NO AI MIGRANTI NELLA CANONICA DI LA VILLA. I membri del Consiglio di Amministrazione della Parrocchia di La Villa hanno mostrato di avere gli attributi e detto un chiaro no all´accoglienza ai migranti. A questo punto la Giunta del Comune di Badia (…) dovranno capire! L’unica soluzione se proprio li vogliono è portarseli a casa loro ed a loro spese!
In Jubelgeheul verfällt unter anderem der Brixner Gemeinderat und Landtags-Spitzenkandidat der Lega, Massimo Bessone.Bravi! Nessun razzismo, ma pochi scappano dalla guerra, tanti ne approfittano! Le cose vanno guadagnate e le valli ladine ne sono la testimonianza!”, schreibt Bessone, der als Landesrat künftig in einer möglichen SVP-Lega-Koalition sitzen könnte, in einem Kommentar unter dem Facebook-Post.

 

Im Namen der (Schein-)Heiligkeit

Unbegründet, dafür umso wirksamer scheint die (virtuelle) Panik(mache) in La Ila/Stern ihre Kreise zu ziehen. Selbst Dekan Iaco Willeit spricht von einer “Angst, die mittlerweile unter fast allen herrscht…”, einer “Angst, die so weit geht, dass wir uns nicht mehr trauen, etwas Gutes für andere zu tun und Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen”. So die Worte einer Botschaft, die Willeit am vergangenen Sonntag in einer Nachricht, die im Pfarrblatt erscheint, an die Pfarrgemeinde richtet. Er will das Thema noch nicht abhaken, den Pfarrgemeinderat noch einmal mit der Aufnahme der Flüchtlingsfamilie befassen. “Vielleicht brauchen wir alle Zeit, um darüber nachzudenken und auf die göttliche Vorsehung zu vertrauen”, schließt Willeit.

Willeits Botschaft erntet beim jungen Bozner Priester Don Paolo Zambaldi Kopfschütteln. “1) Es handelt sich nicht um ‘Angst’, wenn es um eine Familie geht, sondern um Rassismus, Hass und Unfähigkeit, das Evangelium zu leben! (…) 2) Wenn die Pfarrgemeinden Fehler machen, haben wir als Hirten die Pflicht, einzugreifen, auch hart… auch indem wir den Pfarrgemeinderat auflösen.”

Den “Fehler”, von dem Don Zambaldi in seinem Blog schreibt, könnte der Pfarrgemeinderat von La Ila/Stern wieder ausbügeln. Bürgermeister Frenademetz zeigt sich zuversichtlich, er sei überzeugt, dass die Entscheidung, die Flüchtlingsfamilie im Widumsgebäude nicht aufzunehmen, abgeändert wird. Doch ein Teil des Schaden wird so rasch nicht gut zu machen sein – wie ein erneuter Blick in die sozialen Netzwerke zeigt. Dort überlässt man den Platz nicht kampflos denen, die am lautesten schreien. “La chiesa aiuta chi ha bisogno…..o solo chi???”, fragt sich ein Facebook-User aus Badia/Abtei – und gesteht: Un po’ mi vergogno.” Ein anderer wirft dem Pfarrgemeinderat ein “Verhalten, das an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten ist”, vor. Und wieder ein anderer fragt sich: “Val Badia troppo ricca per condividere?”

Die Ereignisse in und um La Ila/Stern werfen kein gutes Licht auf die Gemeinde und das gesamte Tal. Dabei haben die beiden Gadertaler Nachbargemeinden von Badia/Abtei, Wengen und Enneberg, jeweils eine Handvoll Flüchtlinge aufgenommen. Die Angst hat dort nicht die Oberhand gewonnen. Und das Zusammenleben funktioniert.
Manchmal würde ein einfacher Blick über den eigenen Kirchturm hinaus gut tun.

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19 amet Di., 04.09.2018 - 10:17

Wenn es wohlhabende Muslime wären, könnten sie auch in Burka kommen, Hauptsache die Kasse klimgelt. Nachdem es aber arme Leute sind, schlägt man ihnen die Tür vor der Nase zu.

Di., 04.09.2018 - 10:17 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 04.09.2018 - 12:52

"Die Ereignisse in und um La Ila/Stern werfen kein gutes Licht auf die Gemeinde und das gesamte Tal."
Solche Sätze sind einfach nur dumm und ma könnte sie sich doch getrost sparen.

Di., 04.09.2018 - 12:52 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 04.09.2018 - 21:05

Antwort auf von Michi Hitthaler

Wieso? Glaubst du auch, dass man durch das Handeln einiger Räte eines kleinen Rates in einer kleinen Gemeinde Rückschlüsse auf das ganze Tal schließen kann? Wenn ja, dann erklär das mal, ich bin ganz Ohr.

Di., 04.09.2018 - 21:05 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 04.09.2018 - 18:06

"Dabei haben die beiden Gadertaler Nachbargemeinden von Badia/Abtei, Wengen und Enneberg, jeweils eine Handvoll Flüchtlinge aufgenommen. " Im Ausschlussverfahren beideutest das, dass die Gemeinden St. Martin in Thurn/San Martin de Tor und Corvara noch keine aufgenommen haben! In Corvara gibt es sicher einige Reiche Mulsime von den Golfstatten. Die machen aber niemandem Angst! Welche Macht Geld haben kann!

Di., 04.09.2018 - 18:06 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 04.09.2018 - 20:22

Also diese von vorurteilen strotzende Haltung zum Thema Geld und Grödner hier in den Kommentaren, erinnert stark an frühere Zeiten im deutschen Sprachraum wo eine Gewisse Glaubensgemeinschaft Geiz und Geldgier nachgesagt wurde.
Traurig traurig....

Di., 04.09.2018 - 20:22 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 05.09.2018 - 16:35

Wenn nach dem nächsten Unglück eine südtiroler Familie (natürlich mit Ahnennachweis) eine Unterkunft benötigt, werden wir uns an Sie wenden. Mal sehen ob Sie jemanden aufnehmen.

Mi., 05.09.2018 - 16:35 Permalink
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19 amet Mi., 05.09.2018 - 23:27

Kunze, hören Sie doch auf immer mit dem Finger auf die Anderen zu zeigen. Wieviel haben denn Sie aufgenommen ?
Die rechte Hetze die Sie betreiben ist widerlich. Damit kommen Sie auf salto nicht durch.Verlorene Zeit.

Mi., 05.09.2018 - 23:27 Permalink
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Michael Bockhorni Sa., 08.09.2018 - 13:57

Es gibt Höhenangst, Platzangst und eben auch Fremdenangst. Bei den ersten beiden hilft Medizin oder Therapie, niemals waren sie Thema der Politik.

Sa., 08.09.2018 - 13:57 Permalink