Politik | Interview

„Keine Legislatur ist leicht“

Landeshauptmann Arno Kompatscher über das SVP-Ergebnis, seine Stimmenverluste, die Koalition mit der Lega, die Aufstockung der Landesregierung und die neuen Landesräte.
Kompatscher - salto
Foto: Salto.bz
Salto.bz: Herr Landeshauptmann Kompatscher, noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen?
 
Arno Kompatscher: Das Wahlziel, das wir uns vorgenommen haben, waren 40 Prozent. Mit knapp 42 Prozent haben wir das übertroffen. Aber gleichzeitig gibt es nichts schön zu reden: Wir haben nicht mehr dieselbe Zustimmung erhalten wie bei den letzten Wahlen. Im ländlichen Bereich haben wir in den meisten Gemeinden unsere Stimme gehalten und in einigen auch leicht dazu gewonnen. Im städtischen Bereich hingegen haben wir Stimmen verloren und das muss uns zu denken geben.
 
Das klingt fast als würden Sie trotz minus 3,8 Prozent aufatmen?
 
Nein, ich bin natürlich mit dem Ergebnis der Partei nicht zufrieden. Denn letztendlich haben wir doch auf eine Bestätigung des Ergebnisses von 2013 gehofft.
 
 
Sie haben persönlich fast 13.000 Vorzugsstimmen verloren. Sie behaupten, das sei auf die Namensgleichheit mit Franz Kompatscher zurückzuführen. Eine doch etwas abenteuerliche Erklärung?
 
Mit meinem persönlichen Ergebnis bin ich sehr, sehr zufrieden. Denn durch das neue Wahlsystem wurden viel weniger Vorzugsstimmen gegeben. Das betrifft alle Parteien, alle Listen. Der Grund: Man konnte nicht mehr eine Nummer auf den Stimmzettel schreiben. Gleichzeitig gab es wirklich sehr viele Stimmen auf denen nur Kompatscher stand. Diese Stimmen konnte nicht zugewiesen werden. Somit ist klar, dass ich mein persönliches Ergebnis trotz Stimmenverlusten der SVP in etwa gehalten habe.
Zurzeit gibt es diese Welle auf der Salvinis Lega reitet und die jetzt auch in Südtirol bei der italienischen Bevölkerung angekommen ist.
Philipp Achammer hat hingegen deutlich an Vorzugsstimmen dazu gewinnen können. Ist damit die Macht des Landeshauptmannes eingeschränkt?
 
Nein, überhaupt nicht. Wir sind ein Team und das Ergebnis von Philipp Achammer freut mich sehr. Das stärkt ihn als Parteiobmann und gemeinsam sind wir stärker. Ich sehe in diesem Ergebnis einen ganz klaren Rückhalt für mich als Landeshauptmann und für Philipp Achammer als SVP-Obmann.
 
Man kann das Wahlergebnis aber auch so deuten, dass Arno Kompatscher und seine Politik abgestraft wurden?
 
Das sehe ich absolut nicht so. Zum einen ist der Ausgang so, dass ich mathematisch ein sehr gutes persönliches Vorzugsstimmen-Ergebnis geschafft habe. In etwa dasselbe wie beim letzen Mal. Und  zum anderen: Abgestraft wurde von den Wählern eine ganze andere Politik. Jedenfalls von den deutsch- und ladinischsprachigen Wählern. Nämlich die anti-europäische Politik, jene die weg von der Autonomie wollen und andere Vorstellungen haben. Das sind die Parteien mit den größten Verlusten. Unser Weg des Ausgleichs ist belohnt worden.
Abgestraft wurde von den Wählern eine ganze andere Politik. Nämlich die anti-europäische Politik, jene die weg von der Autonomie wollen und andere Vorstellungen haben. Das sind die Parteien mit den größten Verlusten.
Eine anti-europäische Partei ist bei diesen Wahlen aber in Südtirol zur stärksten italienischen Kraft geworden: Die Lega.
 
Bei den Italienern ist das so. Dort hat die Lega deutlich gewonnen. Das sind die Wählerinnen und Wähler wieder an die Urnen gegangen. Sie haben eine Partei gefunden, die sie wählen wollten. Das hat auch das Gesamtergebnis maßgeblich beeinflusst. Die Italiener sind wieder Wählen gegangen. 2013 sind sehr viele Italiener den Urnen fern geblieben. Zudem gibt es zurzeit natürlich diese Welle auf der Salvinis Lega reitet und die jetzt auch in Südtirol bei der italienischen Bevölkerung angekommen ist. Das muss man zur Kenntnis nehmen.
 
Die neue Regierungskoalition dürfte damit in Stein gemeißelt sein: SVP-Lega?
 
Wir werden jetzt einmal zuerst das Wahlergebnis intern analysieren, was unsere Partei anbelangt. Danach werden wir Gespräche mit allen Parteien führen und deren Positionen hören. Das ist aus meiner Sicht auch unsere demokratische Pflicht. Erst danach werden wir in den Parteigremien entscheiden mit wem wir an einer Regierungsbildung arbeiten wollen. Klar ist: Die italienische Sprachgruppe muss in der Landesregierung vertreten sein und damit haben wir nicht viele Optionen. Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten...
 
Die zweite Möglichkeit wäre eine Koalition mit dem PD und den Grünen?
 
Es gibt zwei Optionen.  Wir werden uns deshalb sicher nicht festlegen, sondern zuerst die Gespräche führen und uns dann entscheiden.
 

Die Gespräche mit PD und Grünen habe doch nur Alibifunktion?
 
Nochmals: Wir werden mit allen Parteien sprechen und es sind mit niemandem Alibigespräche. Sondern wir wollen uns eine Meinung der künftigen Positionierung im Landtag aller Parteien bilden bevor wir an der Regierungsbildung arbeiten.
 
Matteo Salvini und die Lega machen eine Ausländerpolitik, die absolut gegen jene Grundsätze gehen, die Sie bisher vertreten haben. Wie wollen Sie da zusammenkommen?
 
Wir werden bei den Koalitionsgesprächen – egal mit wem – von unseren Grundwerten ganz sicher nicht abrücken. Das bleiben die Autonomie und der Minderheitenschutz, die europäische Ausrichtung und das friedliche Zusammenleben in Südtirol. Alle drei Bereiche schließen das Thema Einwanderung mit ein.
Wir werden bei den Koalitionsgesprächen – egal mit wem – von unseren Grundwerten ganz sicher nicht abrücken.
Die numerische Stärke der italienischen Sprachgruppe im Landtag verlangt jetzt zwei italienische Landesräte. Werde Sie die Landesregierung aufstocken?
 
Wir werden jetzt sicher nicht – bevor wir Koalitionsgespräche führen – über die Zahl der Mitglieder der Landesregierung reden. Das ist nachrangig. Aufgrund der gewachsenen Vertretung im Landtag stehen den Italienern, so wie es eigentlich immer war, wieder zwei Plätze in der Landesregierung zu. Dem ist Rechnung zu tragen. Alles Weitere wird man sehen.
 
Wenn sie auf 9 Mitglieder aufstocken, dann brauchen Sie drei Frauen. Und damit die Lega-Frau Rita Mattei als Landesrätin?
 
Ich habe nichts von einer Aufstockung gesagt.
Eindeutiger Verlierer bei diesen Wahlen ist die volkstumspolitische Rechte. Dürfte diese das Klima im Land nicht deutlich verbessern?
2013 gingen Sie bei der Bildung der Landesregierung nach Vorzugsstimmen vor. Wird das auch diesmal das entscheidende Kriterium sein?
 
Bei der letzten Wahl haben wir diese Entscheidung nicht nur aufgrund des Wahlergebnisses getroffen, sondern auch weil sich im Ergebnis auch die Kompetenzen und Voraussetzungen widergespiegelt haben, die wir in der Landesregierung gebraucht haben. Wir werden jetzt schauen, wer unsere Vertreter in der Landesregierung sein können. Aber das sind alles Themen, die man erst dann angeht, wenn klar ist mit wem man koaliert.
 

Wird es ein Comeback von Thomas Widmann in der Landesregierung geben?
 
Wir werden diese Personalfragen erst dann besprechen, wenn wir wissen wer unser Koalitionspartner ist und wie viele Mitglieder die Landesregierung haben wird. Dann kann man darüber diskutieren, wer für uns in dieser Regierung sitzen wird.
 
Bei diesen Wahlen ist klar zum Ausdruck gekommen, dass man für radikale Positionen wenig über hat.
 
Glauben Sie, dass die kommende Legislatur für Sie als Landeshauptmann leichter werden wird als ihre erste?
 
Es ist keine Legislatur, die man in diesem Land als Landeshauptmann bestreiten muss, einfach. Südtirol ist ein wunderschönes aber auch sehr komplexes Land. Wir werden jetzt neue Herausforderungen haben. Wir hatten aber auch in den vergangen fünf Jahren gewaltige Herausforderungen zu bewältigen.
 

Eindeutiger Verlierer bei diesen Wahlen ist die volkstumspolitische Rechte. Dürfte diese das Klima im Land nicht deutlich verbessern?

 

Ich glaube bei diesen Wahlen ist klar zum Ausdruck gekommen, zumindest bei der deutsch- und ladinischsprachigen Wählerschaft, dass man für radikale Positionen wenig über hat, sondern dass der Weg des Ausgleichs, der Autonomie, des Zusammenlebens und des Friedens im Land, jener ist, den sich die Bevölkerung auch wünscht.

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Stereo Typ Di., 23.10.2018 - 15:23

Sehe das auch so wie Arno Kompatscher. Sein Ergebnis ist gut, das des Obmannes auch. Neben einer weiteren Mitte-Partei (Köllensperger) zu bestehen und "nur" ein paar Prozent zu verlieren, kann nicht als Wahlwatsche gedeutet werden. Abgewatscht wurde in der Tat die volkstumspolitische Rechte, deren Slogans man nicht mehr hören kann. Siesind inzwischen in die Jahre gekommen und haben sich, anders als SVP u. a., nicht erneuert.

Di., 23.10.2018 - 15:23 Permalink
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Karl Trojer Sa., 27.10.2018 - 11:26

Die Wahlbeteiligung war bei der italienischen Sprachgruppe wohl eher niedrig. Die Stimmen der italienischsprachigen MitbürgerInnen haben sich nebst Lega auf die SVP, das Team-Köllensperger, die Günen, den PD und AA-nel cuore aufgeteilt. Beachtet man diese beiden Umstände, so kann sicher davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit dieser MitbürgerInnen dankbar wäre, wenn sie nicht von der Lega, mit ihren nationalistischen und anti-europäischen Tönen, in der Regierung Südtirols vertreten würde.

Sa., 27.10.2018 - 11:26 Permalink