Politik | Koalition

„Einen Pakt für Südtirol“

Der ehemalige SVP-Obmann und Parlamentarier Siegfried Brugger über einen Regierungsvertrag für Südtirol, die Nähe der SVP zu Köllensperger und ein Abkommen mit der Lega.
Brugger, Siegfried
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Salto.bz: Herr Brugger, wenn Sie noch SVP-Obmann wären, würden Sie mit der Lega eine Koalition eingehen?
 
Siegfried Brugger: Ich würde neue Wege suchen. Vor allem aber würde ich den Spieß umdrehen. Ich täte mich nicht so schnell auf irgend eine Aussage oder Partei festlegen. Meiner Meinung nach soll man eine Art „Pakt für Südtirol“ machen. Einen Regierungsvertrag für Südtirol, wo die SVP den großen Rahmen vorgibt. Das heißt in den Vertrag sollen alle Punkte hineingeschrieben werden, die für die Partei unverzichtbar sind. Diesen Vertrag würde ich dann zur Diskussion stellen.
 
Das heißt, der Lega vorlegen?
 
Nein. Man muss den Vertrag allen Parteien vorlegen. Das wäre ein neue Ansatz. Ein Ansatz, wo man nicht schauen muss, wie man ein Stimme mehr bekommt, um die Mehrheit zu bilden, sondern wo man diese rigiden Strukturen aufbrechen kann. Sicher wird es dann Parteien geben, die befinden, dass gewisse Dinge, die vorgegeben werden, mit ihrem Parteiprogramm nicht kompatibel sind. Oder die sagen, wenn diese Partei dabei ist, dann können wir nicht. Aber man soll alle selbst entscheiden lassen.
Einen Regierungsvertrag für Südtirol, wo die SVP den großen Rahmen vorgibt. In den Vertrag sollen alle Punkte hineingeschrieben werden, die für die Partei unverzichtbar sind. Diesen Vertrag würde ich dann zur Diskussion stellen.
Sie haben keine Berührungsängste - wie etwa Luis Durnwalder - gegenüber den Grünen?
 
Ich bin überzeugt, dass die Grünen die ersten sein werden, die abspringen. Sie werden zwar verhandeln, aber die Grünen sind für mich die konservativste Partei, die es in Südtirol gibt. Vielleicht sind sie auch nicht attraktiv genug und denke mit der derzeitige Parteiführung sind sie in Südtirol nicht besonders stark. Aber im Prinzip habe ich nichts dagegen. Denn es wäre falsch die Grünen von vornherein auszuschließen.
 
Und der neue Erzfeind der SVP, Paul Köllensperger?
 
Ich könnte mir vorstellen, dass die Kombination SVP-Team Köllensperger viel interessanter wäre. Dazu den PD. Auch wenn der PD derzeit so schwach ist. Aber warum soll in dieser Diskussion nicht auch die Lega miteinbezogen werden? Man muss mit der Lega ja nicht gleich Europa aushandeln.
 

Das ist aber eines der Probleme der SVP: Sie sucht einen Partner, der im Frühjahr 2019 einen Freifahrtschein für Herbert Dorfmann nach Brüssel und Strassburg vergeben kann?
 
Das ist ein völliger Unsinn. Ich würde nie mit der Lega den Posten im Europaparlament aushandeln. Es geht hier einzig und allein um ein Programm für Südtirol. Mehr braucht es nicht
Ich könnte mir vorstellen, dass die Kombination SVP-Team Köllensperger viel interessanter wäre. Dazu den PD.
Sie glauben, dass die Volkspartei und Paul Köllensperger kompatibel sind?
 
Ja, absolut. Ich bin überzeugt, dass das Team Köllensperger die Partei ist, die der Volkspartei mit Abstand am nähsten steht. Nicht zufällig ist ihre Farbe Gelb. Das sind aufgeschlossene, liberale Menschen, die zum eine guten Teil komplementär zur SVP sind...

 
Sie klingen ja fast schon wie ein Köllensperger-Wähler?
 
(lacht) Ich bin kein Köllensperger-Wähler, weil ich Volkspartei wähle und in der SVP eine Geschichte habe. Aber ich habe keinerlei Berührungsängste. Im Gegenteil, ich kennen den Paul Köllensperger auch relativ gut.
 
Sie waren fast 20 Jahre lang in Rom und kennen das römische Politparkett. Kann es sich die SVP leisten, nachdem man jetzt jahrelang mit dem PD im Bett gelegen ist, auf die Lega umzuschwenken?
 
Ich glaube ja. Denn für mich gibt es einen völlig anderen politischen Ansatz. Ich habe es bereits mehrmals in der Partei gesagt: Es hat mich gestört und ich finde es falsch, dass sich die SVP in den vergangenen Jahren zu stark an eine Partei gebunden hat. Ich habe die übertrieben, enge Bindung an den PD immer kritisiert und ebenso die viel zu starke Ausrichtung der Südtiroler Politik auf Rom. Auch die Zuckerlen für Boschi und Bressa, zu einem Zeitpunkt, wo das nur mehr aus Dankbarkeit gemacht wurde und nicht als programmatischer politischer Pakt. Das alles war für mich eindeutig ein Fehler.
Ich habe die übertrieben enge Bindung an den PD immer kritisiert und ebenso die viel zu starke Ausrichtung der Südtiroler Politik auf Rom.
Sie sagen die Lega soll Teil dieses Paktes für Südtirol sein?
 
Ja, denn ich sehe in einem Pakt mit der Lega kein größeres Problem. Vorausgesetzt, das Abkommen ist auf Südtirol beschränkt und man tut nicht 20 verschiedene Sachen zusätzlich hinein. Es ist einfach an der Zeit einmal aufzumachen. Dabei soll es nicht eine exklusive Angelegenheit SVP-Lega werden. Vor diesem Hintergrund sehe ich das Ganze eher entspannt. Dazu gibt es eine ganze Reihe von möglichen Koalitionen...
 
An was denken Sie?
 
Warum soll es nicht SVP-Lega-Köllensperger geben? Immerhin stellen M5S und die Lega derzeit in Rom die Regierung. Denken kann man doch ein bisschen weiter.
 
Die Gretchenfrage wird sein: Können es sich Philipp Achammer und Arno Kompatscher leisten, mit Matteo Salvini ein Abkommen zu unterzeichnen?
 
Mir gefällt der Salvini überhaupt nicht. Ich habe mich gut in der Lega von Maroni und Bossi zurechtfinden können und ich habe auch mit Zaia oder Calderoli überhaupt keine Probleme gehabt. Diese Politiker waren wirklich autonomiefreundlich. Mit Salvini aber habe ich Probleme. Mit dieser ganzen populistischen Tour. Aber noch einmal: Es geht nicht darum ein Europabündnis zu machen. Es geht auch hoffentlich nicht darum ein Bündnis für Rom zu machen. Es geht darum ein Programm zu entwerfen und zu schauen, ob dieser vier Leute der Lega zusammen mit anderen bereit sind, das zu unterschreiben.
 
Es wäre auf jeden Fall ein klarer Rechtsruck der SVP?
 
Auch früher und aktuell hat die SVP hier keine Berührungsängste. Nehmen wir Bruneck her, dort haben wir eindeutig einen Rechten zum Vizebürgermeister gemacht. Oder auch in anderen Gemeinden, etwa Leifers. Da sehe ich nicht als Problem. Solange die SVP nicht ein organisches Bündnis mit der Lega macht, das über Südtirol hinausgeht. Dann würde ich ein Problem sehen. Nicht aber in einer lokalen, programmatischen Zusammenarbeit.
 

Besteht nicht die konkrete Gefahr, dass in einer solchen Landesregierung etwa beim Thema Ausländerpolitik bereits bei der ersten Gelegenheit die Fetzen fliegen?
 
Natürlich wird das einer der wichtigsten Knackpunkte werden. Die Frage wird sein, ist diese Zusammenarbeit mit unseren christlich-demokratischen Grundwerten vereinbar. Hier gibt es sicher einige Bruchlinien zur Lega. Aber man soll Südtirol nicht überschätzen. Wir sind ein Stadtteil von München nicht mehr. Und wenn ich einen Pakt für eine Stadtregierung mache, dann kann ich die großen ideologischen Fragen auch draußen lassen. Man legt fest, was es für die Menschen in diesem Land braucht. Dabei ist sehr wenig ideologisch. Was es braucht sind natürlich klare Vorstellungen und Vorgaben.
Wir sind ein Stadtteil von München nicht mehr. Und wenn ich einen Pakt für eine Stadtregierung mache, dann kann ich die großen ideologischen Fragen auch draußen lassen.
Sie glauben, man kann das auch gegenüber Europa und dem Ausland als lokale Zusammenarbeit verkaufen?
 
Wenn das als Angebot für Südtirol gemacht wird, dann sehe ich kein Problem. Wenn man das allerdings macht, um sich in ein politisches Fahrwasser zu begeben - etwa in Rom mehr zu sagen zu haben oder ein Fahrkarte fürs Europaparlament zu lösen - dann ist es mehr als problematisch. Aber nur weil sich ein Parteiführer so aufführt, sollte man eine punktuelle Zusammenarbeit nicht von vornherein ausschließen.
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Karl Trojer Mi., 31.10.2018 - 17:51

Südtirol wird vom Ausland, über seine Grenzen hinaus, als Ort des friedlichen Zusammenlebens mehrerer Sprachgrupper erlebt. Ein auf Südtirol beschränkter Vertrag, der den engageirten Bezug zur Europäischen Union ausschließt, ist nicht wünschenswert. Eine die Nationen über die europäische Gemeinschaft stellende Partei kann für das autonome Südtirol kein Regierungspartner sein, es sei denn, wir verkaufen unsere Seele, um ein paar Sielberlinge zu erhaschen.

Mi., 31.10.2018 - 17:51 Permalink
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Martin B. Mi., 31.10.2018 - 22:29

Interessantes Interview, insbesondere "die Grünen die ersten sein werden, die abspringen. Sie werden zwar verhandeln, aber die Grünen sind für mich die konservativste Partei, die es in Südtirol gibt.". Ja eben in Südtirol, wo sie doch so gern nach Norden schielen, wo es pragmatisch-bürgerlichen Grünen gelang und gelingt Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Mi., 31.10.2018 - 22:29 Permalink
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△rtim post Do., 01.11.2018 - 02:14

S. Bruggers hat recht, dass es nicht nur verhandlungstaktisch nicht besonders klug wäre, als SVP, ohne eigene Herzensanliegen und Interessen zu formulieren, sich von vornherein gleich wieder auf eine Partei zu fixieren. Aus dem Negativbeispiel PD sollte die SVP mittlerweile gelernt haben. Die Einschätzung Bruggers aber, dass es bei der Abwägung mit wem die SVP ein Arbeits- und Regierungsprogramm abschließe lediglich um lokale eine Bedeutung gehe bzw. gehen könne und das südliche Tirol politisch so unbedeutend wie ein kleiner Münchner Vorort sei, hieße ja zu Ende gedacht, sich wieder mal ohne Notwendigkeit mental selbst bucklig zu machen. Ein bisschen nüchternes Selbstwertgefühl und frohen Mut schaden niemanden.

Do., 01.11.2018 - 02:14 Permalink