Gesellschaft | Transparenz

Amtliches Versteckspiel

Die Landesregierung nutzt die Datenschutzbestimmungen um Fehler der Verwaltung vor den Bürgern zu verstecken. Die Handhabe wird immer absurder.
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Foto: upi
Die Gesetze sprechen eine klare Sprache:
„Die Baukonzession ist eine Ermächtigung des Bürgermeisters, mit der der Antragsteller berechtigt wird, die im Landesraumordnungsgesetz vorgesehenen Bauvorhaben zu verwirklichen“, heißt es im Südtiroler Urbanistikgesetz. Und weiter:
 
„Die Baukonzession wird an der Amtstafel der Gemeinde angeschlagen, und alle Bürger sind zur Einsichtnahme berechtigt.“
 
Dazu gibt es im selben Gesetzestext den Artikel 105. Dort heißt es:
 
„Gegen Entwürfe, Genehmigungen oder die Durchführung von Arbeiten, die im Widerspruch zu Bestimmungen dieses Gesetzes, Verordnungen oder genehmigten Plänen stehen, kann jeder Bürger, spätestens innerhalb der Verfallsfrist von 60 Tagen ab Beginn der Bauarbeiten, bei der Landesregierung Einspruch erheben. Die Landesregierung entscheidet innerhalb von 90 Tagen ab Erhalt des Einspruches, nach Einholen eines Gutachtens der Landesraumordnungskommission, an deren Sitzung in diesem Fall der Beamte gemäß Artikel 2 Absatz 4 mit Stimmrecht teilnimmt, nötigenfalls mit der Annullierung der Baukonzession und mit dem unmittelbaren Erlass der in Artikel 89 erwähnten Verfügungen.“
 
Wunderbar.
Der normale Hausverstand würde besagen: Wenn eine Baukonzession öffentlich ist, so muss auch der Rekurs gegen eben diese Baukonzession vor der Landesregierung öffentlich sein.
Genau so war es jahrzehntelang auch.
 

Desinformation pur

 
Doch die Welt scheint sich in Südtirol - nicht im Trentino - grundsätzlich verändert zu haben.
Aus der gesetzlich vorgeschriebenen Transparenz ist inzwischen ein amtliches Versteckspiel geworden, mit dem man mutmaßliche Fehler und Missstände in der Verwaltung vor der Öffentlichkeit verbergen will.
Nur so ist es erklärbar, was man wöchentlich auf den amtlichen Seiten der Landesregierung serviert bekommt. Dort bemühen sich das Generalsekretariar der Landesregierung und das Landesrechtsamt eine amtliche Desinformationskampagne und Verschleierungstaktik umzusetzen.
So darf der Bürger zwar Einspruch gegen einen Baukonzession bei der Landesregierung und den zuständigen Ämtern erheben, aber niemand darf wissen, wer, wo, wann und warum. Auch die Entscheidungsgründe müssen der Allgemeinheit vorenthalten werden.
Ein Beispiel aus der bisher letzten Sitzung der Landesregierung vom 30. Oktober 2018.
Es beginnt bereits bei der öffentlichen Tagesordnung. Dort steht zu lesen:
 
„Rekurs im Sinne von Art. 105 LROG gegen die Baukonzessionen Nr. 189 vom 02.05.2018 und Nr. 199 vom 12. 05.2017 - Annahme“
 
Um welche Gemeinde es sich handelt, muss ein Staatsgeheimnis bleiben.
Wer sich diesen Beschluss dann anschauen will, der kommt nicht weit. Auf der amtlichen Beschlussseite der Landesregierung öffnet sich folgendes Formular:
Die Frage ist dabei: Wer ist betroffen, wenn sich ein Bürger gegen die Entscheidung einer Gemeinde an die Landesregierung wendet? Nur der Rekurssteller und der vom Rekurs Betroffene? Die Gemeinde?
Oder vielleicht die Allgemeinheit, die ein Recht hat, zu erfahren, was die Verwaltung in solchen Fällen tut oder nicht tut?
 

Der Datenschutz

 
Schaut man sich die Beschlüsse der Regierungssitzung vom 30. Oktober 2018 an, findet man allein auf dieser Sitzung drei Mal diesen Hinweis auf die Privacy-Bestimmungen.
Wie unterschiedlich die angeblich zu schützende Privacy dabei ist, zeigt sich an den betroffenen Beschlüssen.
So findet man etwa den Beschluss „Landesgericht Bozen: Strafverfahren Nr. 6559/17 R.G. N.R. - Nicht-Einlassung als Zivilpartei“ genauso wenig, wie die „Aufsichtsbeschwerde gegen das negative Gutachten der Dienststellenkonferenz für den Umweltbereich zum Varianteprojekt zur Erneuerung der Terrasse - Annahme.
Demnach muss die Eröffnung eines öffentlichen Strafverfahrens genauso dem Steuerzahler vorenthalten werden, wie der mutmaßliche Versuch eine Terrasse widerrechtlich zu errichten.
Das Sahnehäubchen dieses Schildbürgerstreiches aber: Diejenigen, die den Datenschutz so ernst nehmen, scheint nicht aufgefallen zu sein, dass man sich auf das falsche Gesetz beruft.
Denn „Gesetzesvertretendes Dekret vom 30. Juni 2003, Nr. 196“ wurde mit 25. Mai 2018 abgeschafft. Seit dem 19. September 2018 gilt ein neues „Gesetzesvertretendes Dekret vom 10. August 2018, Nr. 101“, mit dem die italienischen Datenschutzverordnung von 2003 an die europäischen Richtlinien angepasst wurde. Vor allem aber wurden zwei Drittel der ursprünglichen italienischen Datenschutzverordnung damit abgeschafft.
Wahrscheinlich fällt aber auch diese Änderung unter dem amtlichen Südtiroler Datenschutz.
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King Arthur Mo., 05.11.2018 - 10:58

Sich nach wie vor auf GvD Nr. 196/2003 zu berufen, ist schon ok! Das GvD von 2018 schafft jenes von 2003 nämlich nicht ab, sondern ändert es (vollumfänglich). Der Fehler ist, sich nicht auf die DatenschutzgrundVERORDNUNG (DSGVO) der EU zu berufen, die inzwischen die weitaus wichtigste - und vor allem: unmittelbar anwendbare! - Rechtsquelle im Datenschutzbereich ist (weit wichtiger als das umfassend geänderte, aber nach wir vor geltende GvD Nr. 196/2003).

Mo., 05.11.2018 - 10:58 Permalink