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Ein Münchner Promianwalt hat die Mails des Brunecker Geschäftsmannes Günther Gang ausspioniert. Der Anwalt wurde verurteilt und muss 5000 Euro Schmerzensgeld zahlen. UPDATE 19.11.2018: Stellungnahme von Dr. Michael Scheele.
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Foto: upi
Günther Gang ist zufrieden. „Ich bin sehr erleichtert, dass die Gerechtigkeit gesiegt hat“, sagt der Brunecker Geschäftsmann. 
Gang, der seit einigen Jahren als Sales-Manager für den neuen Südtiroler Baukonzern „Emaprice SPA“ arbeitet, wurde jetzt unfreiwillig von seiner jüngeren Vergangenheit eingeholt.
Der 54jährige Pusterer Unternehmer steht im Mittelpunkt einer Affäre, die den Stoff und vor allem die Besetzung fürs große Kino hat. Eine Geschichte über die „Bild“, der „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet haben. Ein Krimi in dem Günther Gang das Opfer ist und der vor dem Landesgericht München mit der Verurteilung eines prominenten deutschen Medienanwaltes sein vorläufiges Ende genommen hat.
Am Anfang habe ich gezweifelt, ob ich mich auf diesen Kampf wirklich einlassen soll“, sagt Günther Gang heute nachdenklich, „doch am Ende war es mehr als richtig.
 

Das Unternehmen

 
Am Anfang steht eine Idee und ein ehrgeiziges unternehmerisches Projekt.
Ende 2009 gründet Günther Gang in München die „NanoSky AG“. Das Unternehmen ist auf Forschung, Entwicklung und Anwendung nanotechnologischer Verfahren spezialisiert, die im Baugewerbe und im Korrosions- und Brandschutz eingesetzt werden sollen.
Die NanoSky entwickelt ein Produkt namens Nanoterra Soil (NTS) und lässt es patentieren. NTS ist ein wasserlösliches, umweltneutrales und ungiftiges Polymeradditiv, dem nanoskalige Siliziumdioxidpartikel beigemengt werden. Wegen ihrer Größe und vor allem der extrem großen spezifischen Oberfläche sind diese Teilchen in der Lage, stabile, watteartige und besonders feingliedrige Strukturen auszubilden, die das entstehende Bodengerüst unterstützen und dadurch die Festigkeit im Straßenunterbau ebenso wie in Tragschichten im Oberbau erhöhen. NTS wird als Zusatz in Beton, Asphalt oder Wegebaumaterial verwendet.
 
Aushängeschild ist zu Beginn die Brennerautobahn, wo man bereits 2006 auf acht Kilometern das neue Material testet. Die NTS-Fahrbahnen sollen weit länger halten, als konventioneller Asphalt.
Das Material wird an mehreren deutschen und russischen Universitäten erfolgreich getestet und kommt schon bald in Deutschland, in der Ukraine und in Russland zum Einsatz.
 

Der Promianwalt

 
Günther Gang hat ein Faible für schnelle, teure Autos und er bewegt sich auch in der Münchner Schickeria. So gehört zu seine Bekannten auch der Schlagerstar Roberto Blanco.
Gang ist seit längerem auch mit einem Mann bekannt, der in dieser Welt der Stars ein Fixgröße ist: Michael Scheele. Der heute 70jährige Münchner Wirtschafts- und Medienanwalt vertritt nicht nur Fritz Wepper, dessen Ehefrau, Peter Weck oder Roberto Blanco in mehreren aufsehenerregenden Prozessen, er ist auch selbst Teil der bayrischen Bussi-Bussi-Gesellschaft. 
Vor zweieinhalb Jahren rekonstruiert „Der Spiegel“ die Affäre. Das Hamburger Nachrichtenmagazin beschreibt den „Promianwalt“ dabei so:
 
„Er ist bald selbst ein Teil des Boulevards. Die Zeitungen zeigen Scheele auf dem Oktoberfest oder beim Pokern für einen guten Zweck, gesponsert von einem Autohaus. Die Haut gebräunt, die Haare getönt, die Sonnenbrille ins Haar geschoben, die Zigarre im Mundwinkel – der Inbegriff der alternden Münchner Schickeria.“ 
 
Im Herbst 2009 macht Günther Gang Michael Scheele zum Aufsichtsratsvorsitzenden der NanoSky AG. Im deutschen Gesellschaftsrecht ist das Chef des Verwaltungsrates. Scheele erhält für das Amt ein Jahresbruttogehalt von 100.000 Euro.
 

Entlassung und Klage

 
Schon bald kommt es aber zu einem ernsthaften Zerwürfnis zwischen den beiden Geschäftsfreunden. Günther Gang unterstellt Michael Scheele „Pflichtverstöße“ und
fragwürdige Abbuchungen auf den Firmenkonten. Ende 2012 entlässt Günther Gang seinen Aufsichtsratsvorsitzenden deshalb fristlos. „Ich musste die Notbremse ziehen“, begründet der Brunecker Unternehmer den Schritt gegenüber der Bild-Zeitung damals.
Michael Scheele will sich diese Delogierung aber nicht gefallen lassen und klagt gegen Gang und die NanoSky AG.
Diese Klage wird für den Promianwalt aber zum Bumerang.
Denn im Prozess vor dem Münchner Landesgericht wird mehr als deutlich wie sich der Aufsichtsratsvorsitzende aus der Firmenkasse bedient hatte. So liefen nicht nur private Einkäufe über das NanoSky-Konto, sondern Scheel bezahlte über das Firmenkonto auch die Privatschule seiner Tochter oder seine Frau kaufte für seinen Enkel ein Porsche-Cayenne-Tretauto. „Es ist nicht einmal im Ansatz erkennbar, in wie weit mehrere Großpackungen Hundefutter, Damenhygieneartikel oder Weichspüler und Hühneraugenpflaster einen wie auch immer gearteten Bezug zur Tätigkeit bei Nano-Sky haben“, heißt es im Urteil des Landgerichts München I. Scheeles Verteidigungs- Argument, dass es sich um fahrlässige Fehlbuchungen handle, die nicht von ihm veranlasst wurden, kaufen die Münchner Richter Scheele nicht ab. Die Kündigung sie absolut rechtens. 
 
Fast gleichzeitig rollt auf Michael Scheele ein zweites Verfahren zu. Als Aufsichtsratsvorsitzender hatte er einige Bekannte dazu animiert bei NanoSky einzusteigen. So investierte Angela Wepper, Ehefrau des Schauspielers Fritz Wepper 125.000 Euro in das Unternehmen. Weil sich NanoSky aber unternehmerisch keineswegs so entwickelte wie geplant, will Wepper aus dem Aktiendeal aussteigen. In einer schriftlichen Vereinbarung sicherte Michaele Scheele seiner Bekannten Angela Wepper zu unter bestimmten Bedingungen die 125.000 Euro zurückzuzahlen. Was dann aber nicht geschah.
Deshalb zieht Angela Wepper vor Gericht. Michael Scheele lässt ein erstinstanzliche Einigung über 60.000 Euro platzen.
Der Gerichtsstreit wird zum Stoff für die Münchner Boulevardpresse. Selbst die renommierte Süddeutsche Zeitung titelt im Dezember 2015: „Anwalt will Wepper-Ehefrau den Mund verbieten“.
 

Die Spionage

 
Es war schon hart, was von Scheele bei diesem Prozess gegen mich alles unternommen wurde“, erinnert sich Günther Gang im Gespräch mit salto.bz an das Münchner Verfahren.
Denn vor dem Landesgericht München kommt auch eine unglaubliche Geschichte ans Tageslicht, die eigentlich jedem Anwalt das berufliche Genick brechen würde.
Ausgangspunkt ist ein ungewöhnlicher Vorfall am Münchner Flughafen. Günther Gang will am 17. April 2014 von München nach Istanbul fliegen. Doch am Flughafen wird er von einem Gerichtsvollzieher angehalten, der im Namen eines Scheele Mandanten eine sogenannte Taschenpfändung bei Gang durchführt. Dabei wird alles Bargeld, das jemand bei sich hat, einbehalten.
Günther Gang wundert sich, dass Michael Scheele genau wusste, dass es sich zu diesem Zeitpunkt am Flughafen aufhalten würde. Weil der Südtiroler Unternehmer das Flugticket über sein Unternehmen online gebucht hat, kommt ihm ein ungeheurer Verdacht. Scheele habe seine E-Mails gehackt.
Günther Gang beauftragt die private Sicherheitsberatungsfirma Corporate Trust mit einer genauen Untersuchung. Das Unternehmen bestätigt zweifelsfrei, dass die E-Mails von Nano-Sky von Unbekannten abgegriffen worden sind.
Gang stellt umgehend Strafanzeige und die Münchner Staatsanwaltschaft beginnt gegen den Promianwalt zu ermitteln. Die Münchner Polizei schaltet Fachleute für Cyberkriminalität ein und im Mai 2014 werden die Kanzlei und das Privathaus Scheeles durchsucht. Dabei beschlagnahmt man Computer, Laptops und Handys.
Die forensische Auswertung bestätigt den Verdacht vollends. Auf einem der Computer werden 1735 Mails von NanoSky gefunden, allesamt Jahre nach dem Scheele-Rauswurf verschickt. Zudem wird der E-Mail-Verkehr zwischen dem Promianwalt und seinem Sohn sichergestellt, in dem letzterer Scheele die Zugangsdaten zu dem Unternehmensserver mitteilt. Der Sohn schriebt dabei: „Hier die Zugangsdaten. Passwort: Cevedale. Benutzer: m027910e. Viel Glück, bin gespannt.
Die Fülle der Beweise führen die Ermittler zu einem eindeutigen Schluss. „Aus polizeilicher Sicht steht zweifelsfrei fest, dass es über einen längeren Zeitraum zu einer Vielzahl an unbefugten Datenabgriffen gekommen sei“, heißt es im Abschlussbericht des Münchner LKA.
 

Die Zivilklage

 
Doch dann geschieht etwas, das nicht nur Günther Gang, sondern - nach Aussage im Spiegel - selbst die beteiligten Ermittler erschüttert.
Im April 2016 stellt die Staatsanwaltschaft München I das Verfahren gegen Michael Scheele ohne Rücksprache mit den Fachleuten ein. Die Begründung klingt dabei mehr als merkwürdig: Zum einen sei weiterhin unklar, auf welche Art und Weise das Ausspähen erfolgte und zum anderen bestehe kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. 
Günther Gang und sein Anwalt Norman Synek wollen sich das so nicht gefallen lassen. Sie reichen Zivilklage gegen Michael Scheele ein. Am 13. September 2018 findet die Verhandlung vor der 29. Zivilkammer des Münchner Landgerichtes I statt. Die Einzelrichterin gibt dem Kläger Günther Gang in allen zentralen Punkten recht und verurteilt Michael Scheele zur Begleichung aller Prozesskosten und zur Zahlung eines Schmerzengeldes vom 5.000 Euro an Günther Gang.
Für mich ist die Sache damit endlich abgeschlossen“, sagt der Brunecker Unternehmer jetzt zu salto.bz. Ein Wermutstropfen bleibt aber: „Ich kann nicht verstehen, dass Scheele als Anwalt unbehelligt weiterarbeiten kann.
Michael Scheele hat inzwischen gegen das Urteil Berufung eingelegt.
 

 

UPDATE 19.11.2018: Stellungnahme von Dr. Michael Scheele zu den Vorwürfen von Günther Gang 

 

  • Produkte der Nanotechnologie, die Günther Gang versucht hat, zu verkaufen wurden nicht von ihm oder Firma Nanosky erfunden oder patentiert, sondern von einem deutschen Unternehmer. 
  • Das Teilstück Brennerautobahn wurde auch nicht von Günther Gang oder Nanosky gebaut, sondern von dem Südtiroler Unternehmer Georg Niederkofler (Alpenbau). 
  • Das Unternehmen Nanosky AG in München wurde mit meiner Hilfe und mit meinem Geld gegründet, weil Günther Gang mit seinem Unternehmen (Resotec) in Südtirol gescheitert war. 
  • Nachdem Günther Gang es trotz mehrfacher Ankündigung nicht schaffte, eine Geschäftsverbindung in Russland erfolgreich zu etablieren, konnte eine Liquiditätskrise durch einen Investor aus Saudi-Arabien, den ich gefunden hatte, vermieden werden. Dieser Investor beendete aber die Zusammenarbeit mit Günther Gang als der meinen Vorstandsvertrag kündigte. 
  • Zum Zeitpunkt der Kündigung schuldeten Günther Gang und die Nanosky mir insgesamt einen erheblichen sechsstelligen Betrag. Das Gericht erklärte die Kündigung lediglich deshalb für rechtswirksam, weil ich nach Meinung des Gerichts die Verantwortung für Fehlbuchungen innerhalb der Firma Nanosky trug. Fehlbuchungen im Werte von € 57,00. 
  • Günther Gang wurde von einem Gericht verurteilt, es zu unterlassen, die Behauptung aufzustellen, ich habe mich auf Kosten der Fa Nanosky bereichert. Später erklärte er verbindlich mir für jeden Verstoß gegen diese Verpflichtung eine Vertragsstrafe zu bezahlen. Außerdem wurde er rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, weil er – zu meinem Nachteil – bei Gericht falsche Angaben gemacht hatte. 

Mit Hilfe eines Detektivs konnte ich Gang schließlich ausfindig machen und bei ihm eine Taschenpfändung durchführen. 

Das von ihm erwähnte Gerichtsverfahren wegen Schmerzensgeld befindet sich in der Berufung. Seine Freude über das erstinstanzliche Urteil wird von kurzer Dauer sein. Der „Spionagevorwurf“ ist grotesk. Deshalb hat auch die Staatsanwaltschaft das Verfahren, gegen mich, eingestellt.
 
 

Dr. Michael Scheele, München