Wirtschaft | Erneuerbare Energien

Politikum Wasserkraft

SEV-Direktor Rudi Rienzner wirft der Landesregierung vor, in Rom nicht genug für die Wasserkraft-Förderung getan zu haben. Landesrat Richard Theiner kontert entschieden.
Mühlrad
Foto: Südtirolfoto/Udo Bernhart

“Der Landesrat hat resigniert.” Zu einem anderen Schluss kommt Rudi Rienzner nicht. Am Donnerstag findet in Rom der Showdown in einer Sache statt, die sich in den vergangenen Monaten abseits der breiten Öffentlichkeit abgespielt hat. Und trotzdem oder gerade deshalb nun für einen Schlagabtausch zwischen Rudi Rienzner und Richard Theiner sorgt. Der Landesrat nämlich sagt: “So sehr ich – und das möchte ich betonen – Herrn Rienzner fachlich schätze, so wenig Ahnung scheint er von Politik zu haben.”

 

Ungehörte Forderungen

Es geht um das staatliche Dekret zur Förderung erneuerbarer Energien (“decreto FER”). Wie berichtet, will die Regierung in Rom die staatlichen Beiträge für die Wasserkraft für die Förderperiode 2019-2021 stark beschneiden. Für Wasserkraftwerke mit einer jährlichen mittleren Nennleistung unter 1 Megawatt gehen die Fördermittel um 85 Prozent zurück. In Südtirol sind von den Einschnitten über 800 kleine und mittlere Kraftwerke betroffen – aber auch einige neue, die bereits konzessioniert sind und  ohne entsprechende Förderung kaum umgesetzt werden können. “Erneuerbare Energien brauchen Förderungen, um realisiert werden zu können”, unterstreicht Rudi Rienzner. Als Direktor des Südtiroler Energieverbandes versucht er gemeinsam mit anderen Interessenverbänden seit Monaten, die Regierung in Rom zum Umdenken zu bewegen. Erfolglos. Bevor das “decreto FER” nach dem Durchwinken in der Staat-Regionen-Konferenz vergangene Woche am heutigen Donnerstag zur Behandlung in die Vereinte Konferenz kommt, übt Rienzner Kritik an der Landesregierung – und Energielandesrat Richard Theiner.

Der hatte am 6. Dezember an der Videokonferenz der Staat-Regionen-Konferenz teilgenommen und dabei “drei für Südtirol wichtige Punkte”, wie er sagt, vorgebracht:

  • einen direkten Zugang zu den Fördermitteln für E-Werke bis zu 250 Kilowatt mittlere jährliche Nennleistung
  • die Erhöhung der Zugangsschwelle zum so genannten Einheitspreis (“tariffa omnicomprensiva”)
  • die Erhöhung der Wasserkraft-Tarife bei Ausschreibungen und Ranglisten

Das Ergebnis: ernüchternd. “Erneuerbare Energien: Südtiroler Forderungen nicht angenommen”, die “ablehnende Haltung gegenüber der Wasserkraft” sei bestätigt worden. Das meldet die Landespresseagentur im Anschluss an die Aussprache vom 6. Dezember.

 

Spät dran?

SEV-Direktor Rienzner ist überzeugt: “Auch das späte Eingreifen der Südtiroler Landespolitik hat dazu beigetragen, dass die Änderungsvorschläge abgelehnt wurden. Eine frühe Intervention bei den staatlichen Entscheidungsträgern hätte womöglich zum Erfolg führen können und eine Benachteiligung der Wasserkraft verhindert.” Im Gespräch mit salto.bz bestätigt Rienzner seine Kritik: “Der Landesrat hat offensichtlich resigniert.”

Tatsächlich? Auf Nachfrage beim Angesprochenen wischt dieser den Vorwurf umgehend vom Tisch. Nicht der angeblichen Untätigkeit des Landes – “den Vorwurf von Herrn Rienzner weise ich zurück” –, sondern vielmehr politischem Taktieren in Rom sei es geschuldet, wenn Südtirol am Ende “auf verlorenem Posten” stehe, wie es Richard Theiner ausdrückt.

Schon als die Debatte um das neue Förderdekret im Frühsommer gestartet ist, habe man sich in Rom eingeschaltet, beteuert der Landesrat. Abseits des Austauschs auf technischer Ebene aber “ist uns sehr schnell klar geworden, wohin die Reise geht”. Nämlich, dass M5S und Lega in Rom kein großes Interesse haben, den Südtirolern aufzuhorchen.

 

Ein abgekartetes Spiel

Neben der Wasserkraft wird im “decreto FER” auch der Geothermie der Hahn zugedreht. Photovoltaik und Windkraft hingegen hingegen stärker gefördert. Damit ist klar: Die Marschrichtung gibt hier die 5 Sterne Bewegung vor, denen auch die beiden zuständigen Ministerien für wirtschaftliche Entwicklung und Umwelt unterstehen. Denn Wind- und Photovoltaikanlagen gibt es vermehrt dort, wo es die meisten M5S-Wähler gibt: in Italiens Süden. Noch Ende November hatte Luigi Di Maio auf eine Anfrage der SVP-Senatoren hin das “decreto FER” im Senat verteidigt.
In der Staat-Regionen-Konferenz hingegen hatten sich Beobachter von außen den Widerstand der Lega-Präsidenten der norditalienischen Regionen erwartet, wo die Wasserkraft ein ebenfalls zentraler Wirtschaftssektor ist. Auch Rudi Rienzner hatte auf die Leghisti gehofft. Nicht aber Richard Theiner. “Dafür bin ich lange genug in der Politik.”

“In der Lega gibt es diverse Exponenten, die dasselbe Anliegen haben wie wir, nämlich die ökologische und wirtschaftliche Zukunft der Wasserkraftwerde zu sichern. In Gesprächen mit einzelnen Exponenten und Assessoren sind wir mit unseren Anliegen für die Wasserkraft sehr wohl auf Zustimmung gestoßen”, berichtet Theiner. Auch einige Lega-Parlamentarier der zweiten Reihe hatten öffentlich eine stärkere Berücksichtigung der Wasserkraft gefordert. Doch die Spitzenfunktionäre blieben still. Auch bei der Staat-Regionen-Konferenz am 6. Dezember hätten sie nicht für die Vorschläge aus Südtirol gestimmt, berichtet Theiner.

Die verwehrte Unterstützung führt er darauf zurück, dass die Lega in Rom in dieser Sache offensichtlich keinen neuen Streit mit dem Koalitionspartner vom Zaun brechen will: “Nicht nur ich habe den Eindruck, dass man sich lange schon auf diese politische Linie geeinigt hat und sie jetzt durchzieht. Wäre es anders, würden sich auch andere Regionenvertreter äußern. Hier scheint 5 Sterne-Lega einmal zu funktionieren.”

 

Showdown in Rom

Am Donnerstag Nachmittag tritt die Vereinte Konferenz zusammen, in der neben den Mitgliedern der Staat-Regionen-Konferenz auch Gemeinden, Städte und Provinzen sowie die vier Minister für Inneres (Matteo Salvini), Wirtschaft (Giovanni Tria), Infrastrukturen (Danilo Toninelli) und Gesundheit (Giulia Grillo) vertreten sind. Sie muss ein Gutachten zum Förderdekret abgeben. Danach ist die EU an der Reihe.

“Wir haben noch am Montag eine Stellungnahme eingereicht, in der wir fordern, dass unsere drei Punkte noch einmal behandelt werden”, verrät Theiner. Die Zeichen stehen denkbar ungünstig. Denn: Wo kein römischer Wille, da kein Südtiroler Weg.

Bild
Profil für Benutzer Pietro Fischer
Pietro Fischer Do., 13.12.2018 - 11:43

Ökonomisch tragen sich meistens nur die Großkraftwerke, die Kleinen würden sich ohne Förderungen oft gar nicht auszahlen und erzeugen in Summe den größten ökologischen Schaden. Wieso sollte man da bitte genau diese verstärkt fördern? Damit sich die privaten Strombarone noch mehr bereichern?
Einige der wenig sinnvollen Initiativen dieser Regierung......

Do., 13.12.2018 - 11:43 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Stefan Troyer
Stefan Troyer Fr., 14.12.2018 - 14:28

Antwort auf von Pietro Fischer

Diese rein neidgesteuerte Negativkampagne gegen die "Klein"-Wasserkraft (was ist überhaupt klein? was ist groß?) ist totaler Schwachsinn. Das Gerücht, dass die kleinen Kraftwerke den größten Schaden anrichten, wurde irgendwann in die Welt gesetzt, um ein Totschlagargument gegen die vielen Projekte im Land zu produzieren.

Es gibt neben den (leider nicht wenigen!) schwarzen Schafen auch unzählige positive Beispiele, wie Wasserkraft gerade als Vorzeigeprojekt zur sauberen Energieerzeugung dienen kann! Windkraft oder gar Photovoltaik kommen da in puncto Nachhaltigkeit niemals hinterher, da keine Technologie mit weniger Energie- und Materialaufwand über die Lebensdauer gesehen mehr Energie produzieren kann als die Wasserkraft.

Kleine wie große Wasserkraftprojekte können gleichermaßen rentabel sein oder eben nicht. Die Größe allein ist nicht ausschlaggebend, es bräuchte nur endlich Kostenwahrheit im Stromtarif. Wenn die Förderungen der Kohle-, Erdöl-, Gas- und Atomkraftindustrie gestrichen würden, die übrigens im Gegensatz zu jenen der erneuerbaren Energien niemanden zu interessieren scheinen, obwohl sie um ein Vielfaches höher sind, dann bräuchte es auch keine Förderungen für die Erneuerbaren!

Das Schlimmste ist aber: In Europa wird noch immer 25% der elektrischen Energie aus Kohle (!) erzeugt, was dazu geführt hat, dass die CO2-Intensität der Stromerzeugung gegenüber den 1990er-Jahren um fast ein Fünftel angestiegen ist, und wir haben nichts Besseres zu tun, als immer noch darüber zu diskutieren, ob und ab bzw. bis zu welcher Größe Wasserkraft sinnvoll ist und wer wie viel daran verdienen darf. Wir sind echt nicht mehr zu retten!

Fr., 14.12.2018 - 14:28 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hans Hanser
Hans Hanser So., 16.12.2018 - 21:58

Verständlich, dass Hr. Troyer (http://www.troyer.it) für sein Business kämpft, auch er kann jedoch nicht leugnen, dass kleine Wasserkraftwerke bereits ausreichend in Südtirol vorhanden sind und die von ihnen produzierte Energie aufgrund der unzureichenden Deckungsbasis im Prinzip dem Steuerungsmechanismus wenig entgegenkommt. Bekanntlich ist der Konsum im Winter im Alpenraum sehr hoch, während diese Kraftwerke in diesen Zeiten nahezu stillstehen. Im Übrigen ist dies auch ein Grund, der die Regierung zu diesem Schritt bewogen hat.
Auch Otto Normalbürger müsste es einleuchten, dass wenn ein Hr. Mussner, der von Energie ebenso wenig Ahnung hat wie Herr Rienzner oder die Kuh vom Sonntag, beginnt sich hierfür einzubringen, lediglich der Wasserkraftlobby gedient ist, wobei deren Kassen bereits einigermaßen gefüllt sein dürften. Die Salto-Redaktion ist hier ethisch auch durchaus kritikwürdig, denn Hr. Rienzner hat sich in der Vergangenheit keinen großen Namen als Ökologe, sondern mehr als Schlitzohr gemacht (https://www.salto.bz/de/article/09092013/ahrntal-rudi-rienzner-und-die-…). Dass Salto stets dem SEV, trotz der Skandale um Rienzner, Plattformen gibt sich als seriöser Verband aufzuspielen, grenzt an Naivität oder Geschäftssinn, weil wahrscheinlich SEV Kunde von Salto ist. Wie im Übrigen Alperia, bei denen genügend Skandale zu finden wären, wenn man nur ein wenig graben würde. Es ist jedoch wie bei vielen Lobbies in Südtirol - nimmt man ihnen die Krümel vom bereits riesengroßen Kuchen, wird mit Panikmache agiert. Dabei wird zu schnell vergessen wie viele Menschen in Südtirol nicht bis zum Monatsende kommen.

So., 16.12.2018 - 21:58 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Stefan Troyer
Stefan Troyer Di., 18.12.2018 - 19:05

Antwort auf von Hans Hanser

War ja klar, dass mein Beitrag als "Lobbying für die reichen Strombarone" diskreditiert wird, obwohl ich nirgends gesagt habe, dass jeder Bachlauf mit Kraftwerken zugepflastert werden soll. Ich habe mich nur dagegen verwehrt, dass die Wasserkraft immer nur durch den Dreck gezogen wird, während sie einen unverzichtbaren Beitrag zur sauberen Energieerzeugung leistet und dabei noch wesentlich sauberer bzw. nachhaltiger ist als Photovoltaik und Windkraft.

Sie können mir sicherlich einen kurzen Überblick darüber geben, wie Sie es mit der derzeitigen Energiepolitik in Europa generell und in Italien im Besonderen schaffen wollen, die derzeitige Produktion aus der Wasserkraft auch nur konstant zu halten, geschweige denn zu steigern. Schätzungen gehen nämlich davon aus, dass ein Drittel des Kraftwerksparks in Italien dringend erneuert und optimiert werden muss, um bis 2030 nicht 6.000 MW an Ausbauleistung oder 10,4 TWh an Produktion zu verlieren (erneut Terawattstunden, siehe oben).

Einige der ach so reichen "Strombarone" schafften es mit dem reinen Stromtarif, der bis vor kurzem am Markt zu erzielen war, kaum, größere Revisionen durchzuführen. Investitionen in Optimierungen oder Effizienzsteigerungen, die natürlich entsprechend kosten, sind auch derzeit noch völlig unrentabel. Das ist genauso Fakt wie die Tatsache, dass sich einige Investoren aufgrund der übertrieben hohen Förderungen eine goldene Nase verdient haben. Nur wird diese Seite der Medaille komischerweise nie angesprochen.

Und wenn Sie schon dabei sind, können Sie mir ja auch noch kurz zusammenfassen, wie Sie die 25% Kohlestrom im europäischen Verbundnetz gerne ersetzen möchten. Zur Erinnerung: dort werden auch heute noch jährlich etwa 762 Terawattstunden an elektrischer Energie eingespeist, die aus aus Braun- und Steinkohle bzw. Torf gewonnen wird (https://docstore.entsoe.eu/Documents/Publications/Statistics/Factsheet/…).

Wenn Ihnen diese riesige Zahl nicht viel sagt, dann hilft es vielleicht, wenn ich Ihnen sage, dass dies dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von rund 152 Millionen Haushalten entspricht. Was das nicht nur für die CO2-Emissionen, sondern auch für die Luft in der Umgebung dieser Kraftwerke bedeutet, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen.

Dabei sind in diesen Zahlen noch nicht einmal die zukünftig notwendigen Energiemengen für das vielgepriesene Allheilmittel Elektro- bzw. Wasserstoffmobilität enthalten.

Fakt ist, dass es sehr wohl die Möglichkeit gibt, die Wasserkraft umweltschonend zu nutzen, und dies wurde gerade in Südtirol zigfach bewiesen. Ebenso wurde auch bereits mehrfach bewiesen, dass es durch den Einsatz moderner Technik möglich ist, die Effizienz teilweise drastisch zu steigern, um z.B. bei höheren Restwassermengen die Jahresproduktion zu halten.

Aber dazu braucht es entweder einen höheren Stromtarif, der diese Investitionen ausgleichen kann oder eben Förderungen, wobei wie schon gesagt allein die Umlage der existierenden Förderungen für fossile Energie und Kernenergie mehr als ausreichend wäre.

Verzeihen Sie mir, dass es bis hier schon recht lang ist, aber ich muss auch noch kurz zu Ihrer Anmerkung bezüglich der reduzierten Produktion in den Wintermonaten Stellung nehmen.

Das mag für Laufwasserkraftwerke im Alpenraum ja zutreffen, aber es gibt auch Einzugsgebiete innerhalb des europäischen Verbundnetzes, die im Winter die höchsten Abflüsse aufweisen und dafür im Sommer trocken liegen.

Außerdem existiert bereits ein großes Volumen an Jahresspeichern, die bisher die Grundlastproduktion der nicht bzw. nur schlecht regelbaren Atom- und Kohlekraftwerke ebenso aufnehmen wie die Übrproduktion der Photovoltaik- und Windparks. Diese Jahresspeicher stehen bei einem längst überfälligen Kohleausstieg zum Ausgleich der saisonalen Schwankungen in der Produktion von Laufwasserkraftwerken zur Verfügung.

Zu guter Letzt tut es überhaupt nichts zur Sache, dass viele Menschen nicht wissen, wie sie bis zum Monatsende kommen, denn ein ganz wesentlicher Aspekt wird in dieser Diskussion immer sehr gerne unter den Tisch gekehrt: Mit deren und unser aller Steuergeld wird die fossile Energie in noch viel größerem Umfang gefördert, als dies durch den vergleichsweise bescheidenen Beitrag für die umweltfreundlichen Energiequellen der Fall ist, der über die Stromrechnung abgerechnet wird.

Das ist eine Tatsacge, die z.B. im öffentlich zugänglichen Vorwort zum jährlichen World Energy Outlook der IEA seit Jahren drinsteht und sehr einfach nachgelesen werden kann. Nur ist halt der Beitrag zur Förderung der erneuerbaren Energien sehr viel sichtbarer.

Bleiben wir also bitte bei der Wahrheit, auch wenn sie unbequem ist!

P.S.: ...und bevor Sie mir jetzt auch noch mit dem abgedroschenen "Energiesparen ist besser als neu Produzieren" kommen, lesen Sie bitte noch einmal aufmerksam durch, was ich geschrieben habe.

Di., 18.12.2018 - 19:05 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Frei Erfunden
Frei Erfunden Mo., 17.12.2018 - 14:23

ich bin gegen die förderung von kleinkraftwerken, die Verbauung von bachabschnitten ist nicht umweltverträglich.
schalten wir doch lieber die Schneekanonen ab und widmen uns einem nachahltigen , umweltverträglichen Tourismus ,
im Sinne der Umwelt und der kommenden Generationen.

Mo., 17.12.2018 - 14:23 Permalink