Politik | Richtung Regierung

Das Vorspiel geht weiter

Über SVP-Lega steigt schwarzer Rauch auf. Die Abstimmung über das Regierungsabkommen wird verschoben. Die Werte-Präambel sorgt weiter für Irritationen.
Foto: Salto.bz

“Mein rechter, rechter Platz ist leer…”, heißt es in einem gängigen Kennenlernspiel. Die SVP hat es für sich am 26. November beendet: “…ich wünsche mir die Lega her”. Seither sitzen die beiden künftigen Regierungspartner beisammen. Bis Weihnachten wollten die beiden ein von den Parteigremien abgesegnetes Regierungsabkommen präsentieren. Doch daraus wird nichts.

 

Zähe Stunden

Wer das Telefonat mitbekommt, das am Samstag gegen 15.15 Uhr im Foyer des Landtages geführt wird, könnte meinen, dass die Luft im Zimmer nebenan dünn wird. “Ich traue mich jetzt nicht zu gehen… Wir kommen nicht vom Fleck.” Es ist einer der zwölf Unterhändler, der einen Termin absagt. Seit 9 Uhr morgens feilschen SVP und Lega um den Regierungsvertrag. Um 15 Uhr wollten sie die Arbeiten abgeschlossen, die Ergebnisse der fünf Arbeitsgruppen in einem Papier gebündelt haben. “Am Vormittag haben wir die Gespräche unterbrochen, dann aber wieder aufgenommen.” Für die wenigen Journalisten, die im Landtagsfoyer ausharren, eröffnen die ins Handy gesprochenen Worte eine Menge Interpretationsspielraum. Was geht hinter den verschlossenen Türen vor? Stecken die Koalitionsverhandlungen in einer Sackgasse? Woran hakt es?

Es wird noch bis 16.45 Uhr dauern, bis sich alle vom Verhandlungstisch erheben und die Tür aufgeht. Als erste verlassen die sechs Lega-Delegierten den Raum. Der Kammerabgeordnete Filippo Maturi lächelt abweisend, zeigt auf Massimo Bessone. “Parla il commissario.” Maturi gilt als Vertrauensmann der Mailänder Legaspitze und parteiintern als Widersacher des hiesigen Legachefs Bessone. Roberto Calderoli höchstpersönlich hat Maturi in die Endverhandlungen entsandt. Zum Missfallen von Bessone, der den Bozner Gemeinderat Luigi Nevola dabei haben wollte.

Nichtsdestotrotz lässt sich Bessone von Maturis süffisantem Lächeln, das sich auf dem Gesicht von Giuliano Vettorato – der Leiferer Landtagsabgeordnete ist wiederum Vertrauensmann von Maturi – widerspiegelt, nicht aus der Ruhe bringen. Von Polemiken will er nichts hören, er spricht lieber vom “sogno altoatesino”. Den Ausdruck hat Bessone schon aus dem SVP-Wahlprogramm übernommen. Vom “Südtiroler Traum” von Bildung, Wohnen und Arbeit für alle war in dem 50-seitigen Papier die Rede, das Philipp Achammer und Arno Kompatscher Ende September präsentierten.

 

53 Seiten Chefsache

Beinahe ebenso viele Seiten hat das Dossier der fünf Arbeitsgruppen, die in den vergangenen Tagen für SVP und Lega die Verhandlungen geführt haben. Punkt für Punkt der 53 Seiten ist die “Chefgruppe” am Samstag durchgegangen. Und zu keinem Ende gelangt. Nicht aber, weil man inhaltlich nicht zusammenfinden würde, beteuert Bessone: “Per ora, problemi zero.” Sondern weil es Schwierigkeiten “technischer Natur” gebe. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden auf deutsch niedergeschrieben. Bei der Übersetzung aber hapert es offenbar. “Manche Begrifflichkeiten sind im Italienischen missverständlich ausgedrückt”, erklärt Carlo Vettori. Auch deshalb wolle man sich Zeit nehmen, Wort für Wort durchstudieren. Und zwar mehr Zeit als geplant. Dass die Verhandlungen zwischendurch einen toten Punkt erreicht hätten, verneint Bessone. Weshalb aber die Unterbrechung am Vormittag, von der im Handygespräch die Rede war? “Per berci un caffè”, lächelt der Legachef.

Ursprünglich wollten SVP und Lega am Donnerstag (20. Dezember) ihre Parteigremien über das Regierungsabkommen abstimmen lassen. Die Abstimmungen aber werden auf nach Weihnachten verschoben, bestätigt SVP-Obmann Philipp Achammer. Ende der Woche – noch steht der Termin nicht fest – will sich die “Chefgruppe” erneut treffen und die Arbeiten zu Ende, die finale Version des “technischen Vertrags” zu Papier bringen, mit dem SVP und Lega die kommenden fünf Jahre regieren wollen. Ob die Koalition bis Weihnachten steht, ist fraglich. “Es bestand und besteht weiterhin Gesprächsbedarf”, wird Achammer etwas deutlicher als Bessone.

 

Aufgeschobene Abstimmung

Um die Kompetenzverteilung oder Namen für die Landesregierung sei es am Samstag nicht gegangen. Auch nicht um die Beziehungen zwischen SVP und Lega auf römischer Ebene – immerhin sitzen mit Filippo Maturi und Meinhard Durnwalder zwei amtierende Parlamentarier am Verhandlungstisch. Nein, und Rom mache auch keine Vorgaben was die Zusammenarbeit in Südtirol betreffe, beteuern die Parteichefs von SVP und Lega unisono. Man habe sich knapp acht Stunden lang einzig dem Vertragstext gewidmet. “Die Tücke liegt bekanntlich im Detail”, meint Achammer. Auf die Frage der Journalisten, bei welchen Punkten man (noch) nicht zusammenfinden konnte, kommt die Standard-Antwort vom Parteiobmann: “Wo es den meisten Diskussionsbedarf gibt, das kann und will ich nicht ausführen.” Abgesehen von der Finanzierung, die es zu sichern gilt – “wir schreiben hier ja keinen Wunschzettel”, heißt es aus der SVP –, kristallisiert sich am Ende dann doch heraus, wo Volkspartei und Lega hadern: Europa.

Der demonstrativ europäisch ausgerichtete Wahlkampf der SVP ist noch nicht lange her. Bewusst habe man die “europäische Grundhaltung” der Partei im Wahlprogramm festgehalten – als “Konterpart zu aktuellen Tendenzen in Europa”. “Wir sehen die Zukunft in einem Europa der Regionen, das nationale Ideen überwunden hat.” “Wir werden alle denkbaren Schritte ergreifen, um uns gegen Europa- und Euro-kritische Haltungen zu wehren.” Mit diesen Ansagen präsentierten Achammer und Kompatscher Ende September das SVP-Wahlprogramm. Wie sehr dieses überzeugte Bekenntnis zu Europa auch im Regierungsabkommen durchschlagen wird, darauf darf man gespannt sein. Zum einen aufgrund der hinlänglich bekannten Vorgeschichte um den famosen “Wertekodex”. Zum anderen, weil Massimo Bessone am Samstag mit einer Ansage aufhorchen lässt, die die SVP das Gesicht verlieren lassen würde. Wäre sie wahr.

 

Auf dem rechten Weg?

Den Wertekatalog, den die SVP der Lega vor Beginn der Koalitionsverhandlungen als “Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen für eine Regierungsvereinbarung” vorgelegt hat, hat sich diese geweigert zu unterzeichnen. Na gut, dann werden die drei Punkte des Kodex – Autonomie, friedliches Zusammenleben und Europa – eben als Präambel in das Regierungsabkommen aufgenommen, beschloss die SVP.

Es wird keine Präambel geben, verkündet Massimo Bessone am Samstag Nachmittag. Auf Nachfrage bei Arno Kompatscher runzelt dieser die Stirn. “Wenn das Enddokument vorliegt, können Sie sich dann ja selbst ein Bild machen”, meint der Landeshauptmann sichtlich irritiert.

“Selbstverständlich wird der Vertragstext damit beginnen, dass man diese Übereinkunft über die grundsätzlichen Prinzipien und Werte der morgigen Landesregierung niederschreiben wird. Ganz klar!”, versucht Philipp Achammer jeglichen Anschein einer Polemik im Keim zu ersticken. Auch bei der SVP übernimmt der Parteichef das Sprechen mit den Journalisten. “Man kann es nennen wie man will, Präambel oder nicht. Tatsache ist, dass wir auf diese drei Punkte, die uns ja so wichtig sind, beharren und sie hundertprozentig Teil des Endtextes sein werden.”

Allerdings “darf” auch die Lega an den “unverhandelbaren Werten” der SVP Hand anlegen, sie ergänzen – “falls sie damit unseren Werten nicht widerspricht”, präzisiert Achammer. Wie inzwischen durchgedrungen ist, will die Lega den Verweis auf ein “Europa der Völker und Regionen” festschreiben – und in punkto Autonomie soll auf alle drei Sprachgruppen Bezug genommen werden.

Den Feinschliff wird das 53-seitige Dokument wie erwähnt bis Ende dieser Woche erhalten. Erst dann wird sich herausstellen, wer wo wie viele Federn hat lassen müssen, was von den “unverhandelbaren Werten” der SVP am Ende übrig bleibt – und ob der Platz rechts neben der SVP für die Lega auch der rechte ist.

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Peter Gasser Mo., 17.12.2018 - 06:38

Es kommt, was sichtbar zu erwarten war:
Bozen verhandelt mit Mailand.
Es wird keine „Werte“ geben.
Es wird keine „Minderheit“ mehr geben.
Ziel ist der zentralistische eigenständige Nationalstaat.
Provinz und Europa werden entmachtet.
Die Lega verhehlt ja ihre Struktur und ihre Ziele, auch IHRE Werte, nicht.

Mo., 17.12.2018 - 06:38 Permalink
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Jan Matia Prinoth Di., 18.12.2018 - 11:33

Ich würde diese Diskussion über die Werte-Präambel nicht überbewerten. Ein negatives Vorzeichen scheint sie aber zu sein. Ich glaube nicht, dass diese gemeinsame Regierung eine gesamte Legislatur überdauern kann; wenn sie überhaupt zustandekommt.
Das die SVP überhaupt in Verhandlungen mit der Lega getreten ist könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Edelweiß trotz nachrückender Junger Generation weiterhin von einem starren alten Geist bestimmt wird, der eine Regierung mit Grünen + PD oder mit Köllensperger strikt ablehnt. Der übliche "materielle Opportunismus" - mit den jeweils in Rom Regierenden zu pakteln - der Partei sowie vielleicht auch noch andere materielle Interessen könnten auch eine Rolle spielen. Jedenfalls hoffe ich, dass die SVP und Südtirol durch ein Abkommen mit diesen Leuten nicht ernsthaft zu Schaden kommen. Vertrauen wir auf die vorausschauende Intelligenz der SVP - Parteizentrale.

Di., 18.12.2018 - 11:33 Permalink