Politik | Autonomie

„Ich will eine Klarstellung“

Landeshauptmann Arno Kompatscher über Calderolis Anschlag, den Hilferuf an Wien, das ausverhandelte Regierungsprogramm und eine Unterzeichnung noch vor Jahresende.
Arno Kompatscher
Foto: Facebook/Arno Kompatscher
Salto.bz: Herr Landeshauptmann, hat Ihnen Roberto Calderoli ein Ei gelegt oder Ihnen einen Gefallen gemacht?
 
Arno Kompatscher: Weder noch. Es geht nicht darum, ob künftig 215 oder 300 Senatoren im Parlament sitzen, sondern es geht um die Vorgangsweise. Wir haben in der abgelaufenen Legislaturperiode erreicht, dass zweimal bei einer Abänderung des Autonomiestatutes zwischen Italien und Österreich ein Notenwechsel stattgefunden hat. Wenn man jetzt aber wieder dazu übergeht, Bestimmungen, die auch die Autonomie betreffen, zu überarbeiten ohne das Einvernehmen zu suchen, dann haben wir das alles umsonst gemacht. Dann verlieren wir diesen wichtigen Grundsatz wieder. Deshalb habe ich gesagt: So geht das nicht.
 
Macht sich die SVP mit diesem Hilferuf an Wien nicht lächerlich?
 

Es geht hier nicht um einen Hilferuf, sondern ich habe Wien informiert. Genauso wie es übrigens 2004 Landeshauptmann Luis Durnwalder getan hat. Das war ein ganz ähnlich gelagerter Fall. Damals ging es auch um die drei Senatssitze. Da hat Durnwalder ganz zu Recht Bundespräsident Heinz Fischer informiert. Dieser wiederum hat in Rom interveniert und das Ganze hat sich relativ bald in Wohlgefallen aufgelöst. Ich hoffe, dass es auch diesmal so sein wird.
 
Es ist eine absurde Situation. In Bozen legt sich die SVP mit der Lega ins Bett und in Rom schreit sie, die Lega vergewaltigt uns. Glauben Sie, dass Wien so was wirklich ernst nehmen kann?
 
Weder legt man sich in Bozen mit irgendjemanden ins Bett, noch hat man gesagt, man wird in Rom vergewaltigt oder umgebracht. Ich habe einfach darauf hingewiesen, dass das Procedere nicht eingehalten wurde. Ein Procedere, das aus unserer Sicht inzwischen Standard ist. 
Weder legt man sich in Bozen mit irgendjemanden ins Bett, noch hat man gesagt, man wird in Rom vergewaltigt oder umgebracht.
Wie wollen Sie jetzt aus dieser Affäre wieder herauskommen?
 
Ganz einfach. Es geht mir darum, dass man diese Vorgangsweise einhält und offen erklärt, das auch zu tun. Dann ist für mich die Angelegenheit bereinigt. Denn wir hatten auch mit den Mitte-Links-Regierungen manchmal Situationen, in denen es ordentlich geknirscht hat und wo man auch sehr deutlich werden musste. Danach hat es wieder gepasst. 
 
Die für Samstag geplanten Koalitionsverhandlungen mit der Lega sind abgesagt. Wie soll es jetzt weitergehen?
 
Von meiner Seite gab es keine Absage. Ich habe nur gesagt, dass ich mich nicht an einen Verhandlungstisch setze, um über das Thema Ausbau und Weiterentwicklung der Autonomie zu reden, während wir in Rom genau in diesem Punkt ein Problem haben. Deshalb: Klären wir zunächst das und dann machen wir weiter.
Wir hatten auch mit den Mitte-Links-Regierungen manchmal Situationen, in denen es ordentlich geknirscht hat und wo man auch sehr deutlich werden musste.
Abbruch der Verhandlungen oder gehen Sie davon aus, dass man wieder zur Tagesordnung übergehen kann?
 
Ich erwarte mir eine Klärung, bevor wir wieder zur Tagesordnung übergehen. Das muss auf jeden Fall noch erfolgen. Aber ich gehe davon aus, dass das schon möglich ist. Denn es kann doch nicht zu viel verlangt sein, dass Italien sagt: Selbstverständlich halten wird die zwischenstaatlichen Abkommen ein...
 
Wer aber soll diese Erklärung abgeben: Bessone, Calderoli, Salvini oder die Regierung?
 
Eine Erklärung seitens derjenigen, die jetzt diesen Gesetzentwurf in Rom weiter betreiben. Man soll sagen, wie man das jetzt machen will. Entweder die Abänderung zurückziehen, doch noch drei Senatssitze vorsehen oder sagen: Nein wir wollen das tatsächlich ändern und dazu das Einvernehmen mit uns suchen.
 
Was aber, wenn die Lega hier ihr wahres Gesicht gezeigt hat?
 
Ich weiß nicht, ob es nur mangelndes Fingerspitzengefühl war oder schlechtes Timing und die Lega tatsächlich das zu einem späteren Zeitpunkt durchbringen wollte. Tatsache ist: Der Gesetzesentwurf zur Herabstufung auf zwei Senatoren liegt bereits auf. Deshalb hätten die Lega und die Regierung genug Zeit gehabt, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
 
Haben Sie die Südtiroler Grünen schon kontaktiert?
 
Nein, warum sollte ich?
 
Weil sich selbst in Ihrer Partei die Zweifel mehren, ob eine Landesregierung mit der Lega schon der richtige Weg ist?
 
Wir haben jetzt mit der Lega eine fast fertige Regierungsvereinbarung stehen. Es hakte noch an der Übersetzung. Es gibt auch schon erste Rückmeldungen. Wir sind aufgrund der Verhandlungen hier wirklich sehr weit gekommen. Aber bevor wir wirklich unterschreiben, muss die Frage geklärt werden, wie man mit Autonomieabänderungen in Zukunft umgehen will. Vollständig geklärt. 
 
Mit Verlaub, haben Sie verstanden, was die Lega in der Landesregierung will?
 
Wir haben in dieser Regierungsvereinbarung unser Programm, mit dem wir angetreten sind, mehr oder weniger unterbringen können. Die Lega-Vertreter haben bei einigen Punkten ihre Sichtweisen auch vorgebracht. Sie wollten auch Präzisierungen, damit man gewisse Punkte aus ihrer Sicht nicht missverstehen könnte. Aber insgesamt glaube ich schon, dass es ein Programm ist, mit dem wir als SVP sehr gut leben können. Wenn das so verabschiedet würde. Noch ist ja nichts unterschrieben.
Dann haben wir tatsächlich ein veritables Problem. Denn es handelt sich für mich um eine grundsätzliche Frage.
Sie gehen davon aus, dass man noch in diesem Jahr die Koalitionsverhandlungen beendet und den Regierungsvertrag unterzeichnet?
 
Ich sehe das durchaus als möglich. Aber noch einmal: Ich verlange, dass man das bezüglich der Reform in Rom klärt. Man muss sagen, wie und was da geplant ist. Parallel kann man dann versuchen, die Verhandlungen abzuschließen und die Vereinbarung noch innerhalb 2018 zu schaffen.
 
Was tun Sie aber, wenn diese Klärung vonseiten Roms und der Lega nicht kommt?
 
Dann haben wir tatsächlich ein veritables Problem. Denn es handelt sich für mich um eine grundsätzliche Frage, ob eine Regierung in Rom akzeptiert, dass es keine Abänderung des Autonomiestatutes ohne Einvernehmen geben kann. Aber ich habe inzwischen aus Rom indirekt Signale erhalten, dass man zu diesem Prinzip steht. Dass man nicht glücklich ist, wie die Dinge gelaufen sind. 
 
Roberto Calderoli kritisiert, dass Sie so ein Aufhebens machen?
 
Man glaubt, dass man die ganze Sache vielleicht etwas leiser hätte klären können. Gut, das ist jetzt halt in aller Öffentlichkeit geklärt worden. Das ist aber auch kein Problem. Denn dann haben wir eine deutliche Klarstellung über die autonomiefreundliche Haltung der Regierung.
 
Sie glauben ernsthaft, dass die Koalition SVP-Lega wirklich fünf Jahre halten wird?
 
Wenn man während der Koalitionsverhandlungen oder zu Beginn einer Koalition nicht davon ausgeht, dann würde es keinen Sinn machen die Verhandlungen überhaupt zu führen.

 

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Richter Peter Fr., 21.12.2018 - 10:08

Arno, warum setzt du dich nicht durch? Mit PD und Grünen braucht ihr zwei Tage und die Regierung ist gebildet. Die Lega ist nur eine Lobby-Bande mit großem Maul. Man braucht sich nur viele ihrer Regierungen anchauen. Mit PD und Grünen seit ihr auf der gleichen Linie bzgl. Umwelt, Sozialem, Europa, Mobilität, Bildung.

Fr., 21.12.2018 - 10:08 Permalink
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Ludwig Thoma Fr., 21.12.2018 - 20:00

Wer sich mit Bauchschmerzen an den Koalitionstisch setzt muss aufpassen, dass er keine Gastroenteritis bekommt, wenn er die Zäpfchen nicht nimmt.

Fr., 21.12.2018 - 20:00 Permalink